-- Anzeige --

Test & Technik: Die Trucks fürs Feld

28.09.2020 15:00 Uhr | Lesezeit: 7 min
Test & Technik: Die Trucks fürs Feld
Früher baute MAN Lkw und Traktoren – jetzt nur noch Lkw, wildert aber seit einiger Zeit im Bereich der Ackerschlepper
© Foto: MAN

Ihr Potenzial ist eingeschränkt, weil das Marktsegment noch in den Kinderschuhen steckt. Trotzdem kommen immer mehr Nutzer dahinter, dass Agrar-Lkw klassische Traktoren ersetzen können. Sie sind sparsamer, sauberer, fürs Feld tauglich und vor allem viel besser auf der Straße.

-- Anzeige --

Das Konzept eines universell einsetzbaren Lkw, der auch landwirtschaftliche Bedürfnisse befriedigt, ist seit 1948 bekannt – es kam mit dem ersten Unimog. Neben Daimler mit seinem Universal Motorgerät hatten bislang nur zwei europäische Hersteller entsprechende Angebote von Agro-Trucks im Programm: MAN und Tatra. Alle anderen kooperieren mit externen Partnern. Darunter auch Daimler, wo vor allem Arocs vom Partner Paul Nutzfahrzeuge auf ihre spezielle Anwendung angepasst werden. Auch Iveco hat schon Trakker auf die landwirtschaft­liche Nutzung umgebaut, ebenso wie Volvo ein paar dieser Exoten auf der Straße hat.

DAF, Renault und Scania verzichten bislang auf Agrar-Lastwagen – wenn man im Falle der Niederländer einmal davon absieht, dass zumindest Tatra CF-Kabinen und Paccar-Motoren für die eigenen Agro-Versionen verwendet. Der Grund ist klar: die geringe und territorial begrenzte Nachfrage. Die Hauptmärkte sind aktuell Deutschland sowie die Benelux-Länder. Einige wenige der „Straßentraktoren“ werden auch in Österreich, der Tschechischen Republik und der Slowakei verkauft. Im übrigen Europa sind sie noch weit­gehend unentdeckt und die bereits etablierten Hersteller entwickeln erst in jüngster Zeit einen gewissen Ehrgeiz, potenzielle Käufer zu animieren. Vor allem auf Fachmessen wie der Agritechnica in Hannover fahren sie ihre breitreifigen Exoten auf.

Tatra arbeitet mit Zent­ralrohrrahmen, DAF-Motoren und -Kabinen
© Foto: Tatra

Je länger der Transportweg, desto besser für den Lkw

Mit einem im Vergleich zu leistungsfähigen Traktoren niedrigeren Kaufpreis  bei gleichzeitig höherer Nutzlast sind die Agro-Trucks viel günstiger und für den Fahrer einfacher zu bedienen. Dazu kommt, dass sie in der Wartung weniger Kosten verursachen, mit kompakteren Abmessungen aufwarten, technisch viel unkomplizierter sind, dabei auch noch deutlich weniger Schadstoffe produzieren – Stichwort Euro 6d im Vergleich zu „Tier 5“ – und universeller als Traktoren sind. Ihre Vielseitigkeit beweisen sie im Agrartransport, der Landbewirtschaftung oder auch im Pflanzenschutz. Ihr Vorteil gegenüber Traktoren zeigt sich aber am überzeugendsten beim Transport von Feldfrüchten, Silage, Heu, Stroh – von der Grenze des Ackerlandes zu Zuckerfabriken, Lagern, Silos, Sammelstellen, Fabriken, Bauernhöfen…

In den letzten Jahren sind durch größer werdende Betriebe sowie die Ausdünnung des verarbeitenden Gewerbes die Entfernungen immer länger geworden. Außerdem nehmen die Lasten zu, ­sodass der klassische Traktor zunehmend gegenüber dem Lkw ins Hintertreffen gerät. Denn der kann auf dem Feld und auf jeder öffentlichen Straße fahren. Zur Liste der bislang vernachlässigten Potenziale kommt noch die höhere Geschwindigkeit. Während bis auf wenige Ausnahmen – etwa der Fastrac von JCB, sein Name ist Programm – Traktoren mit einer Höchstgeschwindigkeit von max. 60 km/h fahren dürfen, beherrscht der Lkw den Geschwindigkeitsbereich bis 90 km/h. Nicht zu vergessen ist, dass sich die Agrar-Lkw saisonal auch für andere Zwecke außerhalb der landwirtschaftlichen Arbeitssaison verwenden lassen. Dafür werden nur die Räder gewechselt und dem Winterdienst, der Instandhaltung von Straßen oder dem echten Transport steht nichts mehr im Wege. Zugegeben, einen kleinen Nachteil gibt es: Aktuell erlaubt das Fahrerlaubnisrecht schon 16-Jährigen, mit einem Traktor zu fahren. Der Lkw ist hingegen tabu.

Großtechnik wie dieser Ladewagen passt nicht für den Lkw
© Foto: Krone

Was aber unterscheidet die Agro-Trucks von normalen Lkw? Basis für die „Landwirte“ ist in jedem Fall ein echter Allradantrieb, also keine zuschaltbare, hydraulisch angetriebene Vorderachse. Klassisch ist der 4x4 oder 6x6, zu erkennen am robusteren Erscheinungsbild, oft mit massiven Stoßfängern sowie einem Fahrwerk, das eine deutlich vergrößerte Bodenfreiheit zur Folge hat. Dies wird vor allem durch den Einbau von Spezialrädern erreicht, bei denen die Reifen von den gängigen Abmessungen 315/80 oder 315/70 R22.5 bzw. 385/55 oder 385/65 R22.5 abweichen und stattdessen 445/65 R22.5 an der Vorderachse beziehungsweise 600/50 R22.5 für die Hinterachse(n) auf der Flanke stehen haben. Typisch ist außerdem eine Reifendruck-Regelanlage, um den jeweils passenden Wert für Acker und Straße einstellen zu können.

Viele Lkw werden mit Traktor-Zubehör fürs Feld aufgerüstet

Zur weiteren Verbesserung der Traktion verfügen viele Agro-Trucks an der Front über Zusatzgewichte, um bei der Bodenbearbeitung die Belastung der Vorderachse anpassen zu können. Seitlich unter dem Fahrgestellrahmen finden sich Öltanks und leistungsstarke Pumpen zur Kühlung der verwendeten Lüfter, denn die normalen Kühler sind bei den auf dem Feld auftretenden hohen Lasten und der geringen Geschwindigkeit, sprich geringem Kühlluftdurchsatz, meist überfordert. Die komplexesten Änderungen finden sich  allerdings am Heck. Bei den meisten Modellen treibt ein Nebenabtrieb die für landwirtschaftliche Zugmaschinen typische Zapfwelle an. Dieser mechanische Antrieb ist eine bessere Lösung für Anbaugeräte mit hoher Arbeitsleistung.

Hersteller wie Fliegl haben passende Aufbauten für Lkw und Traktoren
© Foto: Fliegl

Je nach Basisfahrzeug können durch den Einbau eines Universalgelenks die Höhe des Fahrgestellrahmens und damit die Sattelhöhe angepasst werden. Die meisten „Bodybuilder“ bieten standardmäßig eine Sattelhöhe von 1390 bis 1410 mm an. Bei Verwendung einer Zapfwelle sind es jedoch bis zu 1460 mm.

Wichtige Zusatz­elemente sind auch Haken zum Ziehen klassischer Anhänger, Anbaugeräte für Arbeitsmaschinen oder zum Anziehen spezieller Anhänger (zum Beispiel für Silage oder Heuernte) und zahlreiche Anbaugeräte für Hydraulik, Druckluft oder die Gewinnung elektrischer Energie. Damit gehen Änderungen im Innenraum einher, etwa für die Steuerung besagter Hydraulik- oder Anbaugeräte. Nicht selten montieren die Aufbauer Kameras zur Rundumüberwachung, was angesichts des Einsatzzwecks von unschätzbarem Wert ist.

Unabhängig von der beschriebenen Vielseitigkeit weisen solche Agrar-Lastkraftwagen dennoch einige Einschränkungen auf, sodass klassische Traktoren für viele landwirtschaftliche Betriebe immer noch erste Wahl sind. Zuallererst sind es auf der Seite des Traktors seine Langlebigkeit – es ist nicht ungewöhnlich, Traktoren zu sehen, die 50, 60 Jahre alt sind. Dazu addieren sich Beständigkeit gegen Torsionsbelastungen und höhere Gelände­tauglichkeit, vor allem auf tiefen und rutschigen Schlammpassagen wie auch auf allen rutschigen Hängen mit einem Anstieg von mehr als zehn Prozent. Nicht zu vergessen, die Homologation von Agrar-Sattelzugmaschinen ist in vielen Ländern noch nicht gesetzlich geregelt. Wie vorher bereits angesprochen, steht auch die Führerscheinfrage im Raum. Für einen Lkw im Straßeneinsatz benötigt man einen CE-Führerschein.

Paul macht aus Allrad-Actros und Arocs 4x4 den Agromover für die Feldarbeit
© Foto: Paul

Das Fachunternehmen Amag GmbH listet in einem Vergleich Lkw vs. Traktor eine um fünf Tonnen höhere Nutzlast für den Lkw auf. Dies wird bestätigt durch einen Test, den der TRUCKER selbst gemacht hat (Heft 2/2019; Iveco Stralis 4x4 vs. CNH T7). Der amag-Vergleich listet noch einige weitere Vorteile einer landwirtschaftlichen Sattelzugmaschine auf, wenn beide Fahrzeuge im landwirtschaftlichen Verkehr tätig sind. Danach erfordert die umgebaute Straßenzugmaschine in vielen Fällen doch keine zusätzlichen Gewichte vorne und hinten, da der Sattelauflieger für eine gleichmäßige Belastung aller Räder sorgt. In den Tests verbrauchte der umgebaute Straßen-Lkw zwischen vier und sechs (!) Liter Diesel pro Betriebsstunde weniger als der Traktor – das summiert sich auf immerhin 40 Liter weniger pro Arbeitstag oder sogar 10.000 Liter weniger pro Jahr.

Außerdem sind die Kosten für den regelmäßigen Reifenwechsel bei einem Traktor um ein Vielfaches höher als bei einem Lkw und das trotz der ungewöhnlichen Umbereifung. Nicht zu vergessen, ist das Fahrverhalten eines Traktors auf der Straße, sagen wir mal zurückhaltend, gewöhnungsbedürftig. Die regelmäßige Wartung sowie Ersatzteile für einen ­Agro-Truck sind ebenfalls deutlich günstiger, zumal MAN und Co. ein viel besseres Service­netz haben. Was sicherlich ebenfalls ein Pluspunkt ist: Der Komfort für den Fahrer ist, egal wie modern der zum Vergleich herangezogene Traktor ist, beim Lkw viel besser. Der Objektivität verpflichtet, muss man allerdings anmerken, dass der damalige Test des TRUCKER auch dem – modernen – Traktor einen ungewöhnlich hohen Fahr- und ­Bedienkomfort attestierte, zumindest auf dem Feld. Wobei die beim Traktor verwendeten Lastschaltgetriebe keinen signifikanten Vorteil gegenüber den auto­matisierten Getrieben eines Lkw ausspielen können.

-- Anzeige --
-- Anzeige --

HASHTAG


#Test

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


TRUCKER – Das Magazin für Lkw-Fahrer im Nah- und Fernverkehr: Der TRUCKER ist eine der führenden Zeitschriften für Lkw-Fahrer und Truck-Fans im deutschsprachigen Raum. Die umfangreichen TRUCKER Testberichte zu LKWs und Nutzfahrzeugen gehören zu den Schwerpunkten der Zeitschrift und gelten als Referenz in der Branche. Der TRUCKER berichtet monatlich über die Themen Test und Technik, Show-Truck, Arbeitsrecht, Service, Unterhaltung.