Raptoren – flinke, mittelgroße Raubsaurier – sind keine sonderlich possierlichen Tierchen. In Jurassic Park schafft man es dennoch, die agilen Bestien zu zähmen. Genau das hat Ford Performance auch getan und das Rezept des amerikanischen Full-Size Pick-ups F150 auf das europäische Derivat, den Ford Ranger, übertragen.
Durch fette Trittbretter, noch fettere Reifen, eine hoch gelegte Karosserie, einen mächtigen Bügel über der Ladefläche und einen Ford-Schriftzug im Kühlergrill, der größer ist als die Front eines Fiesta, wird aus einem Standard Pick-up ein auffälliges Monster. Knapp zwei Meter hoch – damit theoretisch tiefgaragentauglich – und mit Spiegeln über 2,3 Meter breit – und damit in jeder Autobahnbaustelle auf die rechte Spur verdammt – und dazu deutlich über fünf Meter lang, sprengt das Ding alle bekannten Dimensionen und ragt in Querparkplätzen weit in die Fahrbahn. Ein BMW X6 oder Audi Q7 wirkt daneben wie ein Kleinwagen.
Sollte man bei sinnlosem die Sinnfrage stellen?
Warum fährt man Raptor und keinen normalen Ranger? Weil man es kann! Der Testwagen bringt es mit „einmal alles“ auf netto 57.000! Euro – 18.000 Euro mehr, als ein normaler Ranger mit Doppelkabine kostet. Und was gibt‘s dafür?
Wer die ideale Strategie gefunden hat, den Raptor zu entern – erst mal aufs Trittbrett stellen, dann in den Sitz gleiten lassen –, nimmt auf sportlich bequemem Gestühl im Leder-Alcantara-Mix Platz und kann seine ideale Sitzposition elektrisch anfahren. Durch die hohe Sitzposition, aber auch durch die relativ schlanken Säulen der Karosserie ist der Überblick durchaus gut. Die analogen Armaturen mit roten Zeigern in Durchlichttechnik lassen sich gut ablesen. Das umfangreiche Menü des Bordcomputers wird digital dargeboten. Das Multifunktionslenkrad liegt gut zur Hand. Obwohl es sich US-typisch mit einem Finger bedienen lässt, vermittelt der Raptor trotz seiner grobstolligen Geländereifen auch onroad einen guten Fahrbahnkontakt. Dass er für den urbanen Raum eher ungeeignet ist, zeigt sich nicht erst beim Wendekreis auf dem Niveau der Mond-Umlaufbahn.
Nachteilig, vor allem für große Fahrer: das nur in der Höhe einstellbare Volant. Dafür sind die zahlreichen Knöpfchen des Multifunktionslenkrades bedienfreundlich und übersichtlich angebracht. Der Fahrer findet sich im Bedienmenü schnell zurecht und auch der Tempomat lässt sich einfach bedienen. Seine Regelgenauigkeit lässt aber zu wünschen übrig. Statt rechtzeitig vor Steigungen Gas zu geben, fällt das Tempo. Dann schaltet das serienmäßige Zehngang-Automatikgetriebe meist ein, zwei Gänge zurück, um wieder auf Speed zu kommen. Das ist weder komfortabel, noch dem Verbrauch zuträglich.
Ford setzt bei seinem Dinosaurier auf einen Zweiliter-Vierzylinder-Twinturbo. Der macht wider Erwarten eine gute Figur, kein Wunder bei 500 Nm maximalem Drehmoment und 213 Pferdestärken. Es ist die Automatik, die einem auf der Straße jeden Spaß verleidet. Weniger wäre mehr gewesen. Was nützen zehn Gänge, wenn der Automat nie den richtigen findet, wenn wertvolles Drehmoment in einem ineffizienten Wandler verraucht und wenn die für niedrigen Verbrauch zuständige Wandler-Überbrückungs-Kupplung oft nicht schließen mag?
Dazu kommt, dass im Anhängerbetrieb das Drehzahlniveau so bescheuert ausgelegt ist, dass der Raptor bei 100 km/h meist im Neunten fährt. Da hilft nur, manuell zu schalten. Erst wundert man sich, warum ein Pick-up Schaltpaddel am Lenkrad hat – ist schließlich kein Sportwagen. Spätestens beim Trailern weiß man, wieso … Da ist dann auch der serienmäßige Trailer-Assist samt Rückfahrkamera, die das Andocken des Anhängers erleichtern, kein echter Trost mehr.