Es ist früh, Bernd Bartnik drückt seinen Startknopf. Nach kurzem Blick aufs Tablet steuert er seinen rot-weißen 1845er vom Hof. Der Auflieger ist voll mit Saftpaletten, auf die belgische Kunden warten. Zweimal die Woche rollt der versierte Fahrer in seinem blitzblanken Actros gen Westen, zu Grossisten wie Delhaize und Colruyt, die in fixen Zeitfenstern ihre Märkte mit neuer Ware bestücken wollen. „Im Schnitt gehen bei uns täglich um die 120 Touren los, je nach Jahreszeit“, erklärt Versandleiter Alfons Tebben, der mit seinem vierköpfigen Team nicht nur eigene Bühnen- und Türenfahrzeuge koordiniert. Regelmäßig vergibt er auch Touren an 25 feste Spediteure, für heiße Phasen hat er zusätzlich 30 weitere Spediteure in petto. Wesergold ist kein klassisches Transportunternehmen, sondern ein gewachsener Getränkehersteller, der aus gutem Grund seit einigen Jahrzehnten einen eigenen Fuhrpark betreibt und nicht nur am Hauptsitz Trailer wie Sattelzugmaschinen selbst wartet und repariert. Das Familienunternehmen, Besitzer zahlreicher Marken, existiert seit über 85 Jahren.
Durchdachte Lagerlogistik, zukunftsorientiert konzipiert
Auch die ausgeklügelte Logistik macht die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens aus – etwa die Transportbrücke in 15 Metern Höhe. Dies ist eine Elektrohängebahn. Sie führt quer über die L435, transportiert die palettierte Fertigware von der Produktionsseite ins Hochlager. Vollautomatisch wird die Hängebahn vom Produktionsgebäude aus mit den dort zusammengeführten Paletten bestückt, zur Erkennung zweiseitig mit EAN-Code etikettiert. 76 Wagen stehen zur Verfügung, und um die Wartung zu minimieren, trägt Nummer 76 auch einen Staubsauger. „Seit 10 Jahren funktioniert dies problemlos. Das Hochlager arbeitet nach speziellen Algorithmen, ist im Durchsatzvolumen auf Spitzenbedarf ausgerichtet. Das sind 38.800 Palettenstellplätze“, erklärt Tebben und fügt nicht ohne Stolz hinzu, dass hier bis zu 1000 Paletten pro Stunde „durchrauschen“ können.
Die Anlage, in Silo-Stahlbauweise errrichtet, mit nahezu 19.000 Quadratmeter Grundfläche, beherbergt 14 Senkrechtförderer mit einer Höhe von über 30 Metern. Diese sind so konzipiert, dass sie bei Absenken der Hebevorrichtung am Träger gleichzeitig Strom durch Rekuperation erzeugen. Denn Energie ist für Wesergold einer der größte Kostenfaktoren, alles ist darauf eingerichtet, hier maximal einzusparen wie auch eigenen Strom zu produzieren.
Wichtig: Sinn für Nachhaltigkeit und für die Gemeinschaft
Seit acht Jahren, erklärt Geschäftsführer Thomas Mertens, bildet sein Unternehmen auch Fahrer und Fahrerinnen aus. 25 waren das bisher. „Alle haben wir davon übernommen, darunter auch zwei weibliche BKF, die sich unserer Kenntnis nach hier wohlfühlen. Wir suchen freilich immer Fahrer“, so Mertens. „Zumal einige langjährige Kollegen das Rentenalter erreicht haben. Neulinge müssen nicht mal Erfahrung mitbringen, die können sie hier lernen. Aber sie müssen ins Team passen, wir brauchen Teamplayer sonst klappt’s nicht.“ In der eigenen Werkstatt, die mit 60 Sattelzugmaschinen und 65 Aufliegern gut ausgelastet ist, hängen regelmäßig tabellarisch aufgelistete Fleetboard-Noten aus. Diese werden aus Telemetrie-Fahrzeugdaten generiert. So können sich die Fahrer selbst kontrollieren. „Die Einsatzanalyse zeigt das Bremsverhalten der Fahrer. Das muss freilich mit Verbrauch und Topografie der Tour zusammenpassen. Wenn der Spritverbrauch bei einer topfebenen Strecke auf über 30 Liter hochgeht, ist was im Busch. Fleetboard zeigt mir, ob das am Fahrstil liegt oder andere Gründe hat“, erklärt Werkstattleiter Ralf Schulz, der regelmäßig seine Auswertung durchführt. Seit 2015 arbeitet er mit diesem System.
Mindestens genauso wichtig war drei Jahre zuvor die Entscheidung, endlich selbst Berufskraftfahrer auszubilden. Was sich ausgezahlt hat, wie Thomas Mertens mit Nachdruck versichert und auch auf Fahrerinnen verweist, die bereits seit Jahren ihren Platz im Fahrerteam gefunden haben. Auch Ehrgeiz begrüßt der Arbeitgeber. Derzeit sind zwei Fahrer gerade an ihrer Ausbildung zum Kraftfahrzeugmeister. Dass es genauso auch andersherum funktionieren kann, zeigt Bernd Bartniks Sohn Sebastian. Der Nutzfahrzeugmechaniker tauschte erst jüngst seinen Blaumann gegen den Fahrersitz ein.
Gute Planung heißt: Breit aufstellen, perfekte Vernetzung
Fahrer wie Disposition profitieren in Rinteln seit vier Jahren von der Zusammenführung moderner Systeme: So wurde das Transportmanagement mit dem Warenwirtschaftssystem verknüpft, um Abläufe zu automatisieren. „Größter Vorteil für die Fahrer ist die Tatsache, dass sich lange Wartezeiten erledigt haben“, erklärt Alfons Tebben. „Zeit sparen wir hier aber schon vor der Abfahrt“.
Die Auftrags-Plandaten werden zum Ansteuern des Hochregals verwendet. Sobald sich der Fahrer in der Dispo meldet, startet die Kommissionierung und Tourzusammenstellung. „Schon bevor das Fahrzeug an die Rampe fährt, sind die Paletten in der richtigen Reihenfolge zum Laden bereit.“ Spediteure von außerhalb bekommen am Vortag Bescheid, wann die Touren zusammengestellt und die Paletten ladefähig sind. Die Tablets der Fahrer sind mit allen erforderlichen Daten gefüttert. „In der Regel ist ein Nachfragen überflüssig“. Der aktuelle Sendungsstatus der Aufträge wird zurück an die Dispo übermittelt. Das klappt, da die Telematikdaten ins Navigationssystem des Tablets integriert wurden. „Falls Kunden bei uns nachfragen, wo die Ware bleibt, kann ich sofort konkrete Angaben machen. Das System berechnet den Ankunftszeitpunkt in der Regel sehr genau, abhängig von der aktuellen Verkehrslage. Das hilft auch bei der Auswahl für Rückladungen geeigneter Fremdaufträge bestens.
Wo sich ein passender Lkw für eine Fremdladung befindet, sei schnell auszumachen. Dass auch die Fahrerstammdaten zur Fahrerkartenkontrolle ins System integriert sind, freut vergessliche Fahrer – sie werden benachrichtigt, wenn Kontrolltermine anstehen. Selbst für die eigene Fitnesskontrolle genügt nach Schichtende ein kurzer Weg hinters Palettenlager: Dort wurde das ehemalige Haus des Seniorchefs zum zweistöckigen Mitarbeiter-Fitnessstudio umgebaut.