Zugegeben, ich war nie bei der freiwilligen Feuerwehr – statt zehn Jahre Dienst an der Spritze zu leisten, bin ich lieber ein paar Monate in Oliv herumgelaufen. Aber bei diversen Tagen der offenen Tür hatte man doch mal Gelegenheit, die Einsatzfahrzeuge näher unter die Lupe zu nehmen. Meist waren das damals noch heulende, weil luftgekühlte Magirus, bockbeinige MAN oder rustikale Mercedes. All diese Attribute sind dem Testfahrzeug völlig fremd – ja, ich weiß, auch MAN und Co. bauen heute komfortable Feuerwehrautos ...
Der rote Renner aus Schweden präsentiert sich vollluftgefedert und schwebt deshalb selbst über schlechteste Straßen, zumal ein Radstand von 4550 Millimetern per se schon hohen Fahrkomfort garantiert. Und wenn man tatsächlich mal über Kopfsteinpflaster brettern muss, filtert die luftgefederte und elektrisch kippbare Doppelkabine auch die letzten Stöße aus.
Der drehmomentstarke D13 dreht auf, wenn's brennt
Scania-typisch zeigt sich der P 370 selbst bei vollem Leistungseinsatz überaus leise. Mussten sich Feuerwehrmänner im 20. Jahrhundert oft mit rachitischen Gurken mit viel zu wenig Pferdestärken herumplagen, schöpft das „TLF“ (Tanklöschfahrzeug) aus dem Vollen. Seine Erbauer haben ihm den großen Sechszylinder spendiert. Trotz 13 Liter Hubraum steht zwar „nur“ eine 370 an der Frontmaske. Aber für maximal 19 Tonnen Gesamtgewicht ist das mehr als ausreichend. Zumal der DC13 in dieser Leistungseinstellung auf üppige 1900 Newtonmeter Drehmoment kommt und damit über eine der drehmomentstärksten Maschinen dieser Leistungsklasse verfügt.
Zahlen zur Performance gefällig? Wer das Gaspedal des Feuerwehr-Scania ans Bodenblech nagelt und das Spurtvermögen der neuen Allison-Automatik samt Drehmomenterhöhung der Wandlerkupplung ausnutzt, sprintet in 5,3 (!) Sekunden auf 60 km/h. In 8,3 Sekunden fällt die 80, und bis zur Abregelgeschwindigkeit vergehen kaum mehr als die magischen zehn Sekunden. Das reicht übrigens, um die jeweils niedrigsten Leistungseinstellungen eines VW T6 oder Ford Tourneo Custom zu vernaschen. Und die lebende Mumie Lada Niva ist kein Gegner, sondern Opfer.
Dass der große Scania-Sechszylinder was kann, ist bekannt. Eine echte Überraschung ist allerdings der Allison-Automat. Viele Jahre als recht lethargisch bekannt und gesegnet mit ziemlich starken Schaltrucken, haben die Amerikaner richtig was weiterentwickelt. Durch die Wandlerschaltkupplung samt systembedingter Anhebung des ohnehin hohen Drehmoments setzt sich der P 370 vehement in Bewegung. Kurz vorm roten Bereich wechselt der Automat ruckfrei die Schaltstufe, es geht zügig weiter nach vorne. Sechs Schaltstufen bietet das überarbeitete Getriebe. Zudem stellt es sich schnell auf aktuelle Bedürfnisse ein. Wenn’s brennt – im Wortsinn –, lässt der Automat den Motor bis zur Nenndrehzahl ausdrehen, schaltet also leistungsbetont.
Das Getriebe lässt den Motor schnurren wie ein Kätzchen
Nach dem Einsatz, wenn man das Gaspedal nur noch streichelt, macht Allison einen auf Schmusekätzchen, schaltet frühzeitig hoch, lässt den Motor nur schnurren und senkt so den Kraftstoffverbrauch. Bei aller Begeisterung für die aktuelle Version, eine Macke hat sie dann doch: Geht der Fahrer
vom Gas, schaltet sie meist sofort einen Gang zurück. Das ist in vielen Situationen ziemlich lästig, weil man nicht vernünftig ausrollen kann. Der an Fernverkehrs-Lkw gewöhnte Tester sieht das aber etwas enger als der Feuerwehrmann, der sonst hinter dem Lenkrad Platz nimmt.
Beide freuen sich über die sehr gelungene Lenkung. Trotz ihrer Leichtgängigkeit – man fühlt sich fast an alte Amis mit „Ein-Finger-Steuerung“ erinnert, vermittelt sie präzises Lenkverhalten. Dabei verzichtet Scania bislang auf eine elektrische Überlagerungslenkung. Kleines Geheimnis am Rande: Die Schweden kommen demnächst ebenfalls mit Lenkkraftunterstützung. Mal sehen, wie gut die dann ist …