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Reportage: Im Goldenen Dreieck

02.02.2021 15:00 Uhr | Lesezeit: 6 min
Reportage: Im Goldenen Dreieck
Bauboom: Täglich transportieren dutzende Fahrer mit ihren Silo-Zügen Baumaterial hierher, die meisten überqueren den Mekong mit der Fähre
© Foto: Claude Barutel

Gigantische Bauprojekte machen aus Laos, einem der ärmsten Länder der Welt, eine Großbaustelle. Denn für China ist eine bestimmte Region am "Goldenen Dreieck" das Tor zum riesigen südostasiatischen Markt. Auch Lkw-Fahrer profitieren.

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Die Landschaft ist idyllisch. Hier, im Herzen des berühmt-berüchtigten „Goldenen Dreiecks“, grenzen drei Länder aneinander: Myanmar (früher Burma genannt), Thailand und Laos. In der strategisch wichtigen Region dient der Fluss Mekong als fließende Autobahn. Dereinst war der mit Wäldern bedeckte Landstrich das Ziel von Abenteurern. Er galt als Zentrale des Opium­anbaus. Lange Zeit war er schwer zugänglich – heute treffen unaufhörlich Busse ein und spucken eine Flut chinesischer Touristen aus.

Die Fahrer pendeln im Konvoi zwischen den Ländern

Für Anupong und seinen mit Zement beladenen Lkw signalisiert der Anblick des riesigen Flusses das Ziel seiner heutigen Tour aus Thailand. Eine kurze Überfahrt mit der Fähre und er wird in Laos in der Sonderwirtschaftszone von Ton Pheung angekommen sein. Nach dem Entladen geht es sofort zurück. Seit über acht Monaten dreht er zwischen Lampang im Norden Thailands und Laos seine Runden, mit der Regelmäßigkeit einer Schweizer Uhr.

Die Schönheit der Landschaft, die traumhaften Küsten von Thailand und Myanmar, lassen den jungen Thailänder unberührt. Es ist auch schon eine Weile her, dass er einen Blick auf das riesige Schild vor dem Pier geworfen hat, das Ankommende in der Sonderwirtschaftszone willkommen heißt. Wir begleiten ihn auf der Mekong-Überfahrt. Anupong nutzt die Zeit, um mit Kollegen zu plaudern, die wie er für das große Zementunternehmen SCG arbeiten, ein echter Maßstab in der Region. Thailänder sind nicht gern alleine auf Tour und bilden Gruppen oder fahren im Konvoi, wann immer sie können. Vor allem im Ausland. Nachdem wir von Bord gegangen sind, befinden wir uns in einer chinesischen Stadt – mitten im Herzen des laotischen Territoriums, direkt gegenüber von Thailand und Myanmar.

Die Baustellen sind ein Teil der chinesischen Globalisierung

Die gesprochene Sprache hier ist das chinesische Mandarin, die Uhren stehen auf Pekinger Zeit, die allgegenwärtigen Polizisten und Taxifahrer sind Chinesen und der Yuan ist die Währung. Sogar die Nummernschilder der Autos tragen chinesische Schriftzeichen.

Die allgemeine Trägheit, die Laos angeblich charakterisiert, ist hektischer Aktivität gewichen, und der Klang von Presslufthämmern hat die Laute des Dschungels ersetzt. Überall stehen Krane und im Bau befindliche Gebäude, die in raschem Tempo rund um ein Pappkasino errichtet werden. Das Haus ist von einem Minarett gekrönt und mit griechischen Statuen geschmückt: ein Disneyland mitten im asiatischen Dschungel.

Hier, in der Zone Ton Pheung, sollen einmal hunderttausende Häuser stehen
© Foto: Claude Barutel

Täglich kommen Hunderte von Lastwagen aus China an. Sie transportieren das gesamte für den Bau einer Stadt erforderliche Material. Hier wird es einen neuen Flughafen geben, einen Industriepark und einen Touristenkomplex. Die neue Ansiedlung soll bald 200.000 Einwohner beherbergen, fast so viele wie Vien­tiane hat, die Hauptstadt von Laos.

Der laotische Staat hat alle Souveränität für dieses Gebiet aufgegeben und es für einen Zeitraum von 99 Jahren an China verpachtet. Der Bau dieses Tores zum großen südostasiatischen Markt ist Teil eines gigantischen Plans, der alle Kontinente betrifft. Ziel ist, China auf dem Land- und Seeweg mit dem Rest der Welt zu verbinden. Mit einem praktisch unbegrenzten Budget soll dieses Projekt China in den kommenden Jahrzehnten zur Weltherrschaft führen. Die „Sonderwirtschaftszone“ von Ton Pheung mit ihrer beeindruckenden Mega-Baustelle ist ein perfektes Beispiel dafür.

Chan freut sich über das neue „Laos-Vegas“

Lkw-Fahrer Chan strotzt vor Energie. Mit Blümchen-Bermudas und paramilitärischer Frisur steuert er seinen Truck mit dem Optimismus derjenigen, die an großen Projekten arbeiten. Sein brandneuer FAW ist beladen mit Baumaschinen aus Chans Heimat. Er wirkt gar nicht müde, trotz seiner schier endlosen Tour von Xishuangbanna in Südchina bis hierher. Seine Augen glänzen, als er auf das riesige Casino „Kings Romans“ zeigt. Ein unglaubliches, griechisch-römisches Schrottgebäude, das mit prächtigen gefälschten Statuen geschmückt ist und sich von der idyllischen Landschaft abhebt. „Es ist wie in China hier“, ruft Chan an einem Tisch über einem Teller Nudeln aus, „gar nicht wie in einem fremden Land.“

Auf thailändischer Seite ist das „Goldene Dreieck“ samt riesigem Buddha eine Touristenattraktion
© Foto: Claude Barutel

Vor dem Restaurant rauscht in Staubwolken ein kontinuierlicher Strom von Lastwagen und großen Luxuslimousinen vorbei. Burmesische Arbeiter in Flip-Flops und Lungi, einem Wickelrock für Männer, treffen sich mit wohlhabenden Thailändern und chinesischen Touristen, die wie Fliegen von den Baccara- und Blackjack-Tischen angezogen werden. Die geografische Lage für den Bau dieses Casinos wurde sorgfältig ausgewählt.

Glücksspiel ist in China selbst verboten, außer in Macau, und es ist allgemein bekannt, dass schmutziges Drogengeld auf Kosten von Spielsüchtigen gewaschen werden kann. Zum Glück ist Chan kein Spieler, „sonst hätte meine Frau mir nie erlaubt, hier zu liefern“, lacht er. Als Besitzer seines Lastwagens begann er das laotische Abenteuer, um Geld zu verdienen und nicht zu verlieren. Ihm ist wichtig, die Touren zwischen diesem tropischen Las Vegas und seiner Heimatstadt Yunnan jeweils schnellstmöglich hinter sich zu bekommen. Er ignoriert die schicken Hotels und die schönen Prostituierten in den Massagesalons. Das Goldene Dreieck zeigt immer noch seine Schattenseiten. Organisierte Banden greifen Touristenboote an, um sie auszurauben. 2011 wurden chinesische Seeleute auf dem Mekong von Drogenhändlern getötet.

Im Zentrum der neuen Stadt wurde ein kleines „Chinatown“ geschaffen
© Foto: Claude Barutel

In der laotischen Bevölkerung wächst der Unmut

Glücklicherweise scheinen Lastwagen auf den Straßen im Landesinneren vorerst sicher zu sein, aber Chan geht kein Risiko ein, er fährt immer im Konvoi und vermeidet es möglichst, nachts zu fahren.

In Laos hat sich inzwischen ein starkes antichinesisches Gefühl entwickelt. Die lokale Bevölkerung bewertet all diese Großprojekte, die von den Nachbarn durchgeführt werden und von denen sie keinen Nutzen ziehen, nicht positiv. Kaum ein laotisches Transportunternehmen ist am Bau dieser Stadt beteiligt. Alle Lkw kommen aus China, mit Ausnahme der thailändischen Zementträger, die täglich den Mekong überqueren.

Hinzu kommen die systematische Zerstörung natürlicher Lebensräume und der massive Einsatz von Pestiziden in landwirtschaftlichen Plantagen – es ist leicht nachzuvollziehen, dass sich die lokale Bevölkerung über ihren großen Nachbarn im Norden ärgert. „Bei den Chinesen gibt es nicht mehr genug Bauland, also kommen sie nach Laos und plündern den Reichtum unseres Landes“, sagt ein enttäuschterlaotischer Lkw-Fahrer.

China zahlt 100.000 Dollar für den Umzug nach Laos 

Viele wie Chan haben dieses Abenteuer begonnen, gelockt von Einkommen, wie sie im Heimatland undenkbar für einen Fahrer sind. Die chinesischen Behörden zahlen Landsleuten, die nach Laos gehen, einen Ausbürgerungsbonus: 100.000 Dollar für eine Person, 200.000 für ein Paar und 100.000 mehr, wenn ein Kind unterwegs ist. Für viele ein großes Glück, dort ein neues Leben zu beginnen, wo der Lebensstandard einer der niedrigsten auf dem Planeten ist. Auch Chan träumt davon, mit seiner Familie nach Laos zu gehen und dann eine eigene Transportfirma zu gründen. Ein Traum, der sicher in demselben Tempo wahr wird, in dem hier ganze Städte entstehen.

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