Hundefutter hat den Fuchs neugierig gemacht: Seit ihm Kipperfahrer immer mal eine Portion mitbrachten, leistet ihnen Meister Reinecke beim Abkippen in der Grube immer gern Gesellschaft.
Doch diesmal flattert ein Greif mit dem typischen D13-Flügelschlagsound ("lak-lak-lak") heran. Am Steuer ein Scania-Fahrer und ein Tester. Schade für den Fuchs, keiner hat etwas Essbares dabei! Denn sie sind beschäftigt mit Scanias G 450 CB 6x6 HHZ - einem Vertreter der Hardcore-Allrad-Fraktion. Die darf, zusammen mit den anderen Baureihen, wahrscheinlich bald in Rente gehen. Da stellt sich die Frage, was der Neue alles besser können muss und wo das aktuelle Modell noch überzeugt.
Nichts zu optimieren gibt es an Einstieg und Ergonomie: Der 6x6 HHZ ist wohl der einzige Allrader, in dem man (fast) wie im Pkw sitzen kann, Einstieg und Verarbeitung stimmen ebenfalls.
DAS GETRIEBE BAUT VOLL AUFS ÜPPIGE DREHMOMENT
Das enorme Stehvermögen des D13, der zwischen 1000 und 1300 Umdrehungen 2350 Newtonmeter (und im Crawler entsprechend bärige Kräfte) an die Räder schickt und sich notfalls auch aus Drehzahltälern jenseits der 800 Touren wieder emporarbeitet - ließe sich allenfalls marginal optimieren. Auch die Schaltgeschwindigkeiten des GRSO905R mit Zweipedal-Opticruise stimmen. In schwerem Gelände fährt man ohnehin manuell.
Und das gar nicht so selten, denn die Programmierung könnte künftig noch ein kleines Update vertragen: Im Standardmodus setzt sie im Gegensatz zu anderen Herstellern voll auf das füllige Drehmoment der "Sexmachine" unter der Hütte und stuft schnell nach oben. - kommt in großen Gruben dann plötzlich eine Kehre oder ein 90-Grad-Abzweig, kann sie zwar auch von Gang vier auf eins zurückspringen - doch leider steht die Fuhre dann trotzdem. Viel besser geht das manuell oder im "Offroad-Modus", der immer Gang für Gang schaltet und etwas höher dreht. Damit bewegt sich der 6x6 flüssig - und auf langen Geraden stuft man eben manuell nach oben.
Ob man den "Power-Modus" als dritte Programmierung neben "Normal" und "Offroad" braucht, hängt vom Einsatz ab: Er bringt noch mal mehr Kraft und Leistung an die Räder, was man aber auch per Kickdown oder manuell erreichen kann. Wer mit den Allradern außer Gruben- auch immer wieder Streckenverkehre meistern muss, hätte vielleicht sogar an "Eco" statt "Power" mehr Freude. Das gilt auch für die Scheibenbremsen, die deutlich angenehmer greifen als die schweren Trommeln, die tendenziell nach dem Motto "erst nix und dann alles" arbeiten - was beim Dreiachser offroad weniger ins Gewicht fällt als beim Vierachser auf der Straße.
SCHLAUE ELEKTRONIK - MAN MUSS SIE ZU NUTZEN WISSEN
Das Bergan-Klettern kann aber der Tempomat erleichtern, bei dem sich wie bei Renault eine Drehzahl fest programmieren lässt, mit der der schwedische Bauarbeiter stoisch nach oben steigt. Bergab muss man wissen, dass der Zug am Retarderhebel zunächst nicht viel bewirkt: Der Sekundärretarder ist hier eben nur "second best" und braucht etwas, bis er eingreift. Steigt die Drehzahl zu hoch, schaltet der Schwede außerdem gnadenlos hoch und nimmt wie sein Erzfeind aus Göteborg unerwartet richtig Fahrt auf.
Also: Besser zusätzlich die Motorbremse aktivieren, die sich trotz 26 Tonnen unerwartet kräftig ins Zeug legt und per Tipp aufs Bremspedal die Geschwindigkeit programmieren: Dann hält der 6x6 auch verlässlich das eingestellte Tempo. Die Frage ist nur, warum ein Arocs das allein durch Zug an Motorbremse respektive Retarder und Neigungswinkelsensor (den der Scania übrigens auch bemüht) deutlich souveräner kann. Hier darf Scania beim Neuen etwas nachbessern.
Ebenso bei den Federbriden der Parabelpakete, die mit ihrem permanenten Knarzen den gleichmäßigen Sechszylindersound stören. Den Praktikern fielen zudem die Simmerringe vorn auf, die auch zum Verschleißteil werden können.
DIE SPERREN AKTIVIERT MAN PER DREHSCHALTER
Gut gelöst hat Scania die Sperren, die per Drehschalter in sinnvoller Reihenfolge aktiviert werden - die Vorderachse zuallerletzt - während der Freilauf vorn (zum Beispiel im Falle von Freischleppen) per Taster mit Schiebesicherung aktiviert wird. Bleibt also festzuhalten: Motorleistung und Ergonomie brauchen keine Änderung und auch die 13.220 Kilo Leergewicht können sich sehen lassen. Nur bei der Feinabstimmung und Integration der Elektronik könnte der Schwede noch etwas Feinschliff vertragen.
Das gilt auch für die Federung der anschließend bewegten G 490 CA 4x4 HHA-Zugmaschine mit Kempf-Sattel samt Nachlauflenkachse: Während der Sattel prinzipbedingt fein und stoisch hinterherläuft, gibt sich der Greif trotz Zweibalg-Luftfedern an den Hinterhufen eher bockig.
Auch er verzögert über Trommelbremsen, die hier aber nicht ganz so abrupt zupacken wie beim 8x4. Im Prinzip lassen sich die beim 6x6 erfahrenen Vor- und Nachteile auch auf die Allradzugmaschine übertragen. Motorisch ist sie mit 490 PS und 2550 Newtonmeter auch für weiche Böden gerüstet und für Streckenverkehre darf die lange und leicht erhöhte G-Kabine als goldener Mittelweg betrachtet werden: Sie erleichtert samt klappbarer Beifahrersitzfläche den Durchstieg (auch auf die optionale Ruheliege). Und obwohl die Hütte weit oben thront, schafft Scania auch hier ein vergleichsweise kompaktes Fahrgefühl bei ansprechendem Gewicht.
Insofern ist der Weg für die Zukunft der Scania-Bauarbeiter klar vorgezeichnet: Sie spielen die leichte, fahraktive und kräftige Alternative auf dem Bau, die vielleicht noch etwas Feinschliff an Fahrwerk und Elektronik veträgt. Da gleicht der Greif dem Fuchs: Schnell und schlau ist er schon. Doch den ganz großen Auftritt meidet er - noch.