Wenn man sich mit Thomas Schmieder unterhält, spürt man bei ihm direkt die Begeisterung für seinen Job. Der 43-Jährige ist Berufskraftfahrer bei der Spedition Hans Adam Schanz im südhessischen Ober-Ramstadt. Allerdings fährt Schmieder nicht irgendeinen Lkw – er ist der einzige Fahrer bei Schanz, der im Rahmen des Pilotprojekts Elisa mehrmals täglich mit einem Oberleitungs-Hybrid-Lkw (OH-Lkw) für einen Großkunden zwischen Ober-Ramstadt und Frankfurt am Main pendelt. Damit ist Schmieder gleichzeitig der erste Fahrer eines kommerziell eingesetzten OH-Lkw weltweit. Warum er von „seinem“ Lkw so begeistert ist, welches Privileg ihm zuteilwurde und wie es ihm bei der Spedition Schanz generell gefällt – dazu später mehr. Denn der Familienbetrieb ist nicht nur wegen seiner Teilnahme an dem Pilotprojekt interessant. Bereits 1927 entstand das Unternehmen in Ober-Ramstadt – und schon damals spezialisierte sich Gründer Adam Schanz hauptsächlich auf den Transport von Baumaterialien. Auch heute sind Baustellenlogistik und nationale Terminverkehre die Standbeine der Spedition. Doch vieles hat sich seit der Gründung vor fast 100 Jahren verändert: So haben 2015 Christine Hemmel und Kerstin Seibert die Geschäftsführung von ihrem Vater Hans Adam Schanz übernommen – und sind damit die ersten zwei Frauen an der Spitze. Seibert leitet den operativen Bereich und die Kundenbetreuung, während Hemmel für Lohn- und Finanzbuchhaltung sowie Marketing zuständig ist.
„Wir hatten echt Glück mit der Sparte und unseren Kunden“
Eine große Herausforderung war für die beiden Schwestern dieses Jahr der pandemiebedingte Lockdown. „Als am Anfang diese Panik aufkam, war die Stimmung hier schon sehr angespannt“, sagt Hemmel. Die Spezialisierung von Schanz auf Baustofftransporte habe sich allerdings als Vorteil erwiesen, denn zeitweise seien die Frachtmengen hier im Vergleich zum Normalbetrieb erheblich gestiegen. „Wir hatten echt Glück mit der Sparte und unseren Kunden“, betont Seibert.
Dass zwei Frauen eine Spedition leiten, ist in der Branche eher die Ausnahme. Wie läuft es mit der Akzeptanz unter den Männern? „Man hat schon manchmal das Gefühl, dass man auf die Probe gestellt wird“, findet die 38-Jährige. Mit den Fahrern im Unternehmen gab es deshalb aber nie Probleme. Viele von ihnen kennen die Schwestern schon, seit sie Kinder waren. „Die freuen sich eher, wenn sie uns sehen, und sagen: ‚Oh, da kommen die Chefinnen‘“, erzählt Hemmel.
Was bei den Fahrern auch gut ankommt, ist der Scania-Fuhrpark der Spedition. Insgesamt 35 Fahrzeuge gehören zur Schanz-Flotte, ausschließlich vom schwedischen Hersteller und alle mit der Schadstoffklasse Euro 6. Von deren Qualität und Verbrauch sind Seibert und Hemmel überzeugt. „Ein Fahrer von uns hatte vor einigen Jahren einen relativ schweren Unfall. Da hat der Polizist an der Unfallstelle gesagt: Sie können froh sein, dass Sie in einem Scania gesessen haben“, berichtet Seibert.
Pilotprojekt ELISA: Fahren mit dem AHA-Effekt
Thomas Schmieder arbeitet seit Februar 2019 als Berufskraftfahrer bei der Spedition und hat sich wegen eines ganz bestimmten Lkw beworben. Er hatte zuvor gehört, dass sich Schanz an dem Pilotprojekt Elisa beteiligen wird. Bei Elisa (elektrifizierter, innovativer Schwerverkehr auf Autobahnen) sammeln insgesamt fünf OH-Lkw auf einer mit Oberleitungen ausgerüsteten, elektrifizierten Teststrecke auf der A 5 in Hessen bis 2022 Daten. Bei diesem Test soll ausgelotet werden, wie umweltschonend Straßengütertransport künftig funktionieren kann.
„Ich finde dieses Projekt sehr spannend“, sagt Schmieder. Generell interessiert er sich für das Thema alternative Antriebe und wollte daher unbedingt den OH-Lkw fahren. Eine Premiere, denn an Elisa nehmen zwar noch vier andere Speditionen teil, Schanz war jedoch die erste. „Ich hatte das Privileg, dass mich damals der Chefingenieur von Scania aus Schweden eingewiesen hat, das hat mich sehr gefreut“, berichtet der 43-Jährige stolz. Die ersten Fahrerlebnisse mit dem OH-Lkw hat er auch noch gut in Erinnerung: „Dieses geräuschlose Losfahren, das war schon erstmal ein Aha-Effekt.“
Das Fahrgefühl findet Schmieder wesentlich besser als bei einem „normalen“ Lkw. Auch das Andocken mit dem Stromabnehmer an der Oberleitung ist für ihn mittlerweile keine Herausforderung mehr. „Von hundert Versuchen gehen vielleicht zwei schief“, sagt er. Und noch einen Vorteil sieht der Fahrer: „Man kann die Pkw ärgern. Der kann so schnell beschleunigen, damit rechnen die nicht.“ Da würde er oft ein paar verdutzte Blicke ernten, berichtet er augenzwinkernd. Einmal im Monat muss Schmieder aber auf „El Leon“, wie der Lkw getauft wurde, verzichten. Dann kommt dieser ein bis zwei Tage zur Prüfung und zum Datenauslesen in die Werkstatt. Schon seit zehn Jahren arbeitet Schmieder als Berufskraftfahrer. Mit seinem aktuellen Arbeitgeber ist der gelernte Optiker zufrieden: „Ich bin sehr gut aufgenommen worden.“
Außer ihm sind derzeit noch weitere 52 Fahrer bei Schanz tätig. Allen bieten Seibert und Hemmel die Möglichkeit, sich auszusuchen, ob sie Sattel- oder Gliederzug und mit oder ohne Zusatzequipment fahren wollen. Am Wochenende muss niemand unterwegs sein, denn die Spedition fährt hauptsächlich im innerdeutschen Verkehr. „In der Regel sind die Fahrer alle zwei Tage zu Hause“, sagt Seibert. Auch private Termine werden bei der Disposition berücksichtigt.
Die Spedition bildet Berufskraftfahrer selber aus
Trotzdem haben die Schanz-Chefinnen hin und wieder Schwierigkeiten, Fahrpersonal zu finden. Um das Problem abzumildern, bildet der Betrieb seit 15 Jahren selber aus. Aktuell absolvieren drei angehende Berufskraftfahrer ihre Ausbildung im Unternehmen. „Wir können die jungen Leute so gezielt auf unsere Anforderungen hin ausbilden“, sagt Seibert. Schulabgängern mit dem Berufswunsch Berufskraftfahrer, die noch keinen Führerschein machen können, empfiehlt sie, zuerst eine Ausbildung zum Fachlageristen zu absolvieren und anschließend eine verkürzte BKF-Ausbildung dranzuhängen. Ihre Schwester und sie haben neben den üblichen Wegen 2019 auch schon mit einer Facebook-Kampagne versucht, neue Fahrer zu finden. „Dadurch hatten wir auf einmal über 40 Interessenten, die wir erst mal filtern mussten“, berichtet Hemmel.
Einige Bewerber wurden eingestellt, am Ende sei allerdings nur einer übrig geblieben, so die 42-Jährige. Dass in dem Bereich so ein Mangel herrscht, könnte nach Ansicht der Spediteurinnen auch am schlechten Ruf des Berufsbildes liegen. Sie wünschen sich deshalb, dass den Fahrern mehr Wertschätzung entgegengebracht wird. „Dass es nicht immer heißt: Die blöden Lkw verstopfen die Straßen und machen Dreck und Krach. Das ist auch gar nicht mehr so“, betont Seibert.