Viele Firmen kaufen ihre Lastzüge "von der Stange", Zugmaschine, Auflieger, fertig ist die Kombi. Doch es gibt noch Oasen des Fahrzeugbaus, wo man maßgeschneiderte Lösungen verwendet, um besondere Transportbedürfnisse der Kunden zu erfüllen. So präsentiert sich die blaugelbe Flotte aus dem Kanton Bern ungefähr so multifunktional wie ein gutes Schweizer Armeemesser.
Martin Wittwer hat das Unternehmen als Selbstfahrer Anfang 1988 gegründet, mit einem Scania 112 Langholzzug, damals landesweit noch gesetzlich limitiert auf 28 Tonnen Gesamtgewicht. Mittlerweile stehen 30 Lastwagen bereit, 22 davon sind tagtäglich im Einsatz. Die Arbeitsschwerpunkte liegen im Rundholz- und Langmaterialtransport, bei Kranarbeiten, Container-Raummodulen, Baustellenumzügen sowie Baumaschinen- und Schwertransporten.
Der Transporteur entwickelt selbst Fahrzeugkonzepte, die sich möglichst flexibel für unterschiedliche Aufgaben eignen. Die verwirklicht er meist mit seinem Fahrzeugbauer Wüst aus Eggiwil, wo seine technischen "Fantasien" umgesetzt werden. Damit kann er dann seine Aufträge mit kluger Technik wirtschaftlich leisten oder Jobs erledigen, die andere mit ihren Fahrzeugen nicht leisten könnten.
FRÜH MORGENS IM HOLZ
Früh am Morgen treffe ich Hanspeter Abplanalp aus Blumenstein, der eines der neuen Pferde im Stall fährt. Es ist ein schwerer R 730 als Langholzschlepper mit zwei angetriebenen Achsen. Am Rahmen sind robuste Stahlkästen für das Zubehör montiert. Sein Chef ist neuerdings ein Freund von automatisierten Getrieben. Hanspeter gewöhnt sich gerade an das Fahren "mit ohne" Kupplungspedal.
Nördlich von Bern geht es in einen Wald mit engen Wegen, hier machen das flache Dach und die Schutzbügel Sinn. Feines Holz, nur beste Ware für einen Fensterbauer, wartet auf seine Verladung. Hanspeter setzt mit routiniertem Kraneinsatz den Nachläufer ab und verschiebt ihn mit dem ersten Stamm als Hebel ein Stück nach hinten.
Oft arbeitet er mit weit größeren Längen, aber wegen der massigen Stämme bleibt der Nachläufer diesmal nah dran an der Zugmaschine. Hub für Hub landet die Fracht zwischen den Rungen, es bedarf einigen Sachverstands, um die richtigen Stämme zu laden und ihr Gewicht nach Gefühl und Erfahrung zu erfassen.
Nachdem die Stämme unter vollem Körpereinsatz des kräftigen Fahrers verzurrt sind, geht es wieder aus dem Wald hinaus. Langholzfahrer steuern den Nachläufer auf engen Spuren mit einem zusätzlichen Hebel im Hydraulikbetrieb - auch das eine Fähigkeit, die viel Erfahrung braucht. Dann gehen wir Kaffeetrinken und Kipfeli essen, "Z'nüni", die frühe Pause, ist Hanspeter im Gegensatz zum Mittagessen einfach unersetzlich.
DURCH STADT UND LAND
Rudi Gutknecht aus Mühleturnen ist einer der jüngeren Kollegen, er fährt einen zweiachsgetriebenen R 480, vom Fahrzeugbau ebenfalls ein Langholzschlepper. Allerdings geht es heute nicht in den Wald, sondern auf eine Großbaustelle in der Berner Innenstadt. Ein großes Verwaltungshochhaus nähert sich dort seiner Fertigstellung.
Mit einem hydraulischen Zusatzgerät rüttelt ein schwerer Autokran per maschinell erzeugter Vibration schwere Stahlspundwände ziehend aus dem Erdreich. Rudi greift die tonnenschweren Teile von einem zwischengelagerten Stapel mit seinem Kran und legt sie zwischen den Rungen der Zugmaschine und des Nachläufers ab. Die Stahlteile mit der Holzzange so exakt zu packen, ist schwierig. Nicht jeder kann das so gut wie der junge Wittwer-Chauffeur.
Hier ist der Achsabstand beträchtlich und bei der Überlänge ist das Nachlenken noch schwieriger. Zumal dann, wenn man sie durch den großstädtischen Verkehr erst wieder in Richtung Autobahn manövrieren muss. Dafür geht dann das Rückwärtsfahren oft leichter von der Hand als bei einem Standardsattel, weil sich die hinteren Achsen hydraulisch in die Wunschrichtung lenken lassen.
FIT FÜR BAUMASCHINEN
Ein feines Arbeitsgerät bedient der junge Fabian Meyes aus Weissenburg. Er lenkt einen R 730 als Schwerlastschlepper mit zwei angetriebenen Achsen, dahinter hängt ein um knapp sieben Meter teleskopierbarer Tiefladersattel von Noteboom. Der bescheidene und zurückhaltende Landmaschinenmechaniker fährt noch nicht lange, hat sich aber schnell auf sein Spezialeinsatzgebiet eingestellt.
Das ist überwiegend der Transport schwerer Maschinen. Sein sechsachsiger Lastzug hat eine Sonderzulassung für bis zu 78 Tonnen Gesamtzuggewicht. Am Tag unseres Besuchs wartet ein rund 36 Tonnen schwerer Brecher, der mit seinem ferngesteuerten Raupenfahrwerk eine selbstfahrende Arbeitsmaschine ist. Von einem Tal in den Bergen südlich von Luzern ist er in einen deutlich tiefer gelegenen Steinbruch zu verfrachten. Mit ausziehbaren Verbreiterungen und Gummimatten zum Schutz der Ladefläche wird die Verladung vorbereitet, dann rasselt die schwere Maschine auf ihren Ketten die Rampen des Tiefladers hinauf. In den Serpentinen bergab neigt sich der Transport wegen des hohen Schwerpunkts stark zur Kurvenmitte. Doch Fabian hat die Last mit schweren Ketten sicher verzurrt und bringt die Ladung mit Gelassenheit und langsamer Fahrt sicher zu Tal. Mit seinem gediegenen Lastzug bereitet ihm das Arbeiten sichtlich große Freude.
KEIN WEG ZU SCHWER
Ein Mann für die schwierigen Fälle, besonders dann, wenn es darum geht, dorthin zu gelangen, wo andere längst stecken bleiben, ist Roland von Allmen aus Gurzelen. Er lenkt einen hochbeinigen Allrader, in der Scania-Typologie das Modell R 480 CA4X4HHA. Auch der Auflieger ist ein von Wittwer und Wüst gemeinsam auf die Räder gestelltes Spezialfahrzeug.
Der Dreiachser ist im Normalzustand nur acht Meter lang, lässt sich aber um vier Meter in die Länge ziehen. Die hintere Achse besitzt eine Hydrauliklenkung, die vordere lässt sich selbst unter Volllast kurz liften, um der Zugmaschine mehr Bodendruck für die Traktionsarbeit zu verschaffen. Roland ist ein kräftiger Kerl, der entschlossen zupackt, wenn es gilt, die schweren Ketten über die Räder zu ziehen.
Aber auch beim Befahren schwieriger Wege oder verschneiter Ladestellen zeigt er die notwendige Entschlossenheit, um den Holzzug zügig über rutschige Böden zu treiben. Die angesagte Ladestelle lässt sich mangels einer Wendestelle nur mit zwei Kilometern Bergfahrt rückwärts erreichen, dank der Steuerbarkeit der letzten Achse aber letztlich eine leichtgängige Aufgabe. Dafür wartet oben noch der letzte Aprilschnee auf uns.
Hub für Hub schwenkt der Fahrer die Stämme zwischen die Rungen. Die letzten muss er sich mit der Kette heranziehen, weil die Bauern sie mit ihren Traktoren so abgelegt haben, dass man vom Weg her mit dem Kran nicht herankommt. Aber auch das sieht Roland eher als Frühsport, bald hat er die Stämme sicher zu Tal und ins Sägewerk gebracht.
GAR NICHT VERHOBEN
Nicht die Holzkräne, sondern die faltbaren Schwerlastheber sind die Spezialität von Simon Wüthrich aus Wattenwil. Sein Vierachser ist ein besonderer LKW, ein R 470 8x4 mit einem Fassi-Kran Typ F800XP. Der hebt nahe seiner Hochachse neben dem Lastwagen weit über 20 Tonnen, mit aufgesetzter Kranspitze in 28 Meter Entfernung noch immer über 900 Kilo.Der Truck lässt sich als Sattelschlepper oder Motorwagen mit Pritsche einsetzen, die Sattelkupplung ist abnehmbar. Am Tag unseres Besuchs muss Simon auch Holz holen, eher eine seiner selteneren Aufgaben. Nach dem Fällen einer alten Eiche sind zwei wertvolle Stücke zum Sägewerk zu bringen, eines davon über fünf Tonnen schwer.
Häufiger sind für ihn Einsätze für Handwerker wie das Errichten einer Dachkonstruktion oder das Aufstellen von Fertigelementen. Oft hat er Containermodule am Haken. Aber auch der Rumpf eines zerlegten Düsenflugzeugs und Zubehör, ein Vermögen wert, werden Simon als Fachmann für heikle Kranaufgaben anvertraut.
KLEINES VIER MAL FÜNF
Zweifellos das neue Flaggschiff im Fuhrpark ist der Schwerlastschlepper mit 730 Rössern. Wir hatten das große Vergnügen, diese Maschine bei ihren ersten beiden Lastfahrten fotografieren zu dürfen, einmal mit fünf, einmal mit vier Achsen. Um ein Fahrzeug mit dieser ungewöhnliche Wandelbarkeit zu bekommen, kaufte Martin Wittwer einen Scania-Dreiachser aus Södertälje mit 3,3 Meter Radstand und dem Getriebe mit Kupplungspedal.
Den sollte der dänische Fahrzeugbauer "oa" aus Karlslunde mit dem Konzept der "Modulaksel" zum extremen Schwerlastschlepper umbauen. Dazu wird eine zweite Lenkachse hinter die erste gebaut, zusätzlich bekommt der Schlepper bei diesem Patent eine mit Bolzen montierbare Nachlaufachse hinter die beiden Antriebsachsen. Damit sind Gesamtgewichte bis zu 150 Tonnen machbar. Martin Wittwer bestellte das Fahrzeug zudem mit abnehmbarer Sattelkupplung, mit einer Pritsche kann er es dann als Solofahrzeug mit 40 Tonnen Gesamtgewicht fahren.
Leider entwickelte sich die Entstehungsgeschichte des Fahrzeugs zu einem mittelschweren Drama, bei dem so ziemlich alles schiefging, was schiefgehen kann. Unvermögen, Pech und Pannen führten zu schier endlosen Verzögerungen, und selbst als der TRUCKER schon auf dem Weg nach Wattenwil war, stellte sich beim ersten Probelauf heraus, dass der dänische Fahrzeugbauer ein Zahnrad im Nebenantrieb beim Zusammenbau vergessen und ein Druckbegrenzungsventil verkehrt herum eingebaut hatte.
Respekt für den Humor, mit dem Martin Wittwer das ertragen hat. Jetzt sind diese Probleme Vergangenheit. Nach der Auslieferung der kleineren Ramme auf einer Baustelle im Tessin bekam er dort ein schweres Bohrgerät für Deutschland geladen, mit dem er auf ein Gesamtzuggewicht von 105 Tonnen kommt. Diese Bewährungsprobe bestand der schwere Schlepper mit Leichtigkeit und zog die Fuhre locker über die Berge bis nach Augsburg. Jetzt wartet das Prachtstück endlich auf neue Herausforderungen und Einsätze. Und wenn Martin Wittwer gerade keine Schwerlasten bewegt, greift er sich gern den prächtigen Haubenwagen, um damit Langholz zum Sägewerk zu schleppen ...