Noch trägt die Mehrzahl der neuen Renault T auf Deutschlands Straßen osteuropäische Kennzeichen. Doch der hiesige Vertrieb arbeitet dran, den T populärer zu machen. Vor allem die Version "Sleeper Cab" als Premium-Nachfolger hat gute Chancen zu ernten, was der Vorgänger gesät hat. Dem eilte der Ruf voraus, leicht, sparsam, gut ausgestattet und trotzdem günstig zu sein.
Diese Attribute attestieren die Franzosen auch ihrem neuen Fernverkehrs-Laster. Im TRU-CKER muss er jetzt zeigen, ob er das Zeug hat, dem etablierten Wettbewerb Paroli zu bieten. Erste Parallele zum Premium ist der noch immer vorhandene Motortunnel. Dafür glänzt der T mit bequemen Einstieg und hat gegenüber dem "High Sleeper" nicht wirklich weniger Stauraum.
Bei der Motorisierung scheint der 460er Liebling der Kunden zu sein. Im Test haben wir uns - dem Trend nach weniger Leistung und niedrigerem Kraftstoffverbrauch folgend, dennoch für den 430er entschieden. Der DTI 11-Reihensechszylinder mit 10,8 Liter Hubraum ist relativ leicht. Renault gibt an, dass ein T ohne Retarder und in Standardausstattung nur 7160 Kilo auf die Waage bringen würde. Mit Retarder, hohem Ausstattungsniveau und aerodynamischer Vollverkleidung liegt der Test-LKW bei gut 7600 Kilo ...
430 PS UND 10,8 LITER HUBRAUM MACHEN KEINEN RENNWAGEN
Wunder bei den Fahrleistungen darf der Fahrer nicht erwarten. Weil wir den Test des T 430 nutzten, um die klassische Fünfachs-Kombination gegen den Vierachs-Sattel zu testen, reichte das Spektrum von 33 bis 40 Tonnen Gesamtgewicht. Mit niedrigen Tonnagen - auch mit 38 Tonnen und zwei Reifen weniger Rollwiderstand, kommt der 430er gut zurecht. Viel Temperament hat er wegen der langen Achsübersetzung nicht. Dafür gibt er sich aber trotz Abgasrückführung sparsam (Verbrauch s. Kasten S. 27). Renault nutzt die AGR vor allem, um die Abgastemperatur und die Wirksamkeit des SCR-Kats hoch zu halten.
Subjektiv fehlt es an Drehmoment - mit 2040 Newtonmetern rund 100 Nm weniger als bei vielen Wettbewerbern. Leider kann auch die elektronische Steuerung von Tempomat und Bremstempomat (noch) nicht überzeugen. Der T zeigt Überschwinger. Zwar regelt "Softcruise" das Tempo im Sinne langer Rollphasen. Im Endeffekt fehlt aber ein GPS-Tempomat.
Speziell mit 40 Tonnen und auf hügeliger Topographie sind häufige Gangwechsel nötig. Die erledigt die automatisierte Optidriver-Schaltung mit gewohnter Zuverlässigkeit. Die Auslegung der Schaltpunkte ist ganz aufs Sparen ausgelegt. Nur in der kleinen Gruppe überspringt das Getriebe Schaltstufen. In den oberen sechs Gängen wird schon bei knapp unter 1500 Touren hochgeschaltet. Damit sind sicher nicht alle Fahrer glücklich, greifen manuell ein und treiben damit meist den Verbrauch in die Höhe.
TROTZ GLEICHEM GETRIEBE NICHT GANZ DAS VON VOLVO GEWOHNTE NIVEAU
Im direkten Vergleich mit dem Konzernbruder Volvo fällt auf, dass die Renault-Schaltbox die Gänge nicht so perfekt sortiert. Außerdem fährt die Schaltung nicht in jedem Fall die ideale Schaltstrategie. Es kommt vor, dass der T schon mal den weniger passenden Gang einlegt - im Berg und an der Kuppe zu spät hoch- oder herunterschaltet und im Bremstempomatmodus mit zu wenig Drehzahl fährt. Auch die Eco-Roll-Funktion ist noch nicht perfekt. Und nicht zu vergessen: der Schalthebel ist ungünstiger positioniert.
Warum die Franzosen den längsten der vier vorhandenen Rückwärtsgänge sperren, bleibt ihr Geheimnis. Zudem lässt sich die schnelle Reversierstufe nur im Stand einlegen, während man R1 und R2 beim Fahren wechseln kann.
Obwohl Renault die neue Lenkradverstellung mit Doppelgelenk verbaut, fehlt es etwas an Verstellbereich. Groß gewachsene Fahrer haben das Volant knapp über den Oberschenkeln. Die Entriegelung per Knopf rechts neben der Lenksäule sitzt außerdem ungünstig. Dafür passen die neuen Sitze wie angegossen: logische Verstellung, weiter Verstellbereich und optimale Passform gehören zu ihren Vorzügen.
Der Retarder- und Motorbremshebel sitzt jetzt endlich rechts. Die Mehrzahl der direkten Bedienfunktionen hat Renault ins ziemlich überfrachtete Multifunktionslenkrad integriert. Nur wer nach einem intensiven Blick in die Bedienungsanleitung die Funktion der vielen Schalter verinnerlicht hat, kommt klar. Zentrales Steuerelement ist ein Dreh-Drück-Taster à la Audi, der auf der Rückseite der rechten Lenkradspeiche sitzt.
Er steuert viele Menüpunkte, etwa die Sensibilität des Abstandstempomaten oder die Konfiguration des doppelt belegten Tempomaten mit den entsprechenden Über- und Unterschwingern für eine möglichst sparsame oder auch "sportliche" Fahrweise.
Der T ist kein sonderlich leises Auto. Zudem offenbart das Sleeper Cab deutliche Windgeräusche aus dem Bereich der groß ausgefallenen Spiegel(halter) sowie der Sonnenblende. Das große Sichtfeld der Spiegel hat zwar Vorteile beim Blick nach hinten. Leider zeigt sich eine große Sichteinschränkung beim Abbiegen oder beim Befahren von Kreisverkehren.
Die Lenkung gibt sich - auch reifenabhängig - indifferent um die Mittellage. Mit ein paar Grad Lenkwinkel wird sie direkt und gefällt durch niedrige Bedienkräfte, bleibt aber in allen Situationen ein wenig synthetisch. Die Kabine neigt in Kurven zum Wanken - allerdings nicht so schlimm, als dass der Fahrer gleich am Lenkrad reißen würde. Nicken beim Bremsen ist dagegen nicht festzustellen.
Die Hinterachse des Renault, serienmäßig über vier Luftbälge gefedert, könnte weniger hart abgestimmt sein. Vor allem mit sinkender Sattellast lässt es der Franzose an dem sonst für die "Grand Nation" typischen Fahrkomfort missen. Wir empfehlen deshalb in jedem Fall in die aufpreispflichtige Komfortlagerung der Kabine zu investieren. Zudem offenbarten sich beim Testwagen Vibrationen aus dem Bereich Motor/Antriebsstrang, die bis in den Sitz durchschlugen.
Innen bietet der neue Renault viele praxisgerechte Lösungen. Darunter wahlweise ein oberes Bett, dessen Vorderteil sich anklappen lässt, wahlweise auch ein Transportnetz. Dadurch entsteht zusätzlicher Stauraum in der ansonsten an Gepäckvolumen nicht sehr reichhaltigen Kabine. An den Staufächern über der Scheibe finden sich praktische Jalousien. Die Verarbeitung ist gut, auch wenn die verwendeten Kunststoffe hart sind. Nur das Klappern der elektrisch verriegelten Kühlschrank-Schublade hat Renault noch nicht ganz im Griff.
Eine "Pfeilung" des Kabinenrohbaus nach vorne sorgt ebenso für bessere Aerodynamik wie der um zwölf Grad angestellte Scheibenwinkel. Leider geht das aber alles auf Kosten der Bewegungsfreiheit im Innenraum.
WIRKUNGSVOLLES BREMSSYSTEM MIT LEISTUNGSFÄHIGEM RETARDER
Die Betriebsbremse des Renault arbeitet sehr ordentlich. Auf die diversen Trailer- und Tonnagewechsel während des Tests stellt sich das EBS schnell und zuverlässig ein. Der Fahrer hat ein gutes Gefühl auf dem Bremspedal, die Reaktionszeiten der Stopper fallen kurz aus, die vorhandene Verzögerungsleistung ist sehr gut. Uns gefällt, dass die Franzosen auf Retarder-Power setzen. Gut so, denn speziell beim DTI11 zeigt sich die Motorbremsleistung auch bei hohen Drehzahlen und trotz "Optibrake"-Ventilbremse nur durchschnittlich.
Die Armaturen des "T" wirken verspielt. Seine Instrumente sind klar gezeichnet, gönnen sich aber typisch französische Eigenarten. Die Vorteile der von Volvo adaptierten elektronischen Handbremse erschließen sich nicht sofort - gut: sie löst automatisch beim Anfahren. Die Schalter sind in Funktionsgruppen angeordnet, wirken aber für Neulinge "verstreut". Der Aufstieg zum Säubern der Scheibe gelingt mit den breiten Trittstufen und den entsprechenden Griffen einfach und sicher.
NACH DETAILARBEIT WÄRE DER T TROTZ ANDERSARTIGKEIT SEHR INTERESSANT
Unterm Strich ist der Franzose ein Auto mit Ecken und Kanten - man könnte auch sagen: ein Charakterkopf. Freunde des Exotischen finden sicher Gefallen. Der Franzose weiß aber - im Gegensatz zum Magnum, auch rationale Naturen zu begeistern. Als 430er ist er gut, wenn nicht permanent 40 Tonnen zu transportieren sind. Als 460er ist er dagegen ein für alle Fälle empfehlenswerter Lkw. GG
KABINE UND NACHTEINSATZ
Exakt 20 Zentimeter misst der Motortunnel im Sleeper Cab. Damit verbleiben bis zum Dach 1,85 Meter "Stehhöhe". Im Dachbereich ist das Stauvolumen identisch zum "High Sleeper". Der Kühlschrank, in der großen Kabine 40 Liter groß, schrumpft dagegen. Speziell im Sleeper würden wir auf das obere Bett verzichten, zumal die untere Schlafstatt, auf 80 Zentimeter Breite ausziehbar, sowieso mehr Platz bietet. Empfehlenswert ist die zusätzliche Steppdecke für die Komfortschaummatratze. Die Klimatisierung der Kabine passt mit zugfreier Belüftung, konstanter Temperatur und sinnvoller Luftverteilung. Eine nette Idee, wenn auch von einem anderen Hersteller "abgeschaut", sind die in Funktionsgruppen angeordneten, aber untereinander austauschbaren Schalterelemente. Gut gefallen uns auch die Impuls-Fensterheber, die für einfache Bedienung etwa an ausländischen Mautstellen sorgen. Xenon-Abblendlicht ist ebenfalls eine Empfehlung. Das LED-Standlicht betrachten wir mehr als zeitgemäßen Gag denn als echte Notwendigkeit. Was fehlt, ist ein ordentlicher Becher-/Flaschenhalter.