So lange der neue D38-Sechszylinder auf sich warten lässt, ist der D26 mit 480 PS die vorläufige Spitzenmotorisierung im MAN-Programm. Das sollte auch reichen, denn mit stetig steigenden Drehmomenten bei immer niedrigeren Drehzahlen performen aktuell oft 420 PS wie früher 460 Pferdestärken.
Die Sache hat nur einen Haken: Während fast alle Hersteller mit der Umstellung auf Euro 6 ein wenig an der Kraftschraube drehten und ein paar Nm mehr Drehmoment mobilisierten, bleibt MAN auf Euro-5-Niveau. 2300 Nm im Maximum sind nicht eben ein Bestwert. Scania kitzelt aus dem 490er beachtliche 2550 Nm und Mercedes stellt im 1848 mit Top Torque wenigstens 2500 Nm dagegen.
FALSCHE BEVORMUNDUNG: EFFICIENT-LINE MIT MÄSSIGER SCHALTSTRATEGIE
Ganz so schlimm ist es dann beim Fahren doch nicht. Denn im Drehzahlbereich, den der Fahrer meistens nutzt, zeigen sich die Dynamikkurven doch füllig genug. Trotzdem hat der D26-Sechszylinder ein zweites Handicap: In Kombination mit dem Efficient-Line-Paket hängt MAN ihn an ein automatisiertes Getriebe mit Fleet-Einstellung. Will heißen: Der Fahrer kann nicht manuell eingreifen! Und als krönender Abschluss folgt eine mit 2,5 ziemlich lang übersetzte Hinterachse. So geht Sparen heute.
Wer für sich in Anspruch nimmt, ein engagierter und guter Fahrer zu sein, lässt die Finger von der Fleet-Option. So richtig passen will die Strategie des ZF-Getriebes nicht. Gerade in Steigungen irrt der "Automat" des Öfteren. Obwohl der Sechszylinder auch unter 1000 Touren noch kräftig im Futter steht und die Fuhre locker über den Berg bringt, schaltet die Tipmatic in den Elften. Das kostet Geschwindigkeit und letztlich auch Kraftstoff. Glücklicherweise gewährte MAN fürs Testauto eine individuell schaltbare Version. Da kann man Gänge sperren oder auch mal in der Senke zurückschalten und knackige Anstiege mit ordentlich Dampf anfahren. Eventuell würde ja schon helfen, würde man dem ZF-Getriebe einen Neigungssensor spendieren ...
Erstaunt hat uns, wie geschmeidig und vibrationsarm der Sechszylinder auch noch bei 800 Umdrehungen läuft. Selbst mit der 2,5er-Achse bewältigt er die mit 60 km/h befahrene B 300 klaglos. Auch da würde Tipmatic Fleet permanent im Elften fahren. Dabei genügt ein Blick auf den Momentanverbrauch, um zu sehen, dass wenig Touren auch weniger Dieselkonsum bedeuten.
Es geht also erneut die Kritik an die Münchener, die ZF-Getriebe ein wenig besser an die Motoren anzupassen. Denn so wie es aussieht, dauert es noch eine Weile, bis die neue Traxon-Schaltbox der Friedrichshafener Zahnradfabrik einsatzbereit ist. Schade, denn auch in punkto Schaltgeschwindigkeit fällt MAN hinter DAF und Iveco zurück, die mit gleicher Hardware bessere Ergebnisse erzielen.
SCHWIERIG: DIE WEITERENTWICKLUNG DES GETRIEBES SPARTE MAN AUS
Da ist es kaum noch der Rede wert, dass MAN so sinnvolle Extras wie Speed-Shift oder Eco-Roll noch immer nicht im Einsatz hat. Wenigstens passt jetzt die Kupplungssteuerung. Dass man allerdings beim Beschleunigen Kraftstoff spart, indem man Gang für Gang fährt und bei 1300 Touren schaltet, ist schwer vorstellbar ...
Genug der Schelte über einen an sich guten, vor allem aber sehr sparsamen Motor und ein nicht wirklich gut damit harmonierendes Getriebe. Der Münchener hat durchaus eine harmonische Seite. Die Kabinenlagerung ist zwar nicht ganz so straff, wie es sich die meisten Fahrer wünschen. In Kurven neigt sich das XLX-Haus deutlich zur Seite. Angesichts immer schlechter werdender Straßen sei das dem TGX verziehen. Unterm Strich bietet er ein exzellentes und sicheres Fahrwerk mit einer sehr gefühlvollen und direkten Lenkung. Sprach die gewichtsoptimierte Einblatt-Parabelfeder früher stets etwas ruppig an, hat ihr MAN jetzt Manieren anerzogen. Und die hervorragende Hinterachsführung und -federung zu loben, hieße Eulen nach Athen tragen.
Mit Retarder kann auch die Bremsanlage überzeugen. Im letzten Test eines 440ers zeigte sich die Motorbremse klar damit überfordert, den 40-Tonner im Gefälle ordentlich zu halten. Bei der Kombination mit Hydrobremse stört eigentlich nur, dass MAN nach wie vor auf ein festes Intervall des Bremstempomaten setzt. Immerhin kann man den damit verbundenen Tempomat bei Bedarf auch deaktivieren und das Verzögerungstempo bergab über einen leichten Tipp am Bremspedal setzen.
Apropos Bergabfahrt: Da kann's schon mal passieren, dass der Fahrer nicht aufpasst und zu schnell wird. Liebe MAN-Ingenieure: Es soll Hersteller geben, die schaffen es, dass vor dem Eintrag eine Warnmeldung im Display kommt. Ganz zu schweigen von einer Kommunikation Tacho-Auto, die Infos über Lenk- und Ruhezeiten verarbeitet. Auch ein Fahrer-Infosystem, das - wie bei DAF, Iveco, Mercedes oder Scania - Tipps zur Verbesserung zum Fahrstil gibt. Für einen Hersteller, der sich mal die "Technik-Führerschaft" auf die Fahnen geschrieben hatte, keine Glanzleistung.
Immerhin verfügt der Test-Truck über den neuen Notbremsassistenten. Und der funktioniert gut. Ebenso, wie das ESP jetzt viel besser regelt als früher. Abhängig von Schwerpunkt und Gewicht lässt sich jetzt endlich ordentlich durch die Kurve fahren. Auch die Regelqualität des Abstandstempomaten lässt keinen Raum für Kritik. Nur der Spurbindungsassistent könnte ein wenig dezenter unterstützen.
DIE GRENZE ZWISCHEN AUSGEREIFT UND ALTBACKEN IST FLIESSEND
Die Klimatisierung der Kabine passt so weit. Das Fahrgeräusch fällt niedrig aus. Einzig beim Übernachten am Autohof mit Kabine zur Straße würde ein wenig mehr Dämmung nicht schaden. In allen sichtbaren Bereichen ist die Kabine ordentlich verarbeitet. Durch Tests von Gebrauchten wissen wir ferner, dass der TGX dauerhaltbarer ist als der Vorgänger TGA.
Letztlich erweist sich der MAN TGX 18.480 XLX Euro 6 Efficient Line - was für eine sperrige Bezeichnung - als sparsamer, wenn auch nicht besonders flotter Langstrecken-LKW mit hohem Komfortniveau. Mit der Philosophie, nicht immer gleich die neueste Technik einzusetzen, fahren andere Hersteller auch ganz gut - nur, dass man von MAN eigentlich etwas anderes gewöhnt ist. Das neue und hoffentlich bessere Getriebe kommt wohl im Frühjahr 2014. Schön wäre, wenn es ein neues Bedienkonzept dafür gäbe - und am besten auch gleich ein neues Stauraum- und Armaturenkonzept.