Dieses Einsatzszenario schreit geradezu nach einer (lokal) emissionsfreien, flüsterleise agierenden Transportlösung: Mit Sperrmüll gefüllte Abrollcontainer wird der neueste Lkw der Abfallwirtschaftsbetriebe München von den Wertstoffhöfen in der Innenstadt zu umliegenden Deponien befördern. Mehr als 100 Kilometer, die zudem fast nur durch urbanes Gebiet führen, kommen da an einem Tag nicht zusammen.
Weshalb die Ausschreibung der Kommune ein vollelektrisches Fahrgestell samt ebenfalls mit Strom betriebenem Abroll-aufbau forderte. Für Volvo Trucks brachte dies die seltene wie angenehme Situation mit sich, keine Konkurrenz fürchten zu müssen. Die nämlich hätte höchstens aus eigenem Hause stammen können, schließlich kann aktuell nur die Konzerntochter Renault Trucks mit dem D Wide Z.E. ebenfalls Elektrisches liefern. Bei allen anderen etablierten Herstellern sind entsprechende Stromer zwar angekündigt, aber bis auf Weiteres noch nicht zu haben.
Elektrisches Fahren macht ohne Frage großen Spaß!
Äußerlich und innerhalb der „Comfort-Cab“-Kabine offenbaren sich optisch kaum Unterschiede zu den normalen Diesel-FE. Hier wie dort bleibt die Materialqualität weit hinter den wertigen großen Brüdern FM und FH zurück. Dass die ebenfalls eher schmucklos gestalteten Rundinstrumente im Cockpit des Stromers anstelle des Drehzahlmessers eine Energieanzeige bereithalten, ist zunächst die einzig sichtbare Abgrenzung zum Diesel.
Dafür ist das Aha-Erlebnis umso größer, sobald man den Electric mittels gewohntem Dreh am Zündschlüssel zum Leben erweckt. Anstatt des lauten Nagelns eines Reihensechszylinders setzt sich der Dreiachser nach dem Tritt aufs Gas (auf einen Kriechmodus verzichtet Volvo Trucks nach eigener Aussage bewusst) mit einem kaum vernehmbaren Summen in Bewegung. Und bestätigt schnell, was eigentlich für jedes E-Fahrzeug gilt: Elektrisches Fahren macht nicht nur wegen der konkurrenzlos niedrigen Geräuschkulisse einfach Spaß!
Die bis zu 400 kW und 850 Newtonmeter Drehmoment entfalten sich harmonisch ohne Zugkraftunterbrechung und sind einem herkömmlichen Diesel-Lastwagen der gleichen Gewichtsklasse deutlich überlegen. Nur versierten Fahrern wird der einzige Gangwechsel auffallen, der beim Beschleunigen auf das abgeregelte Maximaltempo von 80 km/h absolviert wird. Zum Anfahren nutzt die Elektronik immer die erste Fahrstufe, um anschließend umgehend in den zweiten Gang zu wechseln.
Ungewohnt gestaltet sich für erfahrene Elektrofahrer beim Testfahrzeug die Verzögerung. Leiten die meisten E-Fahrzeuge beim Rollen umgehend die Rekuperation ein, wodurch die Fuhre wirksam verzögert und die Betriebsbremse kaum noch benötigt wird, rollt der Volvo zunächst nahezu frei. Erst beim Tritt aufs Bremspedal schaltet der E-Motor auf Generatorbetrieb um und speist den so erzeugten Strom zurück in die Akkus. Unserer Meinung nach nicht die beste Strategie, denn sie erhöht unnötig den Bremsverschleiß, zumal Elektrolastwagen über keine verschleißfreie Dauerbremse verfügen.
Volvo Trucks lässt dazu verlauten, die Änderung der Rekuperationsparameter sei lediglich eine Softwarefrage, die man in Schweden gerne auf eventuelle Kundenwünsche anpassen könne. Was wir in jedem Fall empfehlen würden, denn zum Verzögern und Rekuperieren bietet der Electric schließlich entsprechende Masse. Vor allem die Batteriepakete – links und rechts am Fahrzeugrahmen montiert – wiegen entsprechend und summieren das Leergewicht des Stromers auf knapp zwei Tonnen mehr als das eines vergleichbaren Diesels.
Immerhin, in Sachen Zuladung braucht der Eigner keine Zugeständnisse ans umweltfreundliche Fahren zu machen: Der FE Electric ist für 27 Tonnen Gesamtgewicht freigegeben, eine Tonne mehr, als Dreiachser mit herkömmlichem Verbrennungsantrieb hierzulande auf die Waage bringen dürfen. Genügend Reserven also für reichlich Sperrmüll!