Fastfood statt Mehrgänge-Menü lautet die Devise im Verteilerverkehr: Im Segment von 7,5 bis 18 Tonnen geht es um Nutzlast und günstigste Preise, weniger um Emotionen. Dementsprechend änderten die Platzhirsche Atego, TGL und Eurocargo ihre Speisekarten mit Euro 6 nur geringfügig, obwohl teils komplett neue Aggregate unter die gelifteten Kabinen zogen. Ähnlich verfuhr Volvo beim FL, der sich sehr viele Komponenten mit dem ebenfalls aufgefrischten Renault D teilt.
Das ist kein Fehler, denn die Franzosen verstehen etwas von gutem Essen - und leichten Verteilern. Nach wie vor genießt man beim FL die niedrigen, treppenförmigen Stufen und das optionale großen Seitenfenster in der Beifahrertür, das Kinder oder Poller sichtbar macht. Es erleichtert viele Rangiervorgänge in der Stadt.
DIE SCHALTUNG WECHSELT DIE GÄNGE VIEL SELTENER
Bei der Armaturentafel behielten die Schweden ihren eigenen Gusto bei, der nach wie vor eher nach Knäckebrot schmeckt. Konkret heißt das im FL: es gibt viele klassische Zeigerinstrumente. Das tut der Übersichtlichkeit allerdings keinen Abbruch und informiert den Fahrer umfassend.
Das Sechsgangmenü der automatisierten ZF-Box wählt der Fahrer nach wie vor per Lenkstockhebel, über den man auch die Menüfolge ändern kann. Man sollte nur beachten, dass der Schwede dann beleidigt reagieren kann und nach etwaigen Eingriffen erstmal stur im manuellen Modus verbleibt.
Die Schaltstrategie selbst glich Volvo seinen großen Brüdern an, sprich: Auch der FL hält die Gänge jetzt noch länger und verlässt sich auf das Drehmoment von 800 Newtonmetern, das ab 1100 Touren anliegt. Motorisch ist der D7 übrigens eine Eigenentwicklung und kein Deutz-Derivat mehr, was man ihm auch anhört: Steht man an der Ampel, schüttelt er einen ganz ordentlich durch. Doch erstmal in Fahrt, kommt wieder Ruhe in die Hütte.
Dann klingt ein bisschen Volvotypischer Sound durch, wenngleich der Vierzylinder zu leichten Dröhnfrequenzen neigt, die aber nicht so durchdringend ausfallen wie etwa beim MAN TGL.
IM ZWEIFEL KANN MAN DIE LÄNGERE ACHSE WÄHLEN
Die Schaltstrategie serviert auch auf der anspruchsvollen Testrunde meist die richtigen Gänge und hält diese entsprechend lang, wodurch man noch weniger manuelle Eingriffe braucht als beim Vorgänger. Interessant war, dass Volvo zwei Varianten zur Verfügung stellte: einmal ein üppiges FL-Menü mit schwedischem Skab-Koffer und langer Kabine, aerodynamischer Vollverkleidung sowie 3,31er-Achse.
Dagegen trat eine einfach ausgestattete Version mit Spier-Koffer an, die eher der Bockwurst am Imbiss entspricht: praktisch ohne Zubehör, mit 3,58er-Achse und Dachspoiler. In internen Tests will Volvo die golden glänzende Schwedenversion um bis zu acht Prozent sparsamer bewegt haben als den rein weißen Bruder, was sich in unseren Messergebnissen nicht wiederspiegelte: Zu schnell vernichtet der dichte deutsche Verkehrsalltag in diesem Segment die erzielbaren Verbrauchsvorteile. Mit dem vergleichsweise hohen Landstraßenanteil kann die Aeroverkleidung ihre Vorteile leider nicht in geringere Verbräuche umsetzen.
Bei den Achsen können wir getrost zur längeren Version raten, was nochmal Sprit und Lärm spart, allerdings in homöopathischen Dosen. Da die Kraft des Motors mit zwölf Tonnen immer ausreicht, bringt die kürzere Achse im Umkehrschluss an Steigungen ebenfalls kaum messbare Vorteile. Selbst einen leichten Anhänger dürfte der FL-Vierzylinder auch mit er längeren Hinterachse noch gut wegziehen.
Wer allerdings die erlaubten 19 Tonnen Gesamtzuggewicht anpeilt, sollte überlegen, ob er sich nicht besser die 240-PS-Version gönnen sollte.
VEREINZELT SCHREIBT DER FL ALTE VOLVO-TUGENDEN FORT
Motorisch hat die Euro-6-Version also einen klaren Fortschritt gegenüber dem Vorgänger gemacht.
Weniger Feinabstimmung ließen die Entwickler dem Fahrwerk und der Lenkung angedeihen: Bei groben Unebenheiten oder Schlaglöchern poltert der FL einigermaßen unmotiviert und gibt den einen oder anderen Schlag bis ins Lenkrad durch - das im Stand bei laufendem Motor im Takt vibriert.
Da blieb der Volvo etwas "oldschool" und bestätigt den alten Witz, dass man Volvo-Fahrer in der Pause immer an den zitternden Armen erkannte. Die Exaktheit der Lenkung geht in Ordnung, erreicht aber keine Bestwerte.
Die vier Scheibenbremsen verzögern sauber, die Motorbremse via Auspuffklappe leistet 80 Kilowatt und braucht folglich immer eine Rückschaltung um einen oder besser zwei Gänge. Das Anfahren an Steigungen erleichtert der Hillholder, der vor allem für den innerstädtischen Verteilerverkehr eine echte Entlastung darstellt, ebenso wie die Automatik.
Die Arbeit leichter machen weitere Details im FL-Menü: Dazu gehört neben der großen Fensterscheibe auf der Beifahrerseite auch der Teil der Mittelkonsole, der Ascher, Becher und einen Stift unmittelbar neben dem Fahrer aufnimmt und der Metallhalter neben dem Fahrersitz, an dem sich die magnetische Fernbedienung für das Fahrwerk "andocken" lässt.
WO SICH DER KLEINE VOLVO SEINE EIGENHEITEN GÖNNT
Etwas knapp fällt prinzipbedingt das Raumangebot der kurzen Kabine aus. Wer öfter längere Touren plant oder nicht auf den letzten Zentimeter Aufbaulänge und das letzte Gramm Gewicht angewiesen ist, sollte sich die längere Version gönnen.
Die Bedienelemente lassen sich alle gut erreichen - bis auf den Scheibenwischerhebel, der wegen der automatisierten Schaltung samt deren Lenkstockhebel weit nach oben gerückt ist. Von Renault stammt auch der links liegende Motorbremshebel und der Bediensatellit für den Bordrechner, den die Franzosen und Schweden als dritten "Lenkstockhebel" noch unter dem "Schalthebel" servieren.
Die Servicepunkte sind alle gut zu erreichen und die Ölfilter lassen sich nach oben abziehen. Zur manuellen Ölkontrolle muss man die Hütte aber kippen. Etwas umständlich ist auch der Tausch der Leuchtmittel. Dazu müssen vier Torxschrauben gelöst werden und dann sollte man acht geben, dass man nichts verstellt.
Dafür strahlt das Tagfahrlicht wie bei den großen Brüdern v-förmig: "V" wie Volvo-Verteiler! Das Menü wäre angerichtet und Volvo bittet die Gäste zu Tisch. Man darf gespannt sein, ob es künftig mehreren Kunden mundet als vorher. Doch für einen langfristigen und anhaltenden Erfolg ist vor allem die Kochkunst von Vertrieb und Werkstatt gefragt!