Der 500er mit D13-Reihensechszylinder entwickelt sich langsam zur goldenen Mitte im FH-Programm. Mit einem kaum teureren Anschaffungspreis, aber einem Restwert beim Wiederverkauf, der - im Vergleich zum schwächeren FH 460 - vermutlich höher ausfällt, machen die Volvo-Verkäufer den Kunden den Griff zu mehr Leistung schmackhaft. Außerdem freut sich natürlich der Fahrer über die 500er-Typenschilder neben den Türgriffen. Das kann unter Umständen bei der Anwerbung von gutem Fahrpersonal, das bekanntermaßen immer rarer wird, entscheidend sein ...
Für den Betreiber mindestens genauso wichtig: TRUCKER-Leser berichteten im Vorfeld des Tests, dass der Spritverbrauch des 500ers passt - sprich niedriger ausfällt als bei den schwächeren Leistungseinstellungen (siehe auch unsere Facebook-Kommentare auf Seite 24).
DAS TESTFAHRZEUG KOMMT OHNE DSG UND EINZELRADAUFHÄNGUNG AUS
Um herauszufinden, ob sich das auch auf unserer genormten und per Referenz-Lkw abgeglichenen Testrunde bestätigt, schicken die Schweden einen FH 500 ins Rennen. Der ist für ein Volvo-Pressefahrzeug fast bescheiden ausgestattet, verfügt nämlich weder über das Doppelkupplungsgetriebe noch vorne über einzeln aufgehängte Räder.
Soll uns nur recht sein, schließlich leisten sich die wenigsten FH-Kunden diese beiden teuren Optionen. Zumal der Volvo auch mit der starren Faustachse in Kombination mit den Zweiblatt-Parabelfedern ein exzellentes Fahrverhalten an den Tag legt. Weder stoßen bei Fahrbahnunebenheiten harte Schläge bis zum Fahrerrücken durch, noch erlaubt sich der FH ein unverbindliches Fahrverhalten.
Auch mit der Direktheit und dem Rückmeldungsverhalten der Lenkung waren wir zufrieden, obwohl das Testfahrzeug über Dynamic Steering verfügte, bei dem die Lenkkräfte elektrisch auf ein Minimum verringert werden. Eine Unterstützung, die der Fahrer insbesondere beim Rangieren nicht mehr missen möchte, weil sich das Lenkrad sogar im Stand buchstäblich mit dem kleinen Finger drehen lässt. Dynamic Steering geben wir deshalb eine klare Kaufempfehlung - ganz im Gegensatz zu den beiden vorgenannten Optionen Einzelradaufhängung oder Doppelkupplungsgetriebe.
Wir halten es für überflüssig, weil auch das normale I-Shift-Getriebe bei Schaltgeschwindigkeit und -strategie weiterhin ganz vorne mitfährt. Die von den Schweden selbst entwickelte Schaltbox reagiert unverzüglich auf Gaspedalbefehle und wechselt die Schaltstufen auch unter Last sauber und schnell sowie (fast) immer genau zum richtigen Zeitpunkt.
Folgerichtig lautet unsere nächste Empfehlung, den FH mit der I-Shift-Bedieneinheit im Armaturenbrett anstatt dem am Fahrersitz montierten Schalthebel zu bestellen. Der steht nach Feierabend eh nur im Weg, auch wenn er sich auf Knopfdruck abklappen lässt. Zwar sind die versteckt in der Mittelkonsole platzierten Tasten während der Fahrt kaum bedienbar, manuelle Eingriffe ins Schaltgeschehen ignoriert die Elektronik aber meist sowieso konsequent.
Und ehrlich gesagt kommt der Fahrer auch höchst selten in die Verlegenheit einzugreifen, denn I-Shift und Sechszylinder bilden ein harmonisch aufeinander abgestimmtes Duo. Die Steuerungssoftware weiß um die Drehmomentreserven des Motors und vertraut an Steigungen auch mit 40 Tonnen so lange wie möglich auf den höchsten Gang. So erklimmt der FH auch ernstzunehmende Stiche problemlos mit gerade einmal 1000 Touren, ohne über Gebühr an Tempo zu verlieren. Schließlich wirft der D13 hier sein volles Drehmoment von 2500 Newtonmetern in die Waagschale. Vibrationen, die dem Fahrer sauer aufstoßen könnten, sind ihm auch bei solch niedrigen Drehzahlen fremd.
DANK NEUER SOFTWARE REGELT DER GPS-TEMPOMAT JETZT NOCH GENAUER
Schützenhilfe generiert der bei Volvo "I-See" genannte GPS-Tempomat, der vor Bergen automatisch das Tempo erhöht, um möglichst viel Schwung mit in die Steigung zu nehmen.
I-See spendierten die Schweden kürzlich eine überarbeitete Steuerungssoftware, die nun auch die letzten Hügel europäischer Straßen kennen und besser befahren soll. Vor allem will Volvo aber die bisherigen Aussetzer abgestellt haben, die in der Vergangenheit auftraten, wenn das System die Verbindung zur "Datencloud" - wie es die Schweden nennen - verlor.
Ersteres können wir nach unserer 358 Kilometer langen Testrunde bestätigen, Zweiteres nur mit Einschränkung: Der Tempomat arbeitet jetzt tatsächlich noch feinfühliger und findet an jedem Hügel den besten Kompromiss zwischen Schubabschaltung und Eco-Roll. Auf der letzten Etappe unserer Teststrecke, auf der A 8 zwischen Dasing und München, verlor I-See aber erneut für einige Kilometer den Kontakt zum "Mutterschiff" und war während dieser Zeit blind. Scheinbar sind die Systeme der Konkurrenz, bei denen die Topografiedaten direkt auf dem Fahrzeugrechner hinterlegt sind, doch die besser funktionierende Lösung.
Bergab verzögerte die Kombination aus kräftiger VEB+-Motorbremse und Voith-Retarder die 40 Tonnen schwere Fuhre. Ergibt zusammen 825 kW oder, anschaulicher ausgedrückt, 1122 PS Bremsleistung, der es keinerlei Probleme bereitet, die Fuhre auch in schwersten Gefällen bei 90 km/h zu halten. Gegen die Überschwingfunktion (übrigens eine Volvo-Erfindung), die das eingestellte Bremsomattempo am Ende von Gefällen bewusst erhöht, ist aber auch das beste Bremssystem machtlos. Wobei man beim FH noch froh sein darf, dass es die Schweden bei plus 2 km/h belassen. Wir empfehlen trotzdem, diese Funktion, die den Fahrer bei einer Kontrolle schnell in Erklärungsnöte bringen kann, per Betriebsbremse zu eliminieren - wobei der FH immerhin den gesetzten Tempomat aktiv hält. Oder besser noch: Man lässt sie gleich in der Werkstatt ganz abschalten.
PRAXISGERECHTE DETAILS UND EIN NIEDRIGER SPRITVERBRAUCH
Da gefallen uns andere Volvo-Details besser. Wie die beiden größeren Außenstaufächer, die mit dem Bordcomputer verbunden sind. Sollte eines davon nicht richtig verschlossen sein, leuchtet beim Anfahren die Meldung "Achtung, Stauraum offen!" auf. Eine Kleinigkeit, die im Falle eines Falles teuren Ärger ersparen kann.
Von Praxisbezug zeugt auch, dass FH-Fahrer außerhalb des Tempomatmodus auf einfache Weise zwischen Eco-Roll oder Schubabschaltung wählen können. Rollt der Volvo auf Ampeln, Ortseinfahrten oder Kreisel zu, genügt ein Zug am rechten Lenkstockhebel, um den Gang wieder einzulegen und ohne Verbrauch dahinzurollen. Handgriffe, die bekanntlich einen guten, vorausschauenden Fahrer ausmachen und den Spritkonsum des Lkw verringern.
Hier kann der Testwagen punkten: 26,44 l/ 100 km genügten dem Göteborger auf der Testrunde, womit er sich vorerst in unserer Verbrauchswertung nach vorne schiebt (siehe Seite 46). Dass er dabei um ein halbes km/h pro 100 Kilometer langsamer unterwegs war als der bisherige Spitzenreiter Scania S 500, dürfte in der Praxis kaum jemandem auffallen. Seinem Ruf als goldene Mitte im FH-Programm wird der 500er damit auch im TRUCKER-Test gerecht. JB
DER MOTOR IM KURZURTEIL
Die 500-PS-Einstellung des D13-Sechszylinders gefällt mit hoher Leistung bei niedrigem Verbrauch. Das Aggregat erweist sich als laufruhig und arbeitet auch bei niedrigen Drehzahlen frei von Vibrationen. Ein variabler Turbolader könnte die Charakteristik des Motors noch weiter verbessern.
KABINENWERTUNG
Dass die FH-Kabine kein Raumwunder ist, ist hinreichend bekannt und der Tatsache geschuldet, dass Volvo den theoretisch zur Verfügung stehenden Raum nach hinten und oben selbst bei der höchsten Globetrotter-XL-Kabine nicht voll nutzt. Das Platzangebot genügt aber völlig, das Stauraumangebot fällt dagegen knapp aus. Auch im vierten Produktionsjahr wirkt die Kabine sehr modern, vor allem der stylishe Armaturenträger lässt ein "Raumschiff Enterprise"-Gefühl aufkommen. Leider haben es die Volvo-Designer versäumt, in diesen eine brauchbare Ablage zu integrieren. Für Kleinkram steht nur eine Gummiwanne - Vogeltränke genannt - zur Verfügung. Dass der Armaturenträger weit in den Innenraum ragt, ist Teil der Volvo-Philosophie. Die Schweden versetzten den Fahrerplatz bewusst nach hinten, um im Falle eines Auffahrunfalls die passive Sicherheit zu erhöhen. Angenehm leise fällt die Geräuschkulisse im FH aus. Nur die klappernde Halterung des Flachbildfernsehers an der Seitenwand über dem Fahrer störte beim Testwagen die Ruhe. Dagegen sollte der Fahrer aber mit etwas Dämmmaterial leicht selbst etwas unternehmen können.
SERVICE UND WARTUNG
Wie bei jedem TRUCKER-Supertest begutachtete der TÜV SÜD auch den Volvo FH 500 in Sachen Service und Wartung. Mit 100.000 Kilometern Wartungsintervall bietet der FH weniger als die Konkurrenz. Die Schweden verweisen aber berechtigt darauf, dass die meisten Lkw lange vor dem Ablauf ihrer langen Intervalle einen Werkstattbesuch einfordern. Außerdem genügt dem FH günstiges Standardöl (10W40). Das Fahrerhaus lässt sich optional elektrisch kippen, die Zugänglichkeit zum Motor verbessert der große Kippwinkel. Alle Füllstände überwacht der Bordcomputer, zusätzlich spendiert Volvo noch einen Peilstab hinter der Frontklappe. Eine praxisgerechte Idee ist der Einfülltrichter fürs Motoröl. Die Frontklappe ist lobenswerterweise mit der Zentralverriegelung und der Alarmanlage gekoppelt, was Diebstahl oder Vandalismus vereiteln sollte. Unfall- und frostgefährdet vor dem linken Vorderrad untergebracht ist der Frostschutzbehälter, dafür lässt er sich leicht nachfüllen. Zum seltenen Nachfüllen von Lenköl muss die Kabine gekippt werden.
FAZIT
Ein starkes Volumenmodell
Dass Volvo-Kunden gern zum FH 500 greifen, ist berechtigt. Hohe Leistungsreserven bei niedrigem Verbrauch gefallen dem Chef ebenso wie ein hoher zu erwartender Restwert nach der Nutzungszeit.
Der Fahrer freut sich über das angenehme Fahrverhalten und das souverän schaltende I-Shift-Getriebe. Auch die Platzverhältnisse sind im Globetrotter XL großzügig, beim Stauraum hinkt der Volvo allerdings etwas hinterher.