Ein kühler Herbstwind pfeift durch die riesigen Rolltore der Logistikhalle am Neustädter Hafen in Bremen. Fast etwas versteckt, aber da steht sie, eingeklemmt in ein Transportgestell, ohne Tragflächen und Leitwerk, ein bisschen wie bestellt und noch nicht abgeholt: Die gut 80 Jahre alte JU 52 „D-Aqui“ mit dem markanten Aufdruck Berlin-Tempelhof, flankiert von ihren senkrecht aufgebockten und auf eigenen Holzpaletten montierten Tragflächen im junkerstypischen Rillen-Design ohne Triebwerke. Rundherum, ohne erkennbare Ordnung, stehen gut zwei Dutzend Holzkisten mit dem Zubehör, das aus dem Rumpf und den Tragflächen am Bestimmungsort ein stolzes Flugzeug entstehen lässt.
Das A und O: Akribische Transportplanung
Wenn Christoph Killing und sein Team von KTL-Transporte mitsamt Schwerlast-Equipment vom Standort Anröchte am Einsatzort ankommen, ist ein großer Teil der Arbeit schon erledigt: Behördliche Genehmigungen, Anforderung und Ausstattung von BF2- und BF3-Begleitfahrzeugen, Schilddemontage, Sonderfahrgenehmigungen bis hin zur Bemessung und Beschaffung von Ladungssicherungs-Equipment und Zurrmitteln. Das bedeutet unzählige Telefonate, schriftliche Anträge, Dokumentation und Planungsskizzen: Schwertransport ist Schwerstarbeit, und zwar auch am Schreibtisch.
Trotz sorgfältigster Planung merkt man Christoph Killing die Anspannung an, während die erste Tragfläche gerade von einem Ungetüm von Flurförderzeug an den Haken genommen wird. „Wir waren in den letzten 14 Tagen schon zweimal hier, um die Tragflächen und den Rumpf selbst zu vermessen“, sagt der Spediteur mit Leib und Seele, während er drei rote Zurrgurte zum Auflieger bringt. „Bin sehr gespannt, ob alles so passt, wie wir geplant haben“, sagt‘s und steigt auf den Auflieger.
In Zeitlupe senkt sich die linke Tragfläche mit ihren acht Meter Länge und gut 100 Quadratmeter Flügelfläche auf den Auflieger, von drei Seiten manövriert von Christoph Killing selbst, seiner rechten Hand Jürgen Ignee und von einem Logistik-Profi der BLG, der seitens der Bremer Logistiker für die Verladung verantwortlich ist.
Nach ein paar Minuten steht die Tragfläche senkrecht auf der Tieflader-Fläche. Nun beginnt mit dem Verzurren der schwierigste Part des Ladevorgangs. „Wir müssen bei diesem sensiblen Material extrem aufpassen, dass wir ausschließlich an den vorgesehenen Zurrpunkten ansetzen“, kommentiert Christoph Killing, während er an der Stirnseite des Aufliegers einen Zurrgurt fixiert. Jeder Berührungspunkt mit dem Tieflader wird zudem mit Antirutschmatten unterlegt, um die sensible Fracht schonend und dennoch wirksam zu fixieren. Nach gut 90 Minuten ist die Tragfläche transportbereit und Christoph Killing fährt das Gespann vorsichtig ans hintere Hallenende.
Die Kür: Der Silberne Rumpf wird sanft verladen
Nach weiteren 90 Minuten ist Tragfläche zwei transportfertig. Parallel hat inzwischen Winfried Löckener, ebenfalls ein erfahrener KTL-Trucker, damit angefangen, außerhalb der Halle eine riesige Zubehör-Box auf einen Planenauflieger zu bugsieren. Doch als der Stapler seitlich auf die Ladefläche zurollt, wird schnell klar, dass das extra für den Transport gefertigte Holzgestell zu lange Holzstützen aufweist. Schnell werden die Köpfe zusammengesteckt und schon ist klar, wie improvisiert wird. Die Mini-Kettensäge kreischt viermal kurz und schon passt die Ladungsbox wie die Faust aufs Auge. „Schwertransport heißt immer wieder mit Überraschungen zu rechnen“, sagt Winfried, während er die Spriegel am seitlichen Aufbau einschiebt.
Der Auftrag ist kein Job, er ist eine Berufung
Trotz der knapp 20 Meter Länge und des großen Motorblocks an der Flugzeug-Front nimmt der Flurfördergigant auch den Rumpf an den Haken, als sei es ein Spielzeug. Erhaben schwebt die JU durch die Halle und senkt sich gemächlich auf die Ladefläche des bereitgestellten Teleskop-Aufliegers nieder. Eine Art Landung, die so gar nicht zum König der Lüfte passen will. Nach spannenden Minuten, in denen nur Kommandos der Lademannschaft und das sonore Dieseln des Stapler-Ungetüms zu hören sind, liegt der Rumpf auf der Ladefläche – es heißt durchatmen. Was jetzt ansteht, ist filigranste Verzurrtechnik, die Christoph und Jürgen mit einem Experten der Lufthansa-Technik in Angriff nehmen: Ab jetzt wird es über fünf Stunden dauern, bis alle Lasi-Ungewissheiten weggezurrt sind, Begleitfahrzeug zwei mit Containern beladen und Christoph Killing zufrieden ist. „Du bist verrückt“, so lautete die Antwort von Jürgen, als Christoph ihn vor sechs Wochen am Telefon fragte: „Wir sollen ein Flugzeug transportieren, bist du dabei?“, nach diesem erfolgreichen Tag sind die beiden Speditions-Profis sich einig, als sie in ihre Truck-Kabinen klettern, um sich vor dem Konvoi-Start am kommenden Morgen noch ein paar Stunden Schlaf zu gönnen: Dieser Auftrag ist kein Job – das ist echte Erfüllung.
Am kommenden Morgen muss alles schnell gehen: Die Stadt Bremen hat die Bedingung gestellt, dass der Konvoi um sechs Uhr aus dem Hoheitsgebiet der Hansestadt verschwunden sein muss. Als Führungsfahrzeug fungiert der KTL-Werkstatt-Sprinter mit BF2-Ausrüstung, es folgen der Rumpf und die zwei Tragflächen, dazwischen ein BF3-Begleitfahrzeug, dann der Container-Truck sowie der Planenauflieger, das buchstäbliche Schlusslicht macht ebenfalls ein BF-3-Begleitfahrzeug mit greller Warnbeleuchtung. Mit respektvollem Abstand folgt ein Pajero mit kleinem Kühlanhänger. Gute 200 Kilometer sind ab jetzt zu bewältigen. Aber schon nach einer guten halben Stunde steht eine Zwangspause an, denn die Freigabe für die A 1 wurde erst ab neun Uhr erteilt. Jetzt hat Carlos, ebenfalls ein treuer KTL-Transporte-Trucker, seinen wichtigen Auftritt. Im Kühlanhänger an seinem Pajero ist nämlich die Frühstücks-Verpflegung für die insgesamt gut 30 Transportbegleiter verstaut. Flugs wird ein improvisiertes Rastplatz-Büffet aufgebaut und die Transport-Crew wärmt sich bei heißem Kaffee und freut sich über frisch belegte Brötchen.
Reibungsloser Transport auf ganzer Linie
Als sich der Tross um 9 Uhr wieder in Bewegung setzt, haben sich etliche Privat-Pkws hinzugesellt. Natürlich wussten die über 700 Quax-Mitglieder von dem Transport und viele erweisen der JU 52 D-AQUI die Ehre und begleiten den Konvoi bis Paderborn. Kein Regen, kein Wind, kein Stau: „Besser kann es nicht laufen“, freut sich Christoph Killing am Steuer des Rumpfgespanns, als er zum letzten Routine-Check etwa 40 Kilometer vor Paderborn auf der A 33 seinen Truck auf den Rastplatz lenkt. „Wir checken noch einmal die Zurrmittel und dann geht’s zum Endspurt“, sagt er sichtlich erleichtert und flitzt Richtung Auflieger.“ Je weiter sich der Konvoi Paderborn nähert, desto mehr Schaulustige säumen die Strecke. Auf Autobahnbrücken, an Rastplätzen und sogar in der
Luft machen sie dem Star des Tages ihre Aufwartung: Ein Kleinflugzeug fliegt mehrere Runden über dem Konvoi und dreht dann flügelschwenkend ab, als die Autobahnausfahrt zum Flughafen zu sehen ist.
Am Cargo-Tor angekommen wird der Rumpf übers Flugfeld zum Hangar gefahren, standesgemäß begleitet von einem Follow-me-Car. Am Hangar steht ein Schwerlastkran bereit, der den Rumpf sanft anhebt und bedächtig im Hangar absetzt. Die Tragflächen verschwinden vorerst im Wartungshangar des Vereins und warten hier auf die baldige Montage am Rumpf, die der Quax-Verein in den nächsten Wochen mit seiner eigenen Technikmannschaft vornehmen wird. Aber schon ab nächster Woche, so lässt der Quax-Präsident wissen, kann der Rumpf der JU 52 „D-AQUI“ von Besuchern bestaunt werden, ganz so wie die anderen historischen Maschinen, die im Hangar um die ehrwürdige Tante JU platziert sind.
Jetzt heißt es, Zurrmittel verstauen, Trailer zusammenschieben und wieder Abfahrtsbereitschaft herstellen. Die RF3-Fahrzeuge sind längst verschwunden, als Christoph Killing und seine Mannen in ihre Fahrzeuge steigen – es sind noch 40 Kilometer bis Anröchte auf den Heimathof. Diesmal ganz ohne Ladung, aber mit der Gewissheit, dass Christoph Killing und seine Crew einmal mehr gezeigt haben, dass so ziemlich alles möglich ist, wenn man als echtes Team auftritt.