Er war schon immer das Mauerblümchen im Mercedes Portfolio. Wer Axor fährt, übt Verzicht. Kompakte Kabine, kein Image, kaum Fahrerassistenzsysteme und ab gespeckte Elektronik ohne Notbremsassistent. Für ihn sprechen mehr Nutzlast als beim Actros und der geringere Preis - vor allem aber ein Reihensechszylinder, dem seine Nutzer gute Leistung und geringen Durst attestieren. Reicht das angesichts eines New Actros Stream Space "schmal", der dem Axor schon jetzt als Nachfolger das Rest leben erschwert?
Fangen wir beim Motor an: Kein Ausbund an Temperament, kein überbordendes Drehmoment schon knapp über Leerlaufdrehzahl. Dafür harmonischer Leistungsverlauf über einen weiten Drehzahlbereich, ordentlicher Antritt ab 1100 Touren und eine passable Motorbremsleistung dank Konstantdrossel. Von 400 Pferdestärken darf man keine Wunder erwarten. Trotzdem absolviert der Axor 1840 die Supertest-Runde akzeptabel schnell - vor allem aber mit dem erwartet niedrigen Verbrauch.
POWERSHIFT HARMONIERT MIT DEM REIHENMOTOR VIEL BESSER
Die inzwischen serienmäßige Powershift-Schaltautomatisierung arbeitet ausreichend zügig, ohne allerdings das Niveau von Opticruise oder I-Shift zu erreichen. Die Schaltstrategie passt beim Reihenmotor sogar besser als beim V6. Die vom Actros bekannten - und kritisierten - Sicherheitsschaltungen am Berg unterbleiben. Einzig beim Beschleunigen könnte Powershift öfter mal Gänge überspringen, um noch ein Quäntchen sparsamer zu fahren. Auf der Landstraße wechselt der Computer hingegen brav in den Drehzahl senkenden zwölften Gang.
Beim Fahren im Tempomatmodus zeigt sich das nicht so hohe Elektronikniveau des Axor. Die Hysterese, also die Differenz zwischen Marsch- und Bergabtempo, lässt sich nicht justieren. Eco Roll, der Freilauf beim Ausrollen, fehlt ebenfalls. Generell arbeitet die Geschwindigkeitsregelung aber exakt. Bergab bezieht sie die vorhandenen Zusatzbremssysteme sowie die Getriebesteuerung mit ein, schaltet bei Bedarf zurück und erhöht so die Motordrehzahl für mehr Bremsmoment und bessere Kühlung. Wer die im Vergleich zum Actros höheren Nutzlastreserven öfter ausnutzt, sollte die Fahrer im richtigen Umgang mit der Motorbremse unterweisen. Die braucht 2200 bis 2400 Touren, um ordentlich zu "schaffen". Ein Retarder wäre durchaus sinnvoll, ist in dieser Klasse aber aus Gewichts- und Kostengründen wohl eher die Ausnahme.
Die Bremse zeigt sich Mercedes-like wirkungsvoll und spricht schnell an. Nur die Dosierbarkeit lässt etwas zu wünschen übrig. Für entsprechende Verzögerung sind hohe Pedaldrücke nötig. Zudem dauert es ungewohnt lange, bis die EBS-Steuerung die beim TRUCKER-Test obligaten Trailerwechsel von voll beladen auf Teilbeladung nachvollzieht.
Dafür glänzt der 1840er mit einem straffen, dennoch aber komfortablen Fahrwerk, einer direkten Lenkung und gutem Kontakt zur Fahrbahn, weil die Federung der kompakten Kabine nur wenig Bewegungen zulässt. Selbst auf sehr flott gefahrenen Landstraßenetappen fühlt sich der Fahrer sicher und der mittelschwere Benz zieht sicher seine Bahnen. Auf der Autobahn zeigt er sich völlig unempfindlich gegenüber Spurrillen und bleibt auch bei den, während der Handlingfahrt üblichen, scharfen Bremsmanövern stets stabil.
Der im Vergleich zum Actros große Motortunnel baut den Fahrer ein. Andererseits hat er mehr als in der schweren Klasse das Gefühl, im, statt auf dem Auto zu sitzen. Das Lenkrad läge mit ein paar Grad mehr Verstellwinkel noch besser in der Hand. Dennoch stellt sich schnell eine gewissen Verbundenheit mit dem Fahrzeug ein. Instrumente, Schalter und Armaturen sind stark reduziert. Mehr braucht's aber auch nicht wirklich. Gas- und Bremspedal sind ordentlich arrangiert. Auf den Komfortsitz würden wir nicht verzichten wollen, weil speziell die trocken abgestimmte Blattfeder an der Vorderachse bei schlechter Fahrbahn einige Stöße austeilt. Nicht zu vergessen, macht sich die im Vergleich zum Actros schlechtere Dämmung bemerkbar. Der Motor im Axor darf seine Lautäußerungen viel ungefilterter zum Fahrer senden als der V6 im Actros. Trotz höherer Schallwerte klingt der Reihenmotor aber nicht unangenehm.
DAS KOMPAKTFAHRERHAUS IST NICHT SEHR ÜBERSICHTLICH
Grundsätzlich sollte man meinen, die schmale Kabine sorge für bessere Übersichtlichkeit. Radio Eriwan würde sagen: "Im Prinzip ja, aber ...". Die Spiegel fallen schmal aus, entsprechend eingeschränkt ist das Blickfeld. Schon bei leichten Kurven läuft das Heck des Trailers aus dem Sichtfeld. Selbst die Weitwinkelspiegel lassen zu wünschen übrig. Dass auch nur die Hauptspiegel über eine elektrische Verstellung verfügen, ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass beim Axor der Rotstift regierte.
Von der Klimatisierung darf man das sehr hohe Niveau des Actros nicht erwarten. Selbst gegen Mehrpreis gibt es nur eine manuelle Regelung. Dennoch lässt sich mit der Regelgenauigkeit, Luftverteilung und Heiz-/Kühlleistung ganz gut leben. Selbiges gilt für die Sitzposition. Über 1,90 Meter wünscht man sich allerdings ein wenig mehr Sitztiefenverstellung.
Bei der Bedienung gibt der Axor kaum Rätsel auf. Die Schaltmimik in der Sitzkonsole ist eine gelungene Sache. Obgleich man zugeben muss, dass die Schaltung am Lenkstockhebel beim New Actros noch besser ist. Ein Manko zeigt sich bei Schmuddelwetter. Die Waschdüsen liegen nicht im Wischerarm, weshalb es eine Weile dauert, bis beim Reinigungsvorgang freie Sicht herrscht. Es scheint auch, als würden beim Axor die Seitenscheiben etwas schneller verschmutzen. Auf jedem Fall liegen die Windgeräusche einen Tick höher als im Actros.
Vergleicht man das Kompaktfahrerhaus mit den Kabinen des Wettbewerbs- Renault Premium Route, DAF CF Spacecab oder MAN TGS LX, nutzt Mercedes den vorhandenen Raum weniger konsequent. Marktbegleiter klotzen durchaus mit Stehhöhe, Bewegungsfreiheit und üppigen Ablagen und Staukästen. Der Axor hat von alledem weniger. Der Flotten-Benz profitiert dagegen von günstigen Ersatzteilpreisen, durchdachtem Wartungskonzept und dem Image des Sterns.
DER AXOR IM URTEIL SEINER NUTZER
Andreas Held, Truck Fleet Manager, Curt Richter GmbH
"Bei uns laufen rund 120 Axor 1843, die wir in erster Linie wegen des im Vergleich zum Actros rund 300 Kilo niedrigeren Leergewichts kaufen. Unseren Fahrern sind der Stundenlohn im Fernverkehr und die pünktliche Bezahlung wichtiger als eine große Kabine. Weil wir ausschließlich Gefahrgut transportieren, statten wir unsere Axor mit allen verfügbaren Assistenzsystemen aus - nur auf den Notbremsassistent müssen wir verzichten, weil's den nur im Actros gibt. Unsere Fahrzeuge haben sich als äußert zuverlässig erwiesen. Einige fahren wir bis zu 1,5 Millionen Kilometer. Die dritte und jetzt aktuelle Axor-Serie hatte ein kleines Problem mit den Pleuelstangen. Aber das ist inzwischen erledigt. Wir kaufen ihn auf jeden Fall weiter, weil der New Actros zu viel wiegt."
Fritz-August Liedtke, Ltr. Zentralbereich Technik Nord-Süd-Spedition (nahm just elf New Actros Stream Space in Dienst)
"Den Axor haben wir relativ früh in unseren Fuhrpark aufgenommen, weil er günstiger war als vergleichbare Actros. Damals haben wir das Fahrzeug sogar im Fernverkehr eingesetzt. Das hat sich drastisch geändert. Heute bekommt man dafür keine Fahrer mehr - nicht mal für 200 Euro mehr im Monat! Unsere Chauffeure sind froh über jeden Axor, der das Unternehmen verlässt. Deshalb laufen die Fahrzeuge auch ausschließlich im Bereich der Tagestouren.
Generell ist die mittelschwere Baureihe ein robustes Auto. Dennoch hat der Axor zwei Schwachstellen: Im Bereich der Kolben und Zylinder kann es zu Kavitationsschäden kommen - was einige unserer Fahrzeuge betrifft. Und die Luftpresser fördern Öl, versauen die komplette Bremsanlage. Durch das Verkoken der Köpfe gehen sie auf Leerlauf und dann wird keine Luft mehr gefördert. Das geringere Gewicht im Vergleich zum Actros hat für uns nie eine Rolle gespielt. Technisch ist der Axor aber inzwischen nicht mehr up to date."
DAS SAGT UNSER SERVICE-PROFI
Eine manuelle Abfahrtskontrolle kann sich der Fahrer weitgehend sparen, da der Bordcomputer des Axor alle wesentlichen Füllstände der Betriebsflüssigkeiten überprüft. Außerdem kann der Werkstattmann schon vor einer möglichen Warnung relevante Serviceparameter, wie etwa den Bremsbelagverschleiß oder den Ölfüllstand prüfen. Eventuelle Fehlmengen lassen sich an meist gut zugänglichen Nachfüllöffnungen problemlos ergänzen.
Nur der Stutzen der Kühlereinfüllöffnung sitzt ungünstig, hinter der unteren, nicht zu öffnenden Verkleidung des Kühlergrills. Bei der Einfüllöffnung des Motoröls wurde an eine zusätzliche Klappe gedacht. Auch der Luftfilter, hinter dem rechten Vorderrad positioniert, lässt sich leicht nach unten tauschen - was auch ohne Grube funktioniert.
Kleinere Wartungsarbeiten, etwa der Tausch einer Glühbirne via Klappscheinwerfer oder das Wechseln der geklipsten Spiegelgläser, geht leicht von der Hand - wenn das passende Werkzeug in der leidlich bestückten Werkzeugtasche noch vorhanden ist. Die Scheibenreinigung würde mit einem Aufstieg mit breiteren Trittflächen besser klappen.
An die Öl- und Kraftstofffilter kommt die Werkstatt gut heran. Allerdings müssen zum Ölwechsel die unteren Motorverkleidungen demontiert werden. Die Kupplung arbeitet elektropneumatisch, braucht also keinen weiteren Hydraulikkreislauf.
Mit fettfreier Sattelkupplung ist der Axor wartungsarm. Die Serviceintervalle gibt Mercedes einsatzabhängig mit bis zu 100.000 km an. Erfahrungsgemäß sind es laut Wartungsrechner meist kürzere Intervalle, die sich im Alltag realisieren lassen. Generell ist der Mercedes Axor ein durchdachter und wartungsfreundlicher LKW mit guter und günstiger Ersatzteilversorgung.
Service-Spezialist Jan Burgdorf
TRUCKER FAZIT
Ordentlicher Laster
Von 400 PS bei 40 Tonnen erwartet niemand Wunder. Insofern liegt der 1840er noch ganz gut. Er ist leidlich sparsam und grade noch flott unterwegs. Ob der neue OM-470-Sechszylinder mit 10,7 Liter wirklich schneller und sparsamer ist, muss er erst noch unter Beweis stellen. Auf jeden Fall ist die entsprechende Stream-Space-Kabine im New Actros deutlich größer - das ist gut so!
TRUCKER-Tester Gerhard Grünig