Lyon. Unter Kollegen hatte Renault Trucks bisher ein durchwachsenes Image: Den starken R-Turbos der frühen achtziger Jahre folgten der bärenstarke, anfangs mit Mack-Maschinen getriebene Magnum mit getrennter Antriebs- und Kabineneinheit. 1996-97 folgte dann der kreuzbrave Premium, der für den europäischen Fernverkehr etwas zu kompakt und vernünftig war, dafür aber bei den gewichtssensiblen Unternehmern viele Freunde gewann.
Die Abgasnorm Euro 6 nutzen die Franzosen jetzt, um sich mit einem neuem LKW-Programm komplett neu aufzustellen. Als aktuell einziger Hersteller erneuert Renault Trucks die LKW-Palette mit der Umstellung auf die Euro-6-Norm so umfangreich wie der Daimler-Konzern: Sprich neue Motoren, neue Elektronik und eine neue Kabine. 2 Milliarden Euro hat sich Mutter Volvo die „Töchter“ kosten lassen, die auch qualitativ nichts anbrennen lassen sollen: Seit 2008 hat Renault Trucks rund 300 Vorserienfahrzeuge aufgebaut , die zehn Millionen Kilometer bei Qualitätsprüfungen und fünf Millionen Teststunden an Prüfständen zurücklegten. Das Temperaturspektrum reichte dabei von minus 40 Grad Celsius bis plus 60 Grad Celsius. Außerdem holte man zur Entwicklung fünfzig internationale Kunden ins Boot. konzipiert und entwickelt.
Die Namen weichen Großbuchstaben
Im Segment der Fernverkehrs-LKW fasst Renault Trucks die Baureihen Premium und Magnum künftig unter dem Buchstaben „T“ zusammen. Diese Reihe wird in mehreren Kabinenvarianten erhältlich sein. Damit möchte Renault Trucks „ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Kraftstoffeinsparungen und Komfort an Bord schaffen“. Dank seiner Gestaltung und der um zwölf Grad geneigten Frontscheibe, der den Aerodynamikkoeffizienten (Cx) um bis zu 21 Prozent verbessern soll, sowie des neuen Antriebsstrangs soll die T-Serie Euro-6-Norm gegenüber der vorigen Generation um bis zu fünf Prozent sparsamer werden.
Der Motortunnel wurde in den kleineren Versionen auf 200 Millimeter abgesenkt. Darüber rangiert die große Fernverkehrskabine, die wieder einen ebenen Fahrerhausboden aufweist. Der Fahrer dürfte sich über Recaro-Sitze und das ergonomisch günstige Armaturenbrett mit großem Sieben-Zoll-Display freuen. Die Baureihe für den Fernverkehr bietet außerdem ein von innen und außen zugängliches Staufach und einen üppigen Türöffnungswinkel von 85 Grad. Dazu kommen Fahrassistenzsysteme, ein Kurvenlicht, ein dreidimensional verstellbares Lenkrad und eine elektrische Feststellbremse, die automatisch bei Abstellen des Motors aktiviert wird. Deren Wippschalter haben die Gestalter zentral und gut erreichbar oben mittig auf der Amaturentafel platziertAußerdem sitzt auf dem Armaturenbrett über eine 24/7-Pannenhilfetaste. Mit der kann man die Übertragung der technischen Fahrzeugdaten und die Geolokalisierung auslösen. So soll wird die Reaktion eines der 1.600 Vertriebs- und Servicepartner von Renault Trucks weltweit sichergestellt werden. Außerdem besitzt die Baureihe für den Fernverkehr eine Vorrüstung für den Einbau von „Optifleet“, der Renault Trucks Software zur Flottenverwaltung. Durch die Kombination der Software „Optifuel Infomax“ zur Analyse und Verfolgung des Verbrauchs mit dem hauseigenen Fahrertraining für wirtschaftliche Fahrweise sollen so auf Flottenebene bis zu 15 Prozent Einsparpotenzial ermöglicht werden.
Motorisch treiben die T-Modelle die Euro-6-Motoren DTI 11 und DTI 13 an, wobei das automatisierte Optidriver-Getriebe in dem Fall Serienstand wird. Dabei überarbeiteten die Franzosen die Software und das Schaltmanagement. Ebenfalls neu ist das Luftaufbereitungssystem, Electronic Air Control Unit (EACU), genannt, eine verbrauchsoptimierten Lenkhilfepumpe mit variablem Durchsatz und ein Dieseltank mit bis zu 1475 Litern Kapazität. Um die Wartung zu vereinfachen, wurden die elektrischen und pneumatischen respektive hydraulischen Kabelstränge am Fahrgestell getrennt verlegt: rechts die Stromkabel, links die Übrigen.
Auch Kerax und Premium Lander werden ersetzt
Die „Bauarbeiter“ Kerax und Premium Lander hören künftig auf die Buchstaben K und C. Beide sind mit schmaler und breiter Kabine lieferbar. Dabei soll die K-Reihe neue Maßstäbe in Sachen Robustheit und Geländetauglichkeit setzen und den besten Lenkeinschlagwinkel des Marktes bieten.
Neben dem seitlichen Bauauftritt sollen verstärkte Schutzvorrichtungen für exponierte Teile und die Ganzstahl-Stoßstange sorgen, die sowohl für die Baureihe K als auch für die Baureihe C von Renault Trucks angeboten wird. Optional wird für die Baureihe C auch wieder der hydraulische Radnabenantrieb der Vorderachse, OptiTrack genannt, verfügbar sein. Die Baureihe K hingegen statten die Franzosen weiterhin mit „bewährtem Allradantrieb“ aus.
Mit einem optimierten Leergewicht weist die Baureihe C eine außergewöhnliche Nutzlast auf, die bis zu 22,8 Tonnen betragen kann. Die Baureihe K bietet ein zulässiges Gesamtgewicht (zGG) von 50 Tonnen und ein zulässiges Gesamtzuggewicht (zGZG) von bis zu 120 Tonnen. Die Fahrzeuge weisen außerdem zahlreiche Vorrüstungen auf, die Aufbauvorgänge vereinfachen und um 20 % beschleunigen sollen.
Neues, leichtes Einstiegsmodell mit Maxity-Komponenten
Die Verteilerfahrzeuge fasst Renault Trucks künftig unter dem Buchstaben „D“ zusammen. Dabei bietet Renault Trucks eine einzige Reihe mit drei Modellen an, die über Zusatznamen gegliedert sind: Der D, der analog dem Mercedes Atego die geliftete Kabine desbisherigen Midlum nutzt, reicht von zehn bis 18 Tonnen. Darüber rangiert der „D Wide“ der von 16 bis 26 Tonnen reicht. Beim „D Access“ handelt es sich um ein Modell mit Niederrahmen-Fahrerhaus, das von 18 bis 26 Tonnen reicht. Die leichten Midlum- und einstigen Mascott-Modelle ersetzt man künftig mit einem Frontlenker, der von 3,5 bis 7,5 Tonnen reicht. Dieses Auto dürfte auch den Nisan Atleon ersetzen und nutzt Seitenteile und Armaturentafel des Renault Maxity respektive Nissan Cabstar. Ein höheres Dach und ein breiteres Mittelteil soll für deutlich üppigere Platzverhältnisse im Inneren sorgen.
Die bei den D-Modellen eingesetzten neuen DTI 5- und DTI 8-Motoren basieren auf den bekannten Aggregaten. Sie erfüllen die Euro-6-Norm und sollen mit erhöhter Leistung und Zuverlässigkeit punkten. Schon ab 900 Touren soll das maximale Drehmoment zur Verfügung stehen. Die starken 4-Zylinder-Versionen sollen bei weniger Gewicht an die Leistungen der kleinen Sechszylinder heranreichen. Auch hier führt Renault Trucks serienmäßig die automatisierten Getriebe ein. Außerdem achtete man darauf, Kosten zu sparen und die Wartung zu erleichtern. Deshalb hat man beispielsweise den Stoßfänger dreiteilig ausgelegt. Ab Werk sollen von der D-Reihe über hundert Fahrzeugvarianten angeboten werden, deren Vorrüstungen die Arbeit der Aufbauhersteller erleichtern. Vom Eingang der Bestellung an erhalten die Aufbauhersteller über ein spezielles Webportal Zugriff auf sämtliche Fahrzeugpläne. Auch hier soll der Zeitaufwand beim Aufbau um 20 % sinken.
Die vertriebliche Neuorganisation soll die geografische Abdeckung stärken. Dabei soll die Zahl der Händler und Werkstätten auf bestimmten Märkten um 30 bis 40 Prozent erhöht werden. Mit der neuen Produktpalette plant Renault Trucks, neue Kunden zu gewinnen und den Marktanteil zu erhöhen. Und in Sachen Image könnte man an alte Berliet-Zeiten anknüpfen.