Normalerweise erregt man bei Testfahrten mit einem brandneuen Lkw-Modell einiges Aufsehen. Entgegenkommende oder überholende Kollegen recken sich die Hälse nach dem Neuen und beim Stopp am Autohof ist das Fahrzeug schnell von Neugierigen umringt.
Anders beim neuen MAN. Dabei ist es keinesfalls so, dass am „New TGX“ kein Interesse bestünde. Allerdings bemerken die wenigsten, was hier gerade ihren Weg kreuzt. Der Neue sieht seinem Vorgänger einfach zu ähnlich, um wirklich aus der Masse der Löwen-Laster herauszustechen.
Innen hat MAN den TGX radikal modernisiert
Mag der Fortschritt – wie beispielsweise die laut MAN deutlich verbesserte Aerodynamik – äußerlich kaum sichtbar sein, so fällt er innen sofort ins Auge. Erstens: die neuen digitalen Armaturen, die sich bei allen Lichtverhältnissen als gestochen scharf und bestens ablesbar erweisen.
Zweitens: das neue Lenkrad mit den übersichtlicher angeordneten Bedientasten für Tempomat, Bordcomputer oder Telefon. Noch mehr werden sich MAN-Lenker/innen über den nun riesigen Verstellbereich des Volants freuen, der problemlos mit dem der Konzernschwester Scania mithalten kann – auch wenn man von einem neuen Lkw-Modell vielleicht eine etwas elegantere Ver- und Entriegelungsmimik erwartet hätte.
Drittens: Endlich ist bei MAN die Zeit des fummeligen rechten Lenkstockhebels abgelaufen! Sein Nachfolger vereint neben Retarder/Motorbremse und manueller Gangwahl nun auch alle anderen Getriebefunktionen und ist trotzdem viel angenehmer zu bedienen.
Viertens: der Dreh-Drück-Steller mit integriertem Touchpad – „Smart-Select-Button“ genannt – rechts neben dem Fahrer, über den sich beispielsweise Navigation oder Audiofunktionen steuern lassen. Unserer Meinung nach verdient er das Prädikat exzellent! Schon nach wenigen Minuten geht die Bedienlogik in Fleisch und Blut über und man findet das Gewünschte schnell und vor allem ohne die Augen lange vom Wesentlichen nehmen zu müssen – der Straße.
Eine weitere Neuheit ist dagegen nicht sichtbar und betrifft die Technik. Mit dem Modellwechsel fanden nämlich auch bei MAN extralange Hinterachsübersetzungen ins Programm. Die 2,31er-Achse des Testfahrzeugs überträgt die Motorkraft bei lediglich 1050 Touren an die Hinterräder – bei Reisetempo 85.
Trotzdem verordnet die Elektronik des Tipmatic-Getriebes, bei dem es sich um die Opticruise-Box der Konzernschwester Scania handelt, an Steigungen zunächst die Parole „Gang halten“. Erst bei 950 Umdrehungen wird zurückgeschaltet, wodurch sich das Drehzahlniveau auf 1150/min erhöht. Das entspricht in etwa 435 PS, die auch bei 40 Tonnen für die Erklimmung der meisten Berge genügen.
Leistungstechnisch stellen die niedrigen Drehzahlen für den 510 PS starken D26-Reihensechszylinder, der seine hohen 2600 Newtonmeter Drehmoment schließlich schon ab 930/min bereitstellt, also kein Problem dar. Was allerdings negativ auffällt, sind die lauten Brummgeräusche und Vibrationen, zu denen das Aggregat unter Volllast neigt und die mitunter sogar bis in den Fahrersitz spürbar sind. Erst jenseits der 1200 Touren wird´s langsam besser – ein Bereich, in dem der einstufig aufgeladene Motor in Kombination mit der langen Achsübersetzung aber nur selten vordringt. Weshalb es in der GM-Kabine vergleichsweise laut zugeht – dem Thema Geräuschdämmung hätten sich die Münchener Ingenieure gerne etwas mehr widmen dürfen.
Dafür nahmen sie sich, bezogen zu den ersten Präsentationsfahrzeugen (siehe TRUCKER 4/2020), noch mal der Kabinenlagerung an. Die Nachschärfung wirkt sich positiv auf das Fahr- und Lenkverhalten des TGX aus. Bemängelten wir bei den ersten Exemplaren des Neuen noch die fehlende Direktheit der Steuerung, zeigt sich die Lenkung des Testfahrzeugs ohne negativen Befund. Vor allem, wenn man die gewöhnungsbedürftige Funktion des aktiv ins Geschehen eingreifenden Spurbindungsassistenten per Tastendruck in der Mittelkonsole abschaltet – was aber natürlich im Hinblick auf die Fahrsicherheit unterbleiben sollte ...