Joachim Weidlich braucht seine Freiheit. Seit 41 Jahren fährt der 59-Jährige für die Spedition Neumöbellogistik Heinrich Mahlmann im westfälischen Steinheim. Sein Lieblingsfahrzeug ist ein Mercedes Benz, bei dem findet er die Bedienelemente im Innenraum und auch das Platzangebot in der Kabine top. „Da kann man auch während der Fahrt mal den Kühlschrank aufmachen und eine Flasche Wasser rausholen“, sagt Weidlich. Unterwegs ist er meist Richtung Süddeutschland, nach Friedberg zum Möbelhaus Segmüller. Seine Arbeit macht dem gelernten Zimmermann nach wie vor Spaß, sie sei sogar leichter geworden: „Früher haben wir viel ohne Rampe abladen müssen, teilweise bei Privatleuten im Garten. Das ist jetzt vorbei.“ Auch die gewünschte Freiheit lässt das Familienunternehmen Mahlmann seinen 60 Fahrern, sagt zumindest Geschäftsführer Gerhard Mahlmann. „Die sollen losfahren, wann sie wollen. Sie müssen ihren digitalen Tacho sauber einpflegen, aber ansonsten lassen wir die Kirche im Dorf “, sagt er im Interview. Als Firmenchef wirkt er auf dem Boden geblieben. Privat ist der dreifache Vater ein begeisterter Jäger und Hundeliebhaber, sammelt und repariert Trecker und Landtechnikfahrzeuge und hackt gern sein eigenes Brennholz. „Ich bin oft im Blaumann auf dem Betriebsgelände unterwegs, da sieht man nicht, dass ich der Boss bin“, verrät er.
Auch, was einen Fahrer bewegt, weiß Mahlmann, und zwar aus eigener Erfahrung. Nach Ausbildungen zum Kfz-Mechatroniker und zum Speditionskaufmann stieg er selbst als Fahrer ein, zunächst bei einer anderen Spedition, ab 1990 im heimischen Betrieb. Als Geschäftsführer baute er später als erstes neue Büros und Aufenthaltsräume für die Mitarbeiter. Das Miteinander im Unternehmen ist auch seiner Frau, Andrea Mahlmann, wichtig. „Wir müssen alle Mahlmänner werden“, lautet die Devise der 54-Jährigen, die als Prokuristin die Bereiche Finanzen, Controlling und Marketing verantwortet.
Viele Fahrer arbeiten schon seit Jahren bei der Spedition
Allerdings leiden auch die Neumöbellogistiker unter dem Fahrermangel: Im Schnitt sind die Mahlmann-Fahrer 43 Jahre alt, die Älteren gehen nach und nach in Rente. „Wir kriegen aber keine mehr nach. Jährlich könnten wir mindestens zwei Azubis nehmen, es bewirbt sich aber niemand“, beklagtAndrea Mahlmann. Bewerben sich bereits ausgelernte Kraftfahrer bei Mahlmanns, zählen vor allem Sprachkenntnisse. „Ohne deutschsprachige Fahrer geht es bei uns nicht bei dem, was der Handel von uns an den Rampen verlangt“, so Gerhard Mahlmann.
Die Spedition beliefert den Möbel- und Fachhandel in der DACH- und der Benelux-Region mit Neumöbeln. „Mr. Allgäu“ nennt sich Stefan Firl. Der 58-Jährige fährt seit 23 Jahren für Mahlmann und ist wie viele seiner Kollegen meist auf festen Routen unterwegs. „Man kennt sich, da gibt’s auch mal einen Kaffee und man kann auch mal eine oder zwei Stunden nach Feierabend abladen“, erläutert Mahlmann die Vorteile. Zu den größten Herausforderungen zählt für das Familienunternehmen allerdings, dass die Fahrer bei manchen Kunden stundenlang aufs Abladen warten müssen. „Dann fahren wir wieder, denn wir müssen Gesetze und Regelungen einhalten.“
"Für das, was ich beim Kunden leiste, verdiene ich eine eigene Krawatte"
Joachim Weidlich, Fahrer
Dass die Kunden immer höhere Anforderungen stellen, stellt auch Fahrer Joachim Weidlich fest. Für das, was er mittlerweile beim Kunden machen müsse, „hätte ich schon eine eigene Krawatte verdient“, sagt er. „Man muss die Lagerwagen aufbauen und daran Schaumstoff befestigen“, gibt er ein Beispiel. Und auch der Fahreralltag auf der Straße habe sich stark gewandelt: „Jetzt wollen sie vorschreiben, dass man in alten Motels übernachten muss. Oder man zahlt zehn Euro für einen Parkplatz, wenn man eine gesetzliche Pause machen muss. Das übrige Geld gibt man dann für eine Heißwurst aus, die fünf Stunden in der Bratze gelegen hat“, verdeutlicht Weidlich. Firmenchef Mahlmann ergänzt: „Auch in Sachen Umgangston herrscht heute eine rauere Mentalität auf den Raststätten.“
Um seinen Fahrern etwas Gutes zu tun, hält Mahlmann seinen Fuhrpark stets up to date. „Ein Lkw ist schon noch ein Statussymbol“, stellt er fest. Seine Flotte besteht derzeit aus 56 Lkw, überwiegend von Daimler-Benz, einige von Volvo. Für deren Pflege betreibt das Unternehmen eine Werkstatt, eine Waschanlage sowie eine Tankstelle. Der TÜV kommt regelmäßig ins Haus. Für Großkunden setzt Mahlmann seit 2018 darüber hinaus zwei Langauflieger „Typ 1“ von Weka aus Rheda- Wiedenbrück ein. Mit 1,10 Meter mehr Ladefläche bieten sie sieben Kubikmeter mehr Transportvolumen als ein Standardauflieger. Mahlmann ist begeistert: „Mit dem Lang-Lkw 1 hat man auf einem Sattelauflieger die gleiche Ladelänge wie auf einem Hängerzug, verbraucht aber durch das geringere Eigengewicht weniger Sprit“, resümiert er.
Um allgemein den Verbrauch zu senken, drosselte er vor Jahren auch alle Lkw auf 85 km/h. „Das spart fünf bis sechs Prozent Kraftstoff. Der Fahrer fährt entspannter, ohne Überholstress“, erklärt er. Das ge- fiel allerdings nicht allen seiner 60 Trucker, weshalb er die Sperre vielfach wieder aufheben musste. Durchgesetzt haben sich dagegen seit 2012 rollwiderstandsoptimierte Reifen. In Sachen Umweltschutz tauschte Mahlmann außerdem im vergangenen Jahr Einweg- gegen Mehrwegkaffeebecher aus. Allein durch diese Maßnahme spart das Unternehmen nun jährlich 1000 Euro ein. Geld, das dann für andere Zwecke zur Verfügung steht. Sozial engagiert sich das Unternehmen etwa, indem es Schulen und Vereine im Ort unterstützt, Schülerpraktika anbietet und Zeltlager durch Deutschland fährt. Außerdem stellt Mahlmann Fahrzeuge für Hilfstransporte zur Verfügung und für eine Spendenaktion ist man sogar nach Russland gefahren.
Die Gesundheit der Fahrer liegt dem Chef am Herzen
Auch über sein Gehalt kann sich zumindest Fahrer Weidlich nicht beklagen, genauso wie sein Kollege Ernest Sale. Der 63-jährige Brite ist mit 34 Jahren Betriebszugehörigkeit auch ein Speditions-Urgestein. Er kam damals aus dem Vereinigten Königreich nach Hameln, war erst beim Militär und blieb dann der Liebe wegen in Deutschland. Heute geht Sale schon stramm auf die Rente zu, möchte aber weiter bei Mahlmann arbeiten. Mit dem Chef kommt er gut zurecht: „Wenn man Probleme hat, kann man jederzeit zu ihm gehen. Er ist einer von uns“, sagt Sale.
"Ich will ein Chef sein, vor dem man nicht wegläuft."
Günter Mahlmann
Die Gesundheit seiner Fahrer liegt Mahlmann ebenfalls am Herzen: Für die gesunde Ernährung kommt an zwei Tagen die Woche frisches Obst ins Lagerbüro und im Sommer gibt es gratis Wasser sowie stets subventionierten Kaffee aus dem Automaten für 20 Cent. Zusätzlich bezuschusst Mahlmann die Mitgliedschaft in einem Fitnesscenter. Für Joachim Weidlich ist das Möbelschleppen allerdings genug Sport: „Ich trainiere unter der Woche so viel, da muss ich nicht noch am Wochenende Gewichte stemmen“, meint er schmunzelnd.