Vier Uhr dreißig. Dieter Gille steht in der Küche seiner Drei-Zimmer-Wohnung in Ölbronn-Dürrn, einer knapp 3500 Einwohner zählenden Gemeinde in Baden-Württemberg. Ehefrau Doris ist mit ihm aufgestanden und hat Kaffee gekocht – das einzige Vesper, das er zu dieser Uhrzeit herunterbekommt. Noch einen letzten Schluck, mit Milch und ohne Zucker, dann zieht der 63-Jährige seine Arbeitsjacke über und verlässt die Wohnung. Es regnet. Den Roller, den er vor Kurzem von einem Kollegen zum Geburtstag geschenkt bekommen hat, lässt er stehen. Stattdessen geht es mit dem privaten Pkw, einem Citroën, ins rund zehn Kilometer entfernte Mühlacker.
Als Kind durfte „Opa Didi“ im Bus Seines Vaters mitfahren
Dieter ist Berufskraftfahrer. Und das seit mittlerweile 43 Jahren – für ein und dasselbe Unternehmen: Albert Craiss. „Genauso lange, wie ich verheiratet bin“, lacht er. Ein Faible für große Fahrzeuge hatte er bereits als Kind. „Mein Vater war Omnibus-Fahrer bei der Post, da bin ich ab und zu mitgefahren“, erzählt er. „Lkw-Fahren war und ist immer noch mein Traumberuf.“ Was ihm daran so gut gefällt? „Dass man alleine ist. Dass man seine Ruhe hat und einfach seinen Job macht.“ Auf dem Hof von Craiss wartet seine weiß-rote Zugmaschine: ein nigelnagelneuer Mercedes Benz Actros R2546. Hinter der Windschutzscheibe klebt das obligatorische Namensschild in Kennzeichen-Form, das verrät, wer den 40-Tonner lenkt: „Opa Didi“, wie man ihn in der Firma liebevoll nennt.
„Als ich einmal in die Schweiz musste, da ist mir die Flatter gegangen. Da krieg’ ich den Horror“, gesteht er. Auch während des Urlaubs bleibt „Opa Didi“ lieber in nationalen Gefilden. Am liebsten verreist er mit seiner Frau an die Nordsee. „Das letzte Mal waren wir an der Mosel, aber an die Nordsee – Sankt Peter Ording und so – kommt nichts heran“, schwärmt der Baden-Württemberger und schnalzt dabei mit der Zunge. Dass er als Berufskraftfahrer oftmals den Unmut anderer Verkehrsteilnehmer auf sich zieht, lässt ihn kalt. Verständnis hat er dafür nicht. „Unser Beruf ist sehr wichtig. Sonst kriegen die Leute nichts zu essen und nichts zu trinken“, erklärt er nüchtern. Noch ein bis zwei Jahre, dann will auch Dieter in den Ruhestand treten. Und dann? „Sobald ich in Rente gehe, werde ich mir einen Hund aus dem Tierheim holen. Dann hat man einen Grund rauszugehen, sonst hockt man bloß daheim rum“, sieht er sich mit seinem zukünftigen Vierbeiner schon spazieren gehen.
Ruhe im Fahrerhaus und bei der Arbeit sind ihm wichtig
Dieter läuft um den Lkw und hält Ausschau nach Schäden. 13 Abladestellen hat er heute vor sich, bevor er voraussichtlich gegen vier Uhr nachmittags Feierabend machen kann. „Kommt immer drauf an, wie geschwind man gefahren ist und ob ich im Lager noch etwas helfen muss“, erläutert er und klettert hinauf in die Fahrerkabine. Sitz einstellen, Fahrerkarte einlegen – jeder Handgriff sitzt wie im Schlaf. Die Scheibenwischer quietschen über die nasse Windschutzscheibe, im Hintergrund läuft leise SWR 4. Ansonsten ist es ruhig im Fahrerhaus – genau wie „Opa Didi“ es mag.