Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL)hat angekündigt, dass sich das Transportgewerbe eine Woche lang an bundesweiten Protestaktionen beteiligen werde. Rechtsanwalt Sven Goltz, Geschäftsführer der Energiekanzlei Goldenstein, beantwortet nachfolgend die wichtigsten rechtlichen Fragen, die sich Arbeitgeber und -nehmer aus der Transportbranche aktuell aufgrund der Proteste stellen.
Dürfen Kunden ihre Verträge mit Transportunternehmen aufgrund der Teilnahme an der Protestwoche kündigen?
Nein. Nur weil sich ein Unternehmen an der aktuellen Aktionswoche beteiligt, darf ein bestehender Vertrag mit dieser Firma nicht gekündigt werden. Anders sieht es aus, wenn durch die Teilnahme an der Aktionswoche vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden und beispielsweise vereinbarte Lieferungen ausbleiben. Dann besteht kein rechtlicher Schutz. In dem Fall sind Zahlungskürzungen, Vertragsstrafen, Schadensersatzforderungen und sogar außerordentliche Kündigungen von bestehenden Belieferungsverträgen möglich. Insofern ist es sinnvoll, den jeweiligen Kunden frühzeitig darüber zu informieren, wenn zugesagte Leistungen nicht erbracht werden können. Denkbar ist in diesem Zusammenhang, schriftlich zu fixieren, dass sich mögliche Einschränkungen aufgrund der Protestwoche nicht auf Vertragsgegenstände auswirken.
Wie ist die Rechtslage, wenn Transportunternehmen ihre Ware aufgrund von Staus oder anderen Einschränkungen während der Protestwoche nicht rechtzeitig liefern können?
Grundsätzlich müssen sich Transportunternehmen auf Einschränkungen aufgrund der aktuellen Aktionswoche einstellen, da diese Proteste frühzeitig angekündigt wurden. Sollte es dennoch zu Verspätungen kommen, weil beispielsweise auch Ausweichrouten überlastet sind, besteht allerdings nur ein geringes Verschulden, weshalb im Normalfall keine rechtlichen Konsequenzen, wie Vertragsstrafen, Schadenersatz und ähnliches drohen. Allerdings kommt es diesbezüglich auch auf individuell vereinbarte Klauseln aus den jeweiligen Belieferungsverträgen an.
Dürfen Arbeitnehmer aufgrund der Aktionswoche verweigern, zur Arbeit zu kommen?
Streiks sind in Deutschland nur in Tarifverhandlungen und auch nur bei Streikaufrufen von Gewerkschaften zulässig. Sogenannte Generalstreiks zur Durchsetzung politischer Forderungen unterliegen demnach keinem arbeitsrechtlichen Schutz und sind sogar verboten. Insofern dürfen sich Arbeitnehmer nicht während ihrer Arbeitszeit an Protestaktionen beteiligen, sofern dies nicht vorher eindeutig durch den Arbeitgeber erlaubt wurde. Ansonsten hat der jeweilige Arbeitgeber die Möglichkeit, den betroffenen Mitarbeiter abzumahnen, Lohnkürzungen zu veranlassen oder sogar eine fristlose Kündigung auszusprechen. Anders sieht es aus, wenn Arbeitnehmer während seiner Freizeit an den Protesten teilnimmt. Dann drohen keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen - unabhängig davon, ob der Arbeitgeber mit den Zielen des Protests einverstanden ist.
Welche Rechte bestehen, wenn Arbeitnehmer wegen der Proteste zu spät zur Arbeit erscheinen?
Grundsätzlich trägt der Arbeitnehmer das sogenannte Wegerisko und muss sich auf mögliche Blockaden aufgrund der Protestwoche einstellen. Schließlich wurden die Proteste frühzeitig angekündigt. So ist beispielsweise denkbar, früher als sonst zur Arbeit zu fahren oder auf andere Verkehrsmittel auszuweichen. Ansonsten drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen wie zum Beispiel eine Lohnkürzung. Das gilt allerdings nicht grenzenlos, sodass Arbeitnehmer nur Zumutbares unternehmen müssen. So wäre es beispielsweise nicht mehr zumutbar, für einen einstündigen Arbeitsweg sechs Stunden früher loszufahren.
Können Schadensersatzansprüche gegenüber streikenden Organisationen geltend gemacht werden, wenn der eigene Betrieb dadurch beeinträchtigt wird?
Wenn der eigene Betrieb durch die Proteste eingeschränkt wird oder sogar zum Stillstand kommt, ist die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber streikenden Unternehmen oder Verbänden kaum bis gar nicht erfolgsversprechend. Das liegt daran, dass angemeldete Kundgebungen vom Demonstrationsrecht gedeckt sind. Zwar könnten in der Theorie bei unangekündigten Blockaden durchaus Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Allerdings gibt es in der Praxis auch in diesem Zusammenhang extrem hohe rechtliche Hürden, die hierfür überwunden werden müssen.