Der betreffende Arbeitnehmer, ein Fertigungsleiter, war im Monat August mehrfach für maximal 60 Minuten vom Arbeitsgelände gegangen, ohne sich auszustempeln. Der Arbeitgeber mahnte ihn nicht ab, sondern kündigte dem Mann: Er habe sich mit seinem Verhalten gegenüber Mitarbeitern gebrüstet und es liege eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung (Arbeitszeitbetrug) vor.
Das LAG Berlin-Brandenburg jedoch entschied anders: Nicht jede Falschangabe in der elektronischen Zeiterfassung (hier waren es vier Vorfälle im Umfang von einer Stunde) rechtfertige eine ordentliche Kündigung im Sinne des § 1 KSchG. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich zur Ableistung von zehn Überstunden im Monat ohne (weitere) Vergütungszahlung verpflichtet ist und dieses Kontingent nicht ausgeschöpft wird, wie in diesem Fall. Aus dem Zeiterfassungsbogen für August war ersichtlich, dass der Mann unter Berücksichtigung der Tage, an denen er überhaupt Arbeit geleistet hatte, insgesamt sechs Stunden und 17 Minuten über dem arbeitstäglichen Soll von acht Stunden tätig gewesen war. Weil die beklagte Firma also keinen materiellen Schaden erlitten habe, stelle sich das Vergehen des Klägers hinsichtlich der Schwere als deutlich geringer heraus. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre auf jeden Fall eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 13.06.2012
Aktenzeichen 15 Sa 407/12