Ohne die kleinen Laster ging auch schon vor 25 Jahren nichts - in Ost wie in West. Denn was Ifa W 60, Liaz S100 beziehungsweise Mercedes SK oder MAN F 90 & Co. an den Rand der Großstädte lieferten, musste schließlich weiterverteilt werden. Ein Job für die wendigen Transporter. TRUCKER bat die in beiden deutschen Landesteilen jeweiligen Marktführer der 80er-Jahre zu einem nicht ganz ernst gemeinten Vergleich.
Wobei der Barkas seine Marktführerschaft nur einem Umstand verdankt: Es gab in der DDR schlicht keine Alternative zum B 1000. Dessen Grundkonzept basierte auf einer Konstruktion aus den frühen 60er-Jahren. Und orientierte sich an damals aktuellen West-Transportern wie dem Renault Estafette und natürlich dem VW T1, mit denen der Ost-Transporter damals technisch locker mithielt.
Über die Jahrzehnte durften die VEB Barkas-Werke ihrem Transporter allerdings nur wenige Verbesserungen mit auf seinen Weg im Kampf für den Sieg des Sozialismus geben. Wie zum Beispiel die seitliche Schiebetür, die erst ab 1987 die ausladende Klapptür unseres 1981 gebauten Test-Exemplars ablöste. Oder die Anzeigen für Kraftstoffvorrat und Kühlwassertemperatur (ab 1984). Um zu kaschieren, dass der Barkas nicht erst zur Zeit der politischen Wende hoffnungslos veraltet war, reichten diese Maßnahmen aber nicht.
Dem Erfolg tat's trotzdem keinen Abbruch - mangels Alternative: Zwölf Jahre mussten DDR-Bürger auf ihren Barkas mindestens warten. Schneller war das Fahrzeug nur für Behörden oder Polizei und Feuerwehr verfügbar. Wer so lange nicht warten konnte, dem blieb nur der Gebrauchtwagenmarkt, wo für den B 1000 dann locker das Doppelte des Neupreises fällig wurde.
EIN "MOTÖRCHEN" MIT 45 PS TREIBT DEN BARKAS AN
Geduld ist übrigens auch hinter dem kleinen Lenkrad (vom Wartburg 353 übernommen) geboten. Zwar lässt sich der aus der phönizischen Sprache stammende Begriff "Barkas" mit "der Schnelle" oder gar "der Blitz" übersetzen. Diesem Anspruch wird der 0,992 Liter kleine Zweitakt-Vergaser-Benziner mit seinen 45 PS allerdings nicht gerecht. Dafür macht der lediglich von einer dünnen Blechschicht samt Alibi-Dämmdecke vom Innenraum getrennte Dreizylinder schon im Leerlauf umso mehr Radau. Das stehende Kupplungspedal braucht einen kräftigen Tritt, den ersten Gang sucht der Barkas-Neuling irgendwo in den Weiten des Viergang-Getriebes, dessen schlottriger Schalthebel ungewohnterweise waagerecht von hinten neben den Fahrersitz ragt.
Also: Kupplung weit kommen lassen und viel Gas geben, wie es der erfahrene Beifahrer zubrüllt. Das ehemalige Vorauslöschfahrzeug setzt sich mit typischem Zweitakter-Geknatter in Bewegung. Den zweiten Gang erlaubt der Beifahrer erst bei entsprechender Drehzahl - von den 98 Newtonmetern Drehmoment ist schließlich keinerlei Elastizität zu erwarten.
Von der kaugummiartigen Schneckenlenkung dafür umso mehr. Beim Einlenken in Kurven passiert zunächst nichts, dann aber schlagen die angetriebenen Vorderräder abrupt den befohlenen Kurs ein. Ähnlich verhält es sich mit den Gleitbackenbremsen, die ebenfalls über ein stehendes Pedal aktiviert werden. Dosierbarkeit? Fehlanzeige! Wobei daran sicher auch die zwar stilechten, aber ebenfalls 34 Jahre alten Pneumant-Reifen am Testwagen eine Teilschuld trugen ... Für sänftenartiges, aber eben auch schwammiges Fahrgefühl sorgen auch die Drehstabfedern des Barkas.
Im Vergleich dazu stammt der VW Transporter aus einer anderen Welt und genau das trifft ja auch zu. Sofern der Fahrer nicht in den blauen Dunstwolken des vorausfahrenden Barkas zu ersticken droht, verwöhnt der T3 mit unvergleichlichem Komfort. Selbst die 57 Pferdestärken des 1,7 Liter großen Saugdiesels fühlen sich plötzlich spritzig an, die vier Gänge lassen sich über den - in allen T3 leicht angegilbten - Schaltstock samtweich wechseln und der weit entfernte, weil im Heck untergebrachte Vierzylinder ist nur dezent zu vernehmen.
HAUPTMANKO DES VW T3: SEIN HECKMOTOR-KONZEPT
Das blecherne Armaturenbrett und die braunen Sitzbezüge der 80er-Jahre vermitteln allerdings auch hier wenig Wohlfühlatmosphäre. Auch bei Volkswagen durften Nutzfahrzeuge vor 25 Jahren eben noch ganz Nutzfahrzeuge sein. Ebenfalls leichter fällt im VW das Rangieren. Durch den Heckmotor halten sich die "Kurbelkräfte" im Rahmen, weshalb sich die meisten Kunden die teure Option Servolenkung sparten.
Das "Motor-hinten-Konzept" sorgt aber auch dafür, dass sich der Volkswagen in Sachen Laderaum dem Barkas klar geschlagen geben muss. Denn wo man beim Ost-Transporter einfach die gewaltige, links angeschlagene Hecktür öffnet und maximal sechs Kubik durchlädt, steht beim T3 die gewaltige Motorkiste im Weg. Die volle Ladehöhe des 5,7 Kubikmeter fassenden Abteils lässt sich im Bulli deshalb nur im Bereich zwischen den Achsen nutzen. Ein Makel, den die Kunden dem VW aber verziehen haben, wovon knapp 1,3 Millionen gebaute Exemplare zeugen.
Solche Stückzahlen erreichte der Barkas nie. Zwar galt er in den sozialistischen Nachbarländern als begehrtes Exportgut, doch die Planwirtschaft der DDR verhinderte ein Ausweiten der Produktion.
Kurz vor dem Aus standen 1990 trotzdem beide Transporter-Modelle. Bei VW drängte bereits der T4-Nachfolger mit Frontmotor auf den Markt. Und den Barkas wollte nach der Grenzöffnung und dem damit unbeschränkten Zugang zu westlichen Transporter-Modellen einfach niemand mehr haben. Daran änderte auch der letzte Versuch mit einem in VW-Lizenz gebauten Vierzylinder-Benziner mit 58 PS nichts mehr. Die Produktionseinrichtungen konnte man zwar nach Russland veräußern, zu einer Wiederaufnahme der Produktion kam es aber nicht mehr.
Weshalb in beiden Fällen nur die Erinnerung bleibt. Und an T3 und B 1000 erinnern sich viele gerne. Das belegen die stetig steigenden Oldtimer-Preise, die für die beiden Mini-Verteiler-Youngtimer aufgerufen werden.