Alles unter einem V8 ist asozial!" So wie DMAX-Serienstar und Transportunternehmer Andreas Schubert werden das viele Fahrer sehen. Erst recht, wenn der Scania wie unser Testwagen die große S-Kabine mit ebenem Boden trägt.
Die Chefs vor allem vieler größerer Transportunternehmen vertreten allerdings eine gegenteilige Meinung. Sie scheuen den höheren Anschaffungspreis, das höhere Leergewicht und den zu erwartenden höheren Spritkonsum im Vergleich zu Scanias kleinvolumigerem Sechszylinder. Dass diese Gründe nicht zu leugnen sind, zeigt schon der Vergleich mit dem ähnlich konfigurierten S 730 (siehe TRUCKER 5/2017). Der V8-Bolide brachte schwergewichtige 8050 Kilogramm auf die Waage. Die S-500-Testzugmaschine wiegt 390 Kilogramm weniger, auch wenn sie damit ebenfalls weit entfernt von der Bezeichnung Leichtgewicht bleibt.
SCANIAS SECHSZYLINDER BRAUCHT KEINE ABGASRÜCKFÜHRUNG
Kein Wunder also, dass bei Scania der Großteil der verkauften S- und R-Modelle mit dem DC 13-Sechszylinder ausgeliefert wird. Dessen stärkste Version wuchtet 500 PS und 2550 Newtonmeter an die Hinterachse, ist also alles andere als schwächlich. Und abgesehen von zwei Zylindern weniger hat das 12,7 Liter große Common-Rail-Aggregat gegenüber dem Achtzylinder bislang ein weiteres Ass im Ärmel: Es erfüllt die strengen Grenzwerte der Euro-6-Norm ohne Abgasrückführung. Dabei wird ein Teil der Abgase zurück in die Zylinder geleitet und erneut verbrannt. Das erfordert aber größere Kühler, die eine höhere Verlustleistung, also mehr Dieselverbrauch zur Folge haben. Zwar kommt die frisch präsentierte, neue V8-Generation (siehe Seite 21) nun ebenfalls ohne AGR aus, noch ist davon aber kein Exemplar ausgeliefert.
Doch genug der Theorie, jetzt muss sich der S 500 auf der Straße beweisen. Der Dreh am Zündschlüssel offenbart sofort, dass hier kein V8 zum Leben erwacht. Der Reihensechszylinder klingt keinesfalls unangenehm, aber eben deutlich zurückhaltender und braver, gefällt dafür aber schon im Stand durch seine hohe Laufruhe und seinen niedrigen Geräuschpegel.
Dass der Verzicht auf Zylinder und Hubraum zumindest gegenüber dem schwächsten V8 mit 520 PS kaum Leistungsverzicht bedeutet, stellt der Motor bereits auf den ersten Metern klar. Er tritt bereits ab 1000 Touren kraftvoll an, arbeitet dabei frei von Vibrationen, dreht bei Bedarf aber auch willig bis zum Erreichen der Maximalleistung bei 1900/min.
Um das zu erleben, muss man das Opticruise-Getriebe allerdings in den manuellen Modus schalten, denn es ist selbstredend auf eine drehmomentorientierte, verbrauchsfreundliche Fahrweise gepolt und leitet deshalb nie später als bei 1500/min eine Hochschaltung ein. Wäre auch unnötig, denn der DC 13 entwickelt bei 1000/min sein maximales Drehmoment und bietet so zu jeder Zeit genug Power, um die 40 Tonnen auf Tempo zu halten. Die Gangwechsel geschehen dank Vorgelegewellenbremse spürbar schneller als beim Vorgängermodell und auch an die Kupplungssteuerung haben die schwedischen Entwickler nochmals Hand angelegt.
Deshalb an alle, die automatisierte Schaltungen noch immer konsequent ablehnen und altmodisch händisch im Getriebe rühren (die soll's ja immer noch geben): Mit der Schaltgeschwindigkeit und -strategie, die nicht nur Scanias automatisierte Schaltung in der aktuellen Generation an den Tag legt, kommt kein noch so versierter Fahrer mit! Erst recht nicht, wenn das Getriebe wie im Testtruck vom GPS-Tempomaten CCAP Schützenhilfe bekommt. Vor knackigeren Steigungen beschleunigt der Lkw selbstständig dann über das eingestellte Tempo, wenn die Berechnungen der Elektronik zu dem Schluss kommen, dass so nicht zurückgeschaltet werden muss. Wie immer wählten wir für die Testfahrt den Standardmodus mit Unterschwingern von sechs Prozent. Das gesetzte Tempo 85km/h wird beim Überrollen von Kuppen also um nicht mehr als 5 km/h unterschritten. So bremst der S 500 keine nachfolgenden Kollegen aus und dem System bleibt trotzdem genügend Freiraum, um die Streckentopografie zu nutzen.
Das funktioniert auch auf Landstraßen: Hier fällt auf, dass sich der 500er in Kurven etwas leichtfüßiger dirigieren lässt. Schließlich lastet kein schwerer V8 auf der Vorderachse.
DIE LUFTGEFEDERTE VORDERACHSE DARF MAN SICH SPAREN
Die direkte Lenkung des Greifs zu loben, hieße Eulen nach Athen zu tragen, daran hat sich auch durch den Modellwechsel nichts geändert. Wer vom "alten" R in die S-Kabine umsteigt, muss sich aber daran gewöhnen, dass das höhere Fahrerhaus bei Kurvenfahrt zu mehr Seitenneigung tendiert.
Überhaupt macht der neue Scania mehr auf Softie als das Vorgängermodell. Vor allem wenn wie beim Testfahrzeug die Vorderachse über die optionale Luftfederung verfügt, geht die Abstimmung des Schweden in Richtung Omnibus, was unserer Meinung nach zum Scania wenig passt. Deshalb darf man sich gern mit der serienmäßigen Blattfederung bescheiden, zumal diese knapp 110 Kilo spart und die üppige Gewichtsbilanz der (Test-)Zugmaschine entsprechend verbessern würde.
Kaum etwas zu mäkeln gibt es innerhalb der Kabine. Allerdings raten wir zur Option des breiten unteren Bettes, mit der man sich den sonst zum Feierabend fälligen Kabinenumbau mit Sitzvorschub und Bettauszug ersparen kann. Die Klappsonnenblenden für die Frontscheibe - nur durch leichte Verbeugung erreichbar - erfüllen ihren Zweck, elektrische Rollos wären dem Greif aber würdiger. Wie die eleganten Seitenrollos, die gut zur Scania-Kabine passen. Die punktet mit hochwertiger Verarbeitung, wertigen Materialien und der Scania-typischen perfekten Ergonomie. Pluspunkte geben wir auch den praxisgerechten Kleinigkeiten, die die Arbeit erleichtern. So lässt sich die gesamte Armaturenbeleuchtung - mit Ausnahme des Tachos - mit einem einzigen Knopfdruck abschalten, um etwa bei nächtlichen Rangiervorgängen störendes Blenden zu vermeiden. Positiv auch der Spurassistent, der erst beim Überfahren der rechten Seitenlinie anschlägt und den vermutlich wenige Fahrer abschalten werden.
NIEDRIGER VERBRAUCH BEI KLASSENÜBLICHEM TEMPO
Nicht nur wegen dieser Qualitäten, die Scania sowohl für die V8- als auch für Sechszylinder-Modelle bereithält, wird kaum ein Fahrer meckern, wenn er einen 500er bekommt. Allenfalls mit dem bulligen V8-Sound kann der DC 13 nicht mithalten, ansonsten bietet der stärkste Sechser genug Power auch für schwere Einsätze.
Dem Chef wird die Wirtschaftlichkeit des "kleinen" Schweden gefallen. Unsere Testrunde bewältigte er mit niedrigen 26,9 l/100 km bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 80 km/h. Einkalkulieren muss man aber einen erhöhten AdBlue-Verbrauch (beim Test 8,7 Prozent vom Dieselverbrauch) durch den Verzicht auf die Abgasrückführung.
So hat der S 500 das Potenzial, beide Seiten glücklich zu machen - von Asozialität ist er damit weit entfernt!