Spötter behaupten, Volvo hätte mit der Einzelradaufhängung eine Antwort auf eine Frage gegeben, die niemand gestellt hat. Jetzt kommen die Schweden mit dem ersten Doppelkupplungsgetriebe für Schwer-LKW. Wieder eine solche Antwort - wo man doch anerkanntermaßen schon jetzt eines der besten automatisierten Getriebe herstellt und damit die Latte ziemlich hoch hängt?
Nach dem ersten Fahreindruck auf schwerer spanischer Autobahntopografie muss man sagen "Ja" und "Nein". Nein, weil die neuen Getriebe mit wenigen Abstrichen gut funktionieren, die Schaltzeit noch weiter verkürzen und auch den Komfort erhöhen. Ja, weil sich Volvo die neue Technik mit 5000! Euro Bruttopreis fürstlich bezahlen lässt und die neuen Getriebe 101 Kilo schwerer sind.
Die "Dual Clutch" genannten Schaltboxen sind quasi zwei Getriebe in einem: Getriebe eins schaltet die ungeraden Gänge (1, 3, 5, ...), Getriebe zwei die geraden (..., 8, 10, 12). Jedes der ineinander verschachtelten Räderwerke hat seine eigene Kupplung. Und je nachdem ob beschleunigt oder verzögert wird, wählt die Getriebesoftware den jeweils folgenden Gang bereits vor. Beim Schalten öffnet eine Kupplung, zeitgleich schließt die zweite und der Gang wird in Sekundenbruchteilen gewechselt. Der Fahrer merkt's nur am Drehzahlmesser.
DIE GÄNGE 1 BIS 6 UND 7 BIS 12 LASSEN SICH LASTSCHALTEN
Diese Lastschaltungen bewerkstelligt das neue Getriebe in allen Gängen mit Ausnahme der Range-Schaltung vom sechsten in den siebten Gang. Vor allem die Hochschaltungen funktionieren wirklich ruck-zuck und ohne jegliche Zugkraftunterbrechung.
Bei den Rückschaltungen unter Last am Berg zeigt sich beim ein oder anderen Schaltvorgang ein kurzer Schlupfmoment in der Kupplung. Angeblich bleibt der aber ohne negative Folgen für den Verschleiß. Schön sind die schnellen Rückschaltungen ohne Motormoment im Motorbremsbetrieb. So bleibt auch beim Schalten das Bremsmoment der VEB nahezu nahtlos erhalten. Dass die "Volvo Engine Brake" mit 40 Tonnen auf spanischen Gefällstrecken trotzdem leistungsmäßig überfordert ist, geschenkt ...
Ein wenig ins Schleudern kommt Dual Clutch beim Beschleunigen mit Vollgas. Um Gänge springen zu können, geht das Getriebe von der Lastschaltung in den Normalmodus. Bleibt am Ende die Frage, was wirtschaftlicher ist: Gang für Gang als Lastschaltung oder eben das von I-Shift bekannte Prozedere mit Gangsprüngen?
Weil Dual Clutch generell als Overdrive-Getriebe ausgelegt ist, geht der Spritspar-Bonus der schnellen Schaltungen wieder verloren und die neuen Getriebe bringen keine Ersparnis im Vergleich zu I-Shift. Die Doppelkuppler sollen vor allem bei Flüssigkeitstransporten Vorteile bringen, weil Zugkraftunterbrechungen und damit Schwappen unterbleiben. Dumm nur, dass Tanktransporteure jedes Kilo Nutzlast brauchen. Am Ende bleibt ein vorerst bitteres Fazit: I-Shift hat die Messlatte so hoch gelegt, dass Dual Clutch zu teuer und zu schwer ist, um tatsächlich besser zu sein. Zudem ist es nur für den 13-Liter-Motor verfügbar. Aber vor allem in schweren Anwendungen könnte es so richtig punkten ...