Nehmen wir einfach mal an, der Chef hätte die Spendierhosen an und wir dürften bei der Bestellung unserer neuen Zugmaschine erstens mitreden und zweitens nach Herzenslust aus den Optionslisten schöpfen! Einzige Bedingung: Beim Neuen muss es sich um einen MAN TGX handeln.
Erste Station auf dem Weg zum Traum-Löwen: der Antrieb. Selbstredend soll der stärkste Motor im MAN-Portfolio in Form des D38-Reihensechszylinders mit seinen volumigen 15,2 Liter Hubraum die Befeuerung übernehmen. Als vernunftbegabte Arbeitnehmer begnügen wir uns aber mit „nur“ 580 PS und 2900 Newtonmetern Drehmoment. Schließlich soll der neue TGX im Standard-Fernverkehr mit höchstens 40 Tonnen verkehren, da wäre der stärkere und noch mal deutlich teurere 640er schlicht und einfach übertrieben!
Wer will, bekommt den TGX auch noch mit manuellem Getriebe
Wahlfreiheit gewährt MAN übrigens nach wie vor beim Getriebe. Das ist für uns aber schnell erledigt. Wir möchten zeitgemäß schalten lassen in Form des zwölfgängigen ZF-Traxon und erteilen der gegen Aufpreis (!) lieferbaren manuellen ZF-16-Gang-Box eine Abfuhr.
Keine Kompromisse auch bei der Kabine: Was könnte unserem Boliden besser stehen als die GX-Ausführung – mit luftigen 2,07 Metern Innenhöhe die größte des TGX-Programms, inklusive Stauraum in Hülle und Fülle? Dazu die obligatorische Standklima und teillederbezogene Luxus-Sitze – selbstredend vollklimatisiert; auch das Multifunktionslenkrad wird mittels Lederbezug zum Handschmeichler. Den richtigen Weg weist das große Media-Navigations-System mit seinem 7-Zoll-Bildschirm samt Soundsystem inklusive leistungsstarkem Subwoofer.
Damit aber nicht genug der Individualisierung. Dafür rollt der neue TGX in die werkseigene Manufaktur, „Indiviual“ genannt. Hier bekommt der Löwe einen Dachbügel samt vier Zusatz-LED-Scheinwerfern verpasst – selbstredend inklusive des berühmten sogenannten Baumann-Schalters. Die Optik runden zudem die Sonnenblende, die nach dem MAN-Versprechen keinen Verbrauchsnachteil bringen soll, sowie Drucklufthörner, Bumper- und Sidebars aus feinstem Edelstahl ab. Aus der Distanz wie ein aufwendiges Airbrush, wirkt der hinter den Türen auf beiden Fahrzeugseiten aufgebrachte Löwe. Es handelt sich hierbei aber um eine Klebefolie, die ebenfalls über das Individual-Programm erhältlich ist. Auch innen erhält unser MAN einiges an Zusatzequipment, dem wir uns später widmen.
Davor starten wir zur ersten Probefahrt und stellen sofort fest: Der D38 hält, was er verspricht, das Triebwerk liefert gehörig Vortrieb. Im optional an Bord befindlichen „Performance-Modus“ macht der Reihensechser unserem ausgeladenen Fliegl-Curtainsider ordentlich Beine, was exakt 44,3 Sekunden für den Sprint von 0 auf Tempo 85 belegen. Jenseits solcher – natürlich sinnlosen – Aktionen erachten wir den Power-Modus, in dem die Gänge höher ausgedreht werden und Rückschaltungen früher erfolgen, aber als überflüssig. Mitunter stuft die Elektronik an Steigungen gleich von Gang zwölf auf zehn zurück und behält diesen bis zur Kuppe eingelegt. Das hat einen deutlichen Mehrverbrauch im Tausch gegen einen vernachlässigbaren Zeitgewinn zur Folge.
Da sparen wir den Aufpreis und reiten lieber im serienmäßigen Efficiency-Programm, das deutlich harmonischer, aber keinesfalls kraftlos zur Sache geht. Rückstufungen werden an Steigungen in Kombination mit der beim Testfahrzeug verbauten längsten 2,31er-Hinterachsübersetzung meist bei knapp 1000/min eingeleitet. Die daraus resultierenden 1270 Touren genügen dem 580er locker, um jede Steigung der Testrunde problemlos einzuebnen.
Gut dazu passt das im Vergleich zum kleineren D26-Motor mit 12,4 Litern Hubraum dumpfere und bulligere Verbrennungsgeräusch, auch wenn der D38 insgesamt rauer arbeitet und ein paar mehr Vibrationen entwickelt. Vor allem aber geht es nach unserem Geschmack auch im Power-MAN einfach zu laut zu, gerade von einem Luxusgefährt wie dem 580er mit GX-Kabine würde man eine bessere Geräuschdämmung erwarten.
Deutlich verbessert hat sich der starke MAN dafür bei Schaltgeschwindigkeit und -Strategie sowie dem Zusammenspiel mit dem GPS-Tempomaten. Vorbei die Zeiten, wo Letzterer mit dem ZF-Getriebe nicht ganz so fein abgestimmt war wie mit der Scania-Opticruise-Schaltung, die in Verbindung mit dem D26-Motor zum Einsatz kommt. Dank nun eigens entwickelter Steuerungssoftware steht der stärkere Motor bei diesen Themen in keiner Weise mehr nach. Auch bergab hilft die Elektronik. Schon an der Kuppe wird in den für das folgende Gefälle nötigen Gang zurückgestuft, zusätzlich behält sich das System an steileren Abhängen vor, bewusst ein paar km/h unter die gesetzte Regelgeschwindigkeit zu gehen, um dem Fahrer nervige Beibremsungen am Ende des Gefälles zu ersparen – weil die 630 kW der Motorbremse nicht mehr ausreichen, das Tempo im gesetzlichem Rahmen zu halten. Trotzdem: Ein Retarder würde den Job ungleich souveräner erledigen und damit besser zu solch einem Flaggschiff passen!
Vom feinsten: TV, Mikrowelle, Kaffeemaschine, Hängematte
In dem der Arbeitstag buchstäblich wie im Fluge vergeht. In der folgenden Standzeit lernen wir die weiteren inneren Werte unserer GX-Kabine zu schätzen. Da wäre zum einen das TV-System, auf dessen Flachbildschirm man über die am Bett einhängbare bequeme Hängematte beste Sicht erhält. Alternativ könnte man sich aber auch den drehbaren Beifahrersitz in entsprechende Position bringen.
Fordert der Magen später seinen Tribut, lässt sich über die „Bordküche“, bestehend aus der im Staufach integrierten Mikrowelle, der Hunger stillen. Kaffee zum Nachtisch? Ebenfalls kein Problem, die entsprechende Maschine findet sich nebenstehend im mittleren Fach der Zusätzschränke an der Rückwand.
Das alles hält das Individual-Programm ebenso bereit wie das in verschiedenen Farben einstellbare Lichtkonzept für das passende Ambiente. Vielleicht ein warmes Violett oder Blau fürs wohlverdiente Nickerchen im bekanntermaßen bequemen TGX-Bett mit Lattenrostunterbau? Das dürfte für angenehme Träume sorgen – nicht nur von einem Lkw vom Schlage dieses MAN!