Eine solch klare Abgrenzung hätten wir im Vorfeld ehrlich gesagt nicht erwartet. Die Rede ist vom Design des neuen eActros 600, das sich von dem der diesel-getriebenen Fernverkehrsmodelle von Mercedes-Benz deutlich unterscheidet. Was allerdings auch ganz praktische Gründe hat. Denn hier stand maximale Windschlüpfrigkeit besonders im Pflichtenheft, um den Stromverbrauch zu senken und die Reichweite aufs Möglichste auszureizen. Am augenscheinlichsten sticht die fast komplett geschlossene Front ins Auge – die nötige Kühlluft wird unter anderem auch durch den großen, in der Front eingelassenen Stern angesaugt. Gepaart mit einem Stoßfänger- und Lichtdesign untenrum, das für einen Mercedes-Benz-Lkw, denen der Hersteller bisher ein eher konservatives Äußeres verlieh, fast schon aufregend anmutet. Angelehnt ist das Design der Matrix-LED-Schweinwerfer und der Kunststoffteile den aktuellen Elektro-Pkw der Marke mit dem Stern.
Umso überraschender die nächste Feststellung beim genaueren Blick: Die erwartete „Nase“, à la DAF XD, XF und XG, die der Gesetzgeber für eine Optimierung der Front auf beste Aerodynamik mittlerweile erlaubt, trägt der schwerste Daimler-Stromer nicht. Oder genauer gesagt, fast nicht. Lediglich acht Zentimeter ist die neue Front bezogen zum (noch) aktuellen Diesel-Modell nach vorne in die Länge gezogen, was bereits einen spürbaren aerodynamischen Effekt bringen soll. Mehr lohne sich nicht, wollen die Daimler-Ingenieure nach unzähligen Stunden im hauseigenen Windkanal festgestellt haben. Negativen Einfluss auf den Fahrtwind fanden sie dafür an den Außenkanten des Fahrerhauses, entsprechend intensiv wurde in diesem Bereich Hand angelegt und geglättet. Weshalb sich hier nun kein Lüftchen mehr verwirbeln soll, wozu unter anderem auch die spaltmaßüberlappenden Gummilippen beim Übergang zur Fahrertür oder die ab sofort chassisfest montieren Radhäuser beitragen. Ebenfalls neu sind die Windabweiser an der A-Säule, die man in ähnlicher Form schon vom aktuellen Iveco S-Way kennt. Nicht ganz ins Bild wollen da die offenen Einstiegsstufen passen, das Design des neuen Stoßfängers sei aber so gestaltet, dass der Wind diesen Bereich quasi auslässt, argumentieren die Daimler-Leute.
Kommen wir zu den technischen Feinheiten. Auf eine klassische Kardenwelle, wie sie beispielsweise die E-Modelle von Volvo oder MAN tragen, verzichtet der eActros, die beiden 400 Kilowatt (im Peak 600 kW) leistenden E-Motoren sind zusammen mit dem Vierganggetriebe in der Antriebsachse integriert. Neben einer besseren Effizienz schafft das Platz für Bauraum zwischen den Rahmenträgern, der Mercedes-Benz für Akkupakete nutzt. Auch dank des auf 4000 Milimeter gestreckten Radstand passen drei der je 1,5 Tonnen schweren Akkupakete à 207 kWh Bruttokapazität so problemlos an die vorerst ausschließlich als 4x2-Version lieferbaren Sattelzugmaschine. Mit der so erreichten Gesamtkapazität von netto 600 Kilowattstunden liegt der Daimler damit klar im oberen Bereich, was 500 Kilometer mit den bis zu 42 Tonnen erlaubten Gesamtgewicht möglich machen soll. Wer nun allerdings sofort einen eActros 600 sein Eigen nennen will, der muss sich noch in Geduld üben. Zwar will Mercedes-Benz die Bestellkanäle zeitnah öffnen, ausgeliefert wird das neue Elektro-Flaggschiff im Sternenportfolio aber wohl nicht vor Ende des kommenden Jahres.