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Supertest Scania R560 Euro 5

14.12.2012 08:00 Uhr
Supertest Scania R560 Euro 5
Im Supertest: Scania R560 Ecolution Euro 5 Highline.
© Foto: Karel Sefrna

Scanias V8 eilt der Ruf voraus, trotz großer Kraft genügsam zu sein. Spart der Achter mit GPS-Tempomat noch mehr?

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Es gibt immer noch eine Steigerung! Vor etwa einem Jahr sind wir mit einem Scania R 500 auf Testtour gegangen. Dem verhalf ein "Ecocruise" genannter Tempomat zu exzellenten Verbrauchswerten. Der mitdenkende Temporegler suchte sich stets den besten Kompromiss aus Leistung und Verbrauch, ließ viel rollen und schaffte es tatsächlich, den überaus kräftigen V8 flott und dennoch auf dem Verbrauchsniveau eines Sechszylinders über die TRUCKER-Supertestrunde zu bringen.

"Da geht aber noch mehr!", kündigte Scania vollmundig an. Mehr hieß in diesem Fall 560 PS und neuer, GPS-geregelter Tempomat "CCAP". Ansonsten zeigten sich die Zutaten, die dem V8 zum Spatzendurst verhelfen sollten, bekannt: "lange" Achse (i= 2,59), aerodynamische Vollverkleidung, Highline-Kabine mit niedrigerem cW-Wert, Michelin-Savergreen-Energiesparreifen und Opticruise-Schaltautomatisierung - das Ganze auch als "Ecolution" im Scania Verkaufstaschenbuch zu finden.

Mit CCAP haben wir schon unsere Erfahrungen gemacht. Einem R 440 in Euro-6-Konfiguration verhalf der GPS-gestützte Tempomat zu einem im Vergleich zum Standard-Tempomaten um rund drei Prozent besseren Verbrauch. Ergo beste Voraussetzungen, mit dem 560er nicht nur flott, sondern auch ökonomisch über die Runde zu kommen (wie CCAP funktioniert, im Kasten auf Seite 24). Dabei konnten wir schnell feststellen, dass der Achtzylinder noch besser mit dem GPS-Tempomaten harmoniert als die schwächeren Sechszylinder. Der mächtige V8 kann den Schwung vorm Berg so richtig mitnehmen und spart so trotz langer Achse zahlreiche Schaltungen, weil ihn sein gewaltiges Drehmoment über die Kuppe surfen lässt. Zudem bollert er bei geringer Tourenzahl noch fröhlich dahin, wo der Sechszylinder längst nach kleineren Gängen schreit.

Nur wenige Kilometer genügen, um der Faszination des V8 zu erliegen: geiler Sound, Kraft ab Leerlaufdrehzahl, dank variablem Lader spontanes Ansprechen und ein inzwischen weit nutzbares Drehzahlband mit hervorragender Elastizität. Wobei der Drehzahlmesser des R 560 den grünen Bereich - jenseits der 1500 Touren - nur verlässt, wenn der Fahrer den Wunsch nach "Tieffliegen" verspürt. Ansonsten klettert der Tourenzähler an keiner Stelle der Teststrecke über 1400 Umdrehungen!

MOTOR, KUPPLUNG UND GETRIEBE HARMONIEREN SEHR GUT

Dank seiner exzellenten Kupplungsregelung setzt sich der 40-Tonner mit wenig Schlupf in Bewegung. Der Fahrer tut gut daran, das Gaspedal nur sanft in Richtung Bodenblech zu drücken. Liegt wenig Sattellast auf oder ist die Straße feucht, scharren die Hinterhufe bis zum achten Gang fröhlich auf dem Asphalt, wenn der rechte Fuß zu schwer auf dem Pedal zu liegen kommt. Viel faszinierender ist es ohnehin, den V8 leise brabbelnd ab 800 Touren von der Ampel wegziehen zu lassen. Wer mit zunehmender Drehzahl etwas mehr Gas gibt, lässt Opticruise weiter ausdrehen, Gänge überspringen und hat schon nach kurzer Zeit schnell und ökonomisch seine Marschgeschwindigkeit erreicht.

Mit 154 Millimeter Hub bei 127 Millimeter Bohrung ist der DC16 genannte Achtender klar auf Drehmoment ausgelegt. In der Version mit 560 PS zeigt sich das vor allem am Berg. Wo Opticruise im 500er noch früh zurückschaltete, lässt die Getriebesteuerung den Gang jetzt länger eingelegt. Erst bei 1050 Touren wird eine Rückschaltung ausgelöst. Ist der Berg überwunden, wartet der "Automat" aber ein wenig lange, ehe er wieder hochstuft. Da wünscht man sich eine künftige Koppelung der Mechanik mit dem Wissen des GPS-Datenloggers.

Mit Schaltungen, die besser an die Topographie angepasst wären, könnte man so manches Zehntel an Diesel sparen - wobei der V8 schon jetzt ein recht sparsamer Vertreter seiner Zunft ist. Rund 27 l/100 km nach neuem Verbrauchsmodus bei über 73 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit sind ein hervorragender Wert. Umso mehr, als der Scania auf der 50 km langen Landstraßenetappe wegen seiner langen Achse fast ausschließlich im verbrauchsungünstigen elften Gang dahinrollte ...

Grundsätzlich sind Scania-LKW immer ein wenig straffer abgestimmt als die Konkurrenz. Das macht sich beim Test-Truck nicht ganz so bemerkbar, weil ihn seine Erbauer auf unterschiedlich große Räder gesetzt haben: vorne 315/80, hinten 315/70. Neben dem optischen Eindruck, dass der sonst typisch nach vorne geneigte "R" in dieser Auslegung gerade steht, profitieren vor allem die Federungseigenschaften der Vorderachse von den höheren Pneus. Mit 8,5 bar Druck macht sich die straff abgestimmte Zweiblatt-Parabelfeder an der Vorderachse vor allem bei Teilbeladung und Leerfahrt trotzdem durch kleinere Schläge bemerkbar.

Wegen des schwerer auf der Vorderachse lastenden Motors vermittelt der V8 etwas besseren Fahrbahnkontakt als ein Sechszylinder, und auch die Lenkung fühlt sich subjektiv direkter an. Dass er wegen seiner Kopflastigkeit etwas träger einlenkt, ist zu verschmerzen. Zumal die Trägheit nur auf der Landstraße auftritt und der Schwede für die große Tour und nicht kleine Verteilerrunden konzipiert ist.

Insgesamt findet Scania einen guten Kompromiss aus straffer Fahrwerksabstimmung und passabler Kabinenfederung. Nur mit Teilbeladung und bei der Leerfahrt neigt die Luftfederung der Hinterachse zum Trampeln.

Ein starkes Duo sind die beim V8 kräftige Motorbremse und der leistungsfähige Retarder - vor allem in Kombination mit CCAP kann sich der Fahrer voll auf den Verkehr konzentrieren und den Rest der Elektronik überlassen.

Typisch für Scania, spricht das ESP früh an. Entsprechend niedrig sollte man die Kurvengeschwindigkeiten wählen. Das Highline-Fahrerhaus ist ein geglückter Kompromiss aus Preis und Stauraum. Dass die Außenstaufächer extra kosten, ist aber fast eine Unverschämtheit. Zumal der Scania nicht gerade ein Schnäppchen ist. Seine Erbauer mühen sich immerhin, die üppigen Preise durch Ausstattungspakete (Retarder-, Sicht-, Aerodynamik- oder Sicherheitspaket) nach unten zu korrigieren.

Generell ist der R 560 ein gutes Auto. Nächstes Jahr kommt noch mal ein Facelift, bei dem dann auch hoffentlich die verbliebenen Mängel (schmales Ausziehbett, ungenau regelnde Klimaanlage, Flatterspiegel und kleine Außenstaufächer) beseitigt werden. Dann vielleicht noch ein CCAP mit Opticruise-Beeinflussung und der Schwede ist fit bis 2015 - denn dann erst kommt ein ganz neuer Greif auf den Markt.

AUSSTATTUNG/KONFIGURATION

Die Idee, mit einem 560 PS starken V8 sparen zu wollen, hört sich zunächst widersinnig an. Aber es klappt tatsächlich! Dazu sind drei Dinge nötig: Das Ecolution-Paket mit langer Achsübersetzung, aerodynamischer Vollverkleidung und Highline-Kabine mit niedrigerem Luftwiderstand. Dazu kommen Energiesparreifen und der GPS-basierte Tempomat CCAP (Cruise Control mit Active Prediction). Ideal für CCAP ist ein Basistempo von 85 km/h. So eingestellt, nimmt der Scania vor Kuppen Gas weg und lässt das Tempo bis auf 78 km/h abfallen. Vor Anstiegen beschleunigt er auf bis zu 88 km/h und nimmt so Schwung in den Berg mit. Bergab bestimmt der Fahrer das Tempo - wir fuhren mit 90 km/h im Bremstempomatbetrieb. Was dem Schweden jetzt noch fehlt, ist eine Kombination aus CCAP-Tempomat, Getriebebeeinflussung und Eco-Roll. Dann wäre er noch sparsamer unterwegs!

CCAP: BESSER FLEXIBEL STATT FIX

Problematisch ist allerdings der oft rapide Geschwindigkeitsabfall vor Kuppen. Damit rechnet kaum ein Hintermann, was immer wieder zu Unverständnis führte. Da würde ich mir wünschen, dass Scania ein regelbares Intervall ermöglicht, statt starrer Regelung mit - 8 % bzw. + 4 % in Relation zur eingestellten Tempomat-Geschwindigkeit. So könnte der Fahrer verkehrsabhängig einstellen, was gerade am besten ist. Auf jeden Fall bietet CCAP über den ganzen Tag gesehen eine wesentliche Entlastung und macht sogar den Power-Truck zum Sparmeister - der nebenbei noch einen unwiderstehlichen Sound entfaltet!

KABINE UND NACHTEINSATZ

Xenon-Scheinwerfer im Scania sind teuer und verzichtbar. Das Licht konzentriert sich auf den Bereich vorm Fahrerhaus und bringt wenig für die Fahrbahnausleuchtung. Das können die H4-Leuchten besser! Das Innenlichtkonzept besteht aus zwei weißen Deckenstrahlern, zwei roten Nachtlichtern, zwei festen Spots sowie Schwanenhalsleuchten am Bett - was ausreichend ist. Nachts muss der Fahrer die Armaturen stark dimmen, sonst spiegeln sie sich in der Seitenscheibe. Das Stauvolumen der Highline-Kabine mit rund 700 Liter reicht für die meisten Anwendungen. Ein gutes Raumgefühl entsteht aber nur durch den Verzicht aufs obere Bett. Der Fahrerplatz mit weitem Sitz- und Lenkradverstellbereich gehört nach wie vor zu den guten Angeboten. Gelungen präsentiert sich das trotz vieler Funktionen gut bedienbare Multifunktionslenkrad und die einfache Lenkradverstellung mit Knopf an der Lenksäule. Die hellbraunen Stoffe wirken freundlich, sind aber empfindlich. Verarbeitung und Materialwahl sind okay. Das "Ausziehbett" (2,25 x 0,8 m) ist nur ein Kompromiss.

SERVICE UND WARTUNG "TÜV-GEPRÜFT"

Der 560-PS-Achtzylinder in Euro 5 basiert auf dem "alten", 15,6-Liter-V8 und muss im Fernverkehr alle 90.000 km zur Wartung. Ihm genügen günstige 10W40-Standardöle. Scania arbeitet mit festem Wartungsintervall. Nach wie vor wartet der Servicerechner im Vergleich zu neueren Wettbewerbern mit eingeschränkten Servicedaten auf. Mit insgesamt zwölf Schmiernippeln an Vorderachse und Kardanwelle vertritt Scania die Philosophie "wer gut schmiert" ... Tatsächlich zeigen sich bei gut gewarteten Fahrzeugen weniger Mängel als bei vielen "wartungsfreien" Fahrgestellen. Als einziger Hersteller verbauen die Schweden noch einen Ölpeilstab. Dass es an Füllstandssensoren für einige relevante Betriebsmittel fehlt, erschwert die Abfahrtskontrolle. Zumindest sind alle wichtigen Wartungspunkte unter der riesigen und schweren Frontklappe zusammengefasst. Den Wasserstand kann der Fahrer über einen durchsichtigen Behälter prüfen, für das Motoröl gibt es eine großzügig dimensionierte Einfüllöffnung. Der Behälter für die Lenkhydraulik sitzt griffbereit unterm Ölmessstab. Die Hydraulik der Kupplungsbetätigung ist nur bei gekippter Kabine erreichbar und sitzt (beim 2-Pedal-System) am elektrischen Aktuator. Zum Ölwechsel muss die untere Motorverkleidung weg. Ölfilter für Haupt- und Nebenstrom sitzen günstig vorne links, stehend am Motor. Waschwasser füllt der Fahrer im linken oberen Einstieg nach.

HINTERGRUND

Die Kombination aus 560 PS starkem V8 und Highline-Hochdachkabine klingt ungewöhnlich. Trotzdem verkaufen die Schweden nicht wenige Fahrzeuge dieses Typs in Deutschland. Wie erwartet, sind 60 Prozent aller verkauften Greif-Laster Sattelzugmaschinen. Davon 90 Prozent mit automatisierter Opticruise-Schaltung - anteilig zwei Drittel in der Zweipedal-Version. Immerhin jede vierte Sattelzugmaschine ist mit einem V8 ausgestattet. Ergibt rund 1000 Einheiten auf dem deutschen Markt pro Jahr. Das Gros macht der kleine 500er Achtzylinder aus, immerhin ein Drittel sind aber noch 560er. Die verbleibenden zehn Prozent teilen sich zu gleichen Teilen 620er und 730er. Was die Kabinen betrifft, liegen R-Topline und R-Highline mit jeweils einem Drittel gleich auf - gefolgt vom G-Highline (20 %). Mit Euro 6 bleibt Scania der einzige Hersteller, der noch V8 im Programm hat - dann alle auf Basis des neuen 16,4-Liters.

SPASSFAKTOR

Der Sound, der Antritt aus dem Stand, die Power am Berg! Der Scania ist ein Gedicht. Der V8 macht so viel Laune, dass in den Hintergrund tritt, dass der "R" inzwischen zu den ältesten Trucks auf dem Markt gehört. Aber was heißt schon alt - bewährt.

TRUCKER FAZIT

Bot der R 500 mit Ecocruise schon eine glänzende Kombination aus Power und Ökonomie, kann der R 560 mit CCAP alles noch besser - er ist noch schneller, noch komfortabler, noch sparsamer. Aber bei aller Knausrigkeit: Sparen sollte bei der Kabine aufhören. Wo V8 drunter ist, muss Topline drauf sein - zumindest, wenn der Power-Schwede im Fernverkehr zum Einsatz kommt!

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