Die Landschaft ist idyllisch. Hier, im Herzen des berühmt-berüchtigten „Goldenen Dreiecks“, grenzen drei Länder aneinander: Myanmar (früher Burma genannt), Thailand und Laos. In der strategisch wichtigen Region dient der Fluss Mekong als fließende Autobahn. Dereinst war der mit Wäldern bedeckte Landstrich das Ziel von Abenteurern. Er galt als Zentrale des Opiumanbaus. Lange Zeit war er schwer zugänglich – heute treffen unaufhörlich Busse ein und spucken eine Flut chinesischer Touristen aus.
Die Fahrer pendeln im Konvoi zwischen den Ländern
Für Anupong und seinen mit Zement beladenen Lkw signalisiert der Anblick des riesigen Flusses das Ziel seiner heutigen Tour aus Thailand. Eine kurze Überfahrt mit der Fähre und er wird in Laos in der Sonderwirtschaftszone von Ton Pheung angekommen sein. Nach dem Entladen geht es sofort zurück. Seit über acht Monaten dreht er zwischen Lampang im Norden Thailands und Laos seine Runden, mit der Regelmäßigkeit einer Schweizer Uhr.
Die Schönheit der Landschaft, die traumhaften Küsten von Thailand und Myanmar, lassen den jungen Thailänder unberührt. Es ist auch schon eine Weile her, dass er einen Blick auf das riesige Schild vor dem Pier geworfen hat, das Ankommende in der Sonderwirtschaftszone willkommen heißt. Wir begleiten ihn auf der Mekong-Überfahrt. Anupong nutzt die Zeit, um mit Kollegen zu plaudern, die wie er für das große Zementunternehmen SCG arbeiten, ein echter Maßstab in der Region. Thailänder sind nicht gern alleine auf Tour und bilden Gruppen oder fahren im Konvoi, wann immer sie können. Vor allem im Ausland. Nachdem wir von Bord gegangen sind, befinden wir uns in einer chinesischen Stadt – mitten im Herzen des laotischen Territoriums, direkt gegenüber von Thailand und Myanmar.
Die Baustellen sind ein Teil der chinesischen Globalisierung
Die gesprochene Sprache hier ist das chinesische Mandarin, die Uhren stehen auf Pekinger Zeit, die allgegenwärtigen Polizisten und Taxifahrer sind Chinesen und der Yuan ist die Währung. Sogar die Nummernschilder der Autos tragen chinesische Schriftzeichen.
Die allgemeine Trägheit, die Laos angeblich charakterisiert, ist hektischer Aktivität gewichen, und der Klang von Presslufthämmern hat die Laute des Dschungels ersetzt. Überall stehen Krane und im Bau befindliche Gebäude, die in raschem Tempo rund um ein Pappkasino errichtet werden. Das Haus ist von einem Minarett gekrönt und mit griechischen Statuen geschmückt: ein Disneyland mitten im asiatischen Dschungel.
Täglich kommen Hunderte von Lastwagen aus China an. Sie transportieren das gesamte für den Bau einer Stadt erforderliche Material. Hier wird es einen neuen Flughafen geben, einen Industriepark und einen Touristenkomplex. Die neue Ansiedlung soll bald 200.000 Einwohner beherbergen, fast so viele wie Vientiane hat, die Hauptstadt von Laos.
Der laotische Staat hat alle Souveränität für dieses Gebiet aufgegeben und es für einen Zeitraum von 99 Jahren an China verpachtet. Der Bau dieses Tores zum großen südostasiatischen Markt ist Teil eines gigantischen Plans, der alle Kontinente betrifft. Ziel ist, China auf dem Land- und Seeweg mit dem Rest der Welt zu verbinden. Mit einem praktisch unbegrenzten Budget soll dieses Projekt China in den kommenden Jahrzehnten zur Weltherrschaft führen. Die „Sonderwirtschaftszone“ von Ton Pheung mit ihrer beeindruckenden Mega-Baustelle ist ein perfektes Beispiel dafür.
Chan freut sich über das neue „Laos-Vegas“
Lkw-Fahrer Chan strotzt vor Energie. Mit Blümchen-Bermudas und paramilitärischer Frisur steuert er seinen Truck mit dem Optimismus derjenigen, die an großen Projekten arbeiten. Sein brandneuer FAW ist beladen mit Baumaschinen aus Chans Heimat. Er wirkt gar nicht müde, trotz seiner schier endlosen Tour von Xishuangbanna in Südchina bis hierher. Seine Augen glänzen, als er auf das riesige Casino „Kings Romans“ zeigt. Ein unglaubliches, griechisch-römisches Schrottgebäude, das mit prächtigen gefälschten Statuen geschmückt ist und sich von der idyllischen Landschaft abhebt. „Es ist wie in China hier“, ruft Chan an einem Tisch über einem Teller Nudeln aus, „gar nicht wie in einem fremden Land.“