Wir wissen nicht, ob die Mitarbeiter von Renault Trucks traurig darüber sind, dass dem "T-Modell" die ganz großen Errungenschaften des Konzernbruders FH/FH16 vorenthalten bleiben. Für den T gibt's weder Einzelradaufhängung noch Doppelkupplungsgetriebe und vor allem auch keinen 16- Liter-Sechszylinder mit bis zu 750 PS und 3550 Nm. Nach unseren Erfahrungen und auch angesichts der Tatsache, dass zum Beispiel DAF mit maximal 510 PS auch recht erfolgreich ist, muss man in Frankreich keine Tränen vergießen. Der T ist gut, so wie er ist. Einzig den GPS-Tempomaten haben wir vermisst. Der würde dem Renault wirklich gut tun und zu einem adäquaten Minderverbrauch verhelfen.
520 PS UND 2550 NM SIND GENUG FÜR DAS FRANZOSEN-FLAGGSCHIFF
Mit 520 PS aus 12,8 Liter steht der "T Maxispace", wie Renault sein Flaggschiff nennt, recht gut im Futter. Der von der Volvo Group zugelieferte Sechszylinder setzt zwar mit Pumpe-Düse nicht auf allermodernste Einspritztechnik. Aber er hängt gut am Gas, tritt spontan an und ein Gutteil der maximalen Leistung steht schon im dreistelligen Tourenbereich zur Verfügung. Gimmicks, wie eine Drehmomenterhöhung im 12. Gang, sucht man ebenfalls vergebens. Aber 2550 Nm ab 1000 Touren sind auch so ein Wort.
Dass die Abgasnachbehandlung nicht ganz optimal läuft, belegt ein sehr hoher AdBlue-Verbrauch. Mit über zehn Prozent liegt der Franzose jenseits von Gut und Böse. Kaum verständlich, weil es zusätzlich eine Abgasrückführung gibt. Die nutzt Renault zwar vorwiegend, um die Abgastemperatur hoch zu halten und weniger wegen der Stickoxidreduktion. Trotzdem liegt der T auf dem Niveau von SCR-only-Systemen. Vom Verbrauch ganz allgemein ist er okay - zum Actros, FH und Scania fehlen ihm die zwei, drei Prozent, die ein intelligenter Tempomat bringen würde. Das Tempo liegt minimal unter Klassenschnitt, was unter anderem an der speziellen Regelung des Soft-Cruise-Tempomaten liegt: Der lässt beim (Aus-)Rollen das Tempo stets zwei bis drei km/h unter den voreingestellten Wert fallen. Das spart zwar etwas Kraftstoff, kostet aber am Ende des Tages Zeit.
Dass Volvo als Getriebelieferant die aktuell beste Hardware zuliefert, gilt als gesetzt. Weil die Franzosen aber ihre eigene Steuerung obendraufsetzen, ist das Ergebnis nicht ganz so überzeugend wie beim FH. Auf der Landstraßenetappe geht die "Optidriver"-Schaltbox nicht in den 12. Gang, obwohl der Motor auch bei wenig Drehzahl ausreichend Schmalz hätte, die Fuhre in Schwung zu halten. Zumindest an Steigungen glänzt die Zahnradbox mit einer fahraktiven Steuerung und lässt das Drehzahlniveau nicht allzu weit fallen. Einzig beim Hochschalten an der Kuppe dürfte sie ein wenig zügiger arbeiten.Bei der manuellen Bedienung geht Renault wieder mal eigene Wege. Statt die Schaltvorgänge über Tippen nach oben und unten zu steuern, muss der Fahrer dies durch Drücken und Ziehen tun. Immerhin: Im Gegensatz zu Volvo nimmt die Steuerung alle Wünsche des Fahrers auch an.
Übrigens ist Optidriver ganz passabel ins Bremsmanagement integriert. Beim gesetzten Bergabtempo schaltet Kollege Computer gekonnt zurück, um die volle Power der durchaus starken Motorbremse zu nutzen. Wenn, wie im Test-Lkw, auch noch ein Retarder installiert ist, liegt der Brems- und Bedienkomfort für den Fahrer auf sehr hohem Niveau.
VORBEI DIE ZEIT DER SCHIFFSCHAUKEL, DER T LIEGT SATT WIE EIN BRETT
Zu den Themen Bedienung und Komfort noch einige Anmerkungen: Das Multifunktionslenkrad ist ziemlich überfrachtet. Wer sich allerdings die Mühe macht, sich einmal alle Funktionen zu erschließen, kommt damit trotzdem relativ schnell klar. Schön sind die beiden Geschwindigkeitsniveaus für den Tempomat - vor allem für Fahrer, die häufig Autobahn und Landstraße wechseln. Auch die Voreinstellung des Tempomaten auf drei Levels - von "Normalo" bis "Sparfuchs" ist für den Fahrer leicht zu verstehen.
Die Schalter in Funktionsgruppen anzuordnen, ist ebenfalls eine gute Idee. Diese auch noch individuell austauschbar zu platzieren ist zwar nicht neu, aber viele Fahrer nutzen die Möglichkeit der Individualisierung wohl.
Auch wenn der T in der High-Sleeper-Version mit ebenem Boden legitimer Nachfolger des Magnum ist, hat er an Exklusivität verloren. Was aber ganz sicher besser ist: die Kabinenaufhängung mit einem guten Kompromiss aus straffer Dämpfung, komfortabler Federung und einer gelungenen Abstimmung, die Nicken und Seitenneigung ziemlich unterbindet - vorbei die Zeiten, in denen Renaults Flaggschiffe wie Boote in der Dünung wankten ...
Zur gelungenen Kabinenfederung addiert sich eine komfortable Abstimmung der Vorder- und Hinterachsfederung. Ungeachtet des Beladungszustands des Trailers nehmen die Bälge der Hinterachse die Unbilden der Straße gekonnt auf. Und auch ohne Einzelradaufhängung findet sich die Vorderachse auf dem Niveau der Wettbewerber. Nicht zu vergessen gefällt der Franzose durch eine akzeptabel leichtgängige und dennoch zielgenau Lenkung - auch ohne "Dynamic-Steering".
Sicher gewöhnungsbedürftig - frankophile Menschen werden sagen: individuell - sind die Armaturen des Franzosen. Zwar gibt es keine zwei Tachos mehr, Dafür aber eine nicht immer nachvollziehbare Unterteilung in Digital- und Analoganzeigen. Geneigte Leser werden es erahnen: Der Tacho zeigt digital, der Drehzahlmesser analog an. Schön ist das individuell einstellbare Cluster im Hauptdisplay. Der Fahrer kann sich selbst zusammenstellen, welche Informationen ihm als wichtig erscheinen. Was ihn unmittelbar interessieren könnte, findet er direkt in den Hauptanzeigen. Primäre Funktionen, wie etwa das Navi oder die Kommunikation via Telematik, hat Renault auf dem zweiten Bildschirm rechts neben den Instrumenten kanalisiert.
FÜR EINE KOMPLETTE NEUENTWICKLUNG IST DER RENAULT VIEL ZU LAUT
Verbessern könnte Renault das Geräuschniveau. Abseits objektiver Messwerte zeigen sich deutliche Windgeräusche - obwohl der Test-T aus Gründen der Sparsamkeit nicht mal eine Sonnenblende hatte. Nach dem Öffnen der Dachluke wird's im Inneren gefühlt doppelt so laut, wie bei geschlossener Luke. Und 68 dB(A) Fahrgeräusch unter Last am Berg ist auch nicht wirklich zeitgemäß. Nicht zu vergessen, scheint die Kabinenisolation nicht die beste zu sein. Geparkt an einer belebten Autobahnraststätte schläft es sich in DAF, Volvo und Co. deutlich ruhiger.
Der direkte Vergleich mit dem Konzernbruder offenbart auch einige qualitative Unterschiede. Im Franzosen ist deutlich mehr Hartplastik verbaut und die Oberflächen sind weder so pflegeleicht, noch so kratzunempfindlich wie im FH. Immerhin muss man für den Renault eine Lanze brechen: Beim Test gab es keine Beanstandungen bezüglich ungewollter Nebengeräusche. In dem Punkt hat der T gegenüber dem Magnum deutlich die Nase vorne.
Ohne Sonnenblende, mit den im Verhältnis schmalen A-Säulen, eher filigranen Spiegelgehäusen und einem breiten Steg zwischen Fensterrahmen und Spiegel, zeigt sich der T halbwegs übersichtlich. Am Testtag herrschte warmes Sommerwetter. Die im Fahrzeug installierte automatische Klimaanlage hatte keine Probleme, eine zugfreie Belüftung sowie konstant angenehme Temperaturen herzustellen. Einzig der schweißtreibende Sitzbezug der allenfalls durchschnittlich bequemen Sitze gab Anlass zur Kritik.
Unterm Strich ist Renault ein guter Lkw gelungen, dessen avantgardistisches Äußeres allerdings ziemlich polarisiert. Das hat der T mit seinem Vorgänger gemeinsam: Man liebt ihn oder man hasst ihn. Auch wenn er nicht die üppige Ausstattungsliste eines FH zur Verfügung hat, geht eigentlich nichts wirklich ab. Fahrkomfort und Fahrsicherheit liegen auf hohem Niveau. Platz ist speziell im "High Sleeper" ebenfalls genug. Trotz der beschriebenen Qualitäten hat es der Franzose auf dem deutschen Markt nicht leicht. Die wenigstens Fahrer (und Unternehmer) geben ihm die Chance, die er vielleicht verdient hätte.