Tatra will es wissen! Mit einem erweiterten Phoenix-Euro-6-Programm und dem großen DAF-Partner Tschann wollen die Tschechen auch westlich von Prag wieder mehr Präsenz zeigen - und das nicht nur in Gruben oder auf schweren Baustellen.
Also stellten sie mit Tschann mehrere Vorführer auf die Räder, darunter auch einen 18-Tonner-4x4, der sozusagen die "Einstiegsdroge" in die Zentralrohrrahmenwelt von Tatra sein soll. Antriebsstrang und Kabine entsprechen dagegen dem DAF CF. Als 4x4-18-Tonner schließt der Phoenix genau die Lücke, die der CF 4x2 hier lässt.
Der Zentralrohrrahmen bietet gegenüber dem Standard-Leiterrahmen jede Menge Vorteile: Erstens behalten die an Halbachsen aufgehängten Räder viel länger Bodenhaftung und verbessern die Traktion in unwegsamem Gelände. Zweitens schonen die flexiblen Achssschenkel den Aufbau, indem der nicht so viel Verwindungsarbeit leisten muss - was vor allem für Krankipper und Feuerwehren interessant ist. Drittens kann man sich beim Aufbauen den Hilfsrahmen und damit Gewicht sparen. Und viertens - und das wird vor allem die Fahrer begeistern - liegt das Auto im Gegensatz zum optisch ähnlichen Kabinen- und Motorspender auf der Straße wie ein Kart.
GROBE UNEBENHEITEN KOSTEN DEN FAHRER ALLENFALLS EIN LÄCHELN
Diese Vorteile bringen aber auch Nachteile mit sich. Der schwerwiegendste ist der Preis: Wer quasi einen "günstigen DAF CF" sucht, der bei Bedarf auch etwas mehr Traktion bietet, dürfte beim Aufpreis heftig schlucken. Der Phoenix 4x4 ist eher ein 18-Tonner mit erheblicher Geländekompetenz. Also ein Unimog-Ersatz? Nein. Zwar kann er einem Portalachs-Unimog weit, aber nicht überall hin folgen. Der Phoenix bietet stattdessen besondere Allround-Qualitäten und tritt so eher gegen Iveco Eurocargo 4x4, MAN TGM 4x4 oder Mercedes-Benz Atego 4x4 an.
Zweiter Nachteil: Das beim Hilfsrahmen gesparte Gewicht kommt mit dem Rohrrahmen teils wieder hinzu, wodurch nutzlastseitig keine Wunder zu erwarten sind. Der Testwagen brachte unbeladen mit 80-Kilo-Fahrer und vollen Tanks 11,57 Tonnen auf die Waage. Entsprechend satt fährt sich der Phoenix - ganz im positiven Sinne. Tiefe Löcher, Querrillen oder ein Abkommen von der Straße aufs Bankett: All das kostet den Fahrer allenfalls ein müdes Lächeln und schont Bandscheiben und Aufbau gleichermaßen. Die Halbachsen fallen in die Unebenheiten und glätten auch schlechteste Wege.
Auch die Lenkung ist Tatra-typisch ausgelegt mit unendlich scheinenden sechs Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag. Bei vollem Einschlag sorgt sie allerdings für einen vergleichsweise kompakten Wendekreisdurchmesser von 16,2 Metern von Bordstein zu Bordstein, gemessen ab der vorderen Ecke.
Verzögert wird über Trommelbremsen rundum sowie einen dreistufigen Retarder. Letzterer verlangsamt das Auto vor allem unbeladen schon in Stufe eins so massiv, dass man "sanftes Beibremsen" am besten per Zurückschalten erledigt. Die Trommeln selbst greifen verbindlich und gleichmäßig zu.
Und die Allradkompetenzen? Voll vorhanden! Aus weichem Boden gräbt sich der Tatra allein durch Zuschalten des Vorderradantriebs wieder frei. Falls das nicht genügt, kann man die Hinter- und notfalls auch die Vorderachse quer sperren, was einfach per Taster geschieht, die sinnigerweise neben dem Warnblinkschalter liegen. Auf einen Drehschalter mit vorgegebener Reihenfolge oder fummelige Tastersperren verzichten die Tschechen und setzen stattdessen auf die Kompetenz des Fahrers.
Erstaunlich ist dank des Zentralrohrrahmens mit den Halbachsen auch die Verschränkungsfähigkeit des Tschechen. Hohe Gesteinsbrocken oder ein schräges Abkürzen von Rampen: kein Problem. Bis der Phoenix mal ein Bein hebt, braucht es schon erhebliche Höhenunterschiede. Da er die Räder besonders lang auf dem Boden hält, bietet er auch entsprechend lange Traktion. Erstaunlich ist dabei auch immer wieder, wie wenig sich das Auto dabei verwindet. Besonders tiefe Löcher können dabei übrigens immer noch für die einst Tatra-typische "O-Beinigkeit" sorgen, mit der der Begriff "positiver Sturz" sehr anschaulich erklärt werden kann.
DIE KURZE ACHSE BIETET VIEL KRAFT IN GROBEM GELÄNDE UND WINTERDIENST
Das handgeschaltete 16-Gang-ZF-Getriebe erfordert immer noch eine kräftige Hand, spart sich hier aber das typische Synchronringrasseln. Dank der vergleichsweise kurzen 3,39er-Achse und dem für einen 18-Tonner sehr kräftigen Elf-Liter-Motor muss meist nur zwischen sieben klein und acht groß variiert werden. Selbst die fiesen Teststeigungen erklimmt der Tatra dank des Paccar MX 11 in diesen Stufen. Die Kehrseite der Medaille: Bei 65 km/h liegen bereits 1180 Touren, bei 80 km/h schon 1450 Umdrehungen an. Doch für schwere Offroad- oder Winterdiensteinsätze passt diese Auslegung optimal. Insofern geht auch der Testverbrauch mit 25,5 Litern inklusive AdBlue in Ordnung.
Noch ein paar Anmerkungen zu Wartung und Kabine: Der Einstieg fällt prinzipbedingt etwas höher aus als beim CF - ansonsten findet man sich DAF-typisch sofort zurecht. Die geschwungene Armaturentafel empfinden viele Kollegen als angenehm, wenngleich sie mit dem hohen Motortunnel den Durchstieg zur Beifahrerseite einschränkt. Auch große Fahrer finden gut Platz und auch hier fehlt dieser, CF-typisch, zwischen Sitz und Tür, um das Kipperventil wirklich gut bedienen zu können.
DER ZENTRALROHRRAHMEN BENÖTIGT AB UND AN EINEN ABSCHMIERDIENST
Der Leuchtmitteltausch funktioniert einfach von hinten, die Außenspiegel sind geklipst. Achtung beim Zentralrohrrahmen, der durchaus noch einige Schmiernippel hat, die ab und an versorgt werden wollen, sofern man keine Zentralschmierung hat. Der eckige Unterfahrschutz hinten sammelt ganz gern ein paar Steine, lässt sich aber ohne großen Aufwand klappen.
Fazit: Wer öfter in schweres Gelände muss und die Bordwände auch dort immer aufbekommen will, findet im Phoenix 4x4 eine erstaunlich komfortable und kompetente Alternative mit starken Kraft- und Anhängelastreserven.