Volvos Xpress-Reihe tut uns weh", stellt ein Verkäufer eines deutschen Wettbewerbers leicht frustriert fest - umso mehr, da man selbst ein ähnliches Schnellverkaufskonzept anbietet.
Bei den "Xpress"-Modellen handelt es sich um fest vorkonfigurierte Fahrzeuge fürs Baugewerbe, die Volvo nach Bestellung innerhalb von sieben Tagen liefert. Wer einen Kippsattelzug für gemischte Einsätze mit Schwerpunkt auf Streckenverkehren braucht, erhält in dem Fall einen FH 460 mit langer niedriger Kabine, Hypoidachse, VEB+-Motorbremse sowie I-Shift mit Baupaket. Der zieht dann einen 24-Kubik-Schmitz SKI 24 SL 06 7.2 mit manueller Rollplane.
Im Vergleich zum kernigen FMX fährt sich der FH fast wie eine Sänfte und bietet mit der großen Lichtkuppel im Dach Raum wie ein Ferienapartment. Mit 7970 Kilogramm (inklusive Fahrer und vollen Tanks) bleibt der Schwede haarscharf unter der Acht-Tonnen-Marke. Der Sattel kommt in der X-Press-Ausstattung mit Plane und Laufsteg auf 6750 Kilogramm, womit sich weder der FH noch sein Gothaer Anhängsel als besondere Leichtgewichte hervortun. Dafür erhält man solide Großserientechnik mit Fernverkehrsflair: Im Gegensatz zum deutlich rustikaleren FMX bleibt der FH akustisch sehr zurückhaltend und federt viel kommoder, wenngleich das vor allem beladen etwas Fahrpräzision kostet: Wo eingefleischte FMX-Treiber immer sofort den Bodenund Straßenzustand erfühlen können, "bügelt" der FH einiges weg.
I-SHIFT SETZT VOLL AUF DAS ÜPPIGE DREHMOMENT
Der einzige Wermutstropfen ist dabei die eher lustlos federnde Vorderachse, die grobe Schlaglöcher vergleichsweise unmotiviert ausfedert und empfindlich auf zu hohe Luftdrücke an den vorderen Reifen reagiert: Wer zu viel aufpumpt, wird mit harten Schlägen seitens der Vorderachse bestraft - immerhin dringen diese nicht mehr bis ins Lenkrad durch: Die Steuerung bleibt davon gänzlich unbeeindruckt.
Dass der FH eher auf Strecken- als auf Baustellenverkehre ausgelegt ist, merkt man ihm auch bei der mit 3,1 übersetzten Hypoidachse an. Hier musste Volvo einen Kompromiss aus Fern- und Baustellenverkehr eingehen. Auf der vergleichsweise anspruchsvollen Teststrecke waren mehr Schaltungen und manuelle Eingriffe nötig als beim AP-beachsten und kürzer übersetzten FMX, der kürzlich die TRUCKER-Testrunde befuhr.
Ansonsten verlässt sich I-Shift auch beim FH lange auf die 2300 Newtonmeter Drehmoment, die bereits ab 900 Touren bereitstehen. Dabei ist das Getriebe so abgestimmt, dass es den grünen Bereich stets maximal ausschöpft, bevor eine Volvo-typisch schnelle Schaltung kommt. Entsprechend rollt der Zug meist exakt zwischen 1450 und 1000 Touren. An steilen Stichen sollte der Fahrer bereits vorher zurückschalten und "sperren", denn I-Shift kann nicht vorausschauen und lässt das Auto aufgrund der verbrauchsoptimierten Abstimmung (zu) lange ziehen.
I-Roll ist für die Siebentages-LKW bis auf weiteres nicht vorgesehen, würde die Kombination aber vor allem beladen sicher lange rollen lassen. Beim Rangieren bleibt der FH-Zug im ersten und im Rückwärtsgang deutlich unter der 10-km/h-Marke, was einem die Kupplung dankt und dem Chauffeur ein einigermaßen feinfühliges Arbeiten in engen Gruben oder Baustellen möglich macht.
Ein weiterer Vorteil von I-Shift ist die hohe Schaltgeschwindigkeit unter Last, wobei die Fahrstufen blitzschnell gewechselt werden. Dagegen gönnt sich der schwedische Schaltroboter beim sanftem Beschleunigen oft große Schaltsprünge mit kleinen Verschnaufpausen, die ihn dann ganz nah an die untere Drehmomentgrenze heranführen, aus der er sich dezent brummelnd wieder herausarbeitet. Anschließend gibt er wieder ganz den souveränen Fernverkehrsgleiter.
Souverän verzögert die Volvo Engine-Brake Plus (VEB+), die sich per Knopf voll oder per Hebel in Stufen zuschalten lässt. Damit lässt sich die Dauerbremse wunderbar dosieren. Aber Achtung: Steigen Geschwindigkeit und Drehzahl bergab zu weit an, stuft I-Shift hoch, was den Zug "davonrennen" lässt! Grund dafür ist, dass Volvo den Bordcomputer so programmiert hat, dass er ab einer bestimmten Geschwindigkeitszunahme wieder den optimalen Drehzahlbereich aufsuchen soll - und entsprechend hochschaltet.
MANUELL ÖLSTAND CHECKEN IST OHNE KIPPEN MÖGLICH
Die Drehzahlen zeigt der FH über den zentralen, innerhalb des Tachos liegenden Drehzahlmesser an, links daneben liegen wie gehabt die digitalen Anzeigen für die Füllstände von Diesel, Adblue und Temperatur, während man sich auf das rechte Display Fahrdaten zum Fahrzeug und seiner Fahrzeit holen kann. Löblich ist die manuelle Ölstandskontrolle samt Nachfüllstutzen unter der Frontklappe. Da sie beim Kippen geöffnet sein muss, packte Volvo das "Kippbesteck" ans fahrerseitige Eck. Das Kippen selbst dauert bei der FH-Kabine übrigens deutlich länger als bei der kompakten FMX-Hütte. Den gibt's übrigens auch als Xpress-Modell: Schnell gekippt, schnell geliefert, schnell den Wettbewerb geärgert ...