In der Tat, das Knattern ist weg: Mit kräftigem, aber gesundem mechanischen Klang tritt der neue kleine Daimler-Motor den Dienst an. Am Steuer hört der Fahrer ein ebenso rundes Laufgeräusch, nicht ganz so dezent allerdings wie etwa bei einem MAN TGL. Auch dessen Geschmeidigkeit und Vibrationsarmut erreicht der neue Atego-Antrieb nicht. Doch er hat geräuschmäßig aufgeholt im Zuge der Frischzellenkur.
Deren Kern bilden eben die neu entwickelten Vier- und Sechszylinder, ausschließlich in Euro 6. Technische Leckereien: Common-Rail-Einspritzung, Vierventiltechnik, verstellbare Auslasssteuerzeiten. Und die Aggregate zeigten auch bei ersten Fahreindrücken, dass Theorie nicht grau sein muss.
Der "papierene" Drehmomentzuwachs ist in der Praxis sofort spürbar. Druckvoll und quirlig arbeitet sich schon der Vierzylinder im 7,5-t-Klassiker Atego 816 durchs Drehzahlband. Der 5,1-l-Motor verfügt auch unter 1000 Touren über den Mumm, kleinere Steigungen oder Überholmanöver zu bewältigen, auch dann, wenn der oberste sechste Gang des schnell und ruckfrei stufenden Powershift-3-Getriebes lang stehen bleibt. Überhaupt gefällt die unaufgeregte, auf Effizienz ausgerichtete Schaltstrategie der serienmäßigen Automatik-Box. Unaufgeregt und effizient agiert auch die Eco-Roll-Funktion, dank der der Atego in Teillast lässig dahingleitet.
Auch beim Verzögern entfacht das neue Herz viel mehr Feuer: Wo es der Konstantdrossel des Vorgängers an Biss fehlte, fängt die 145-kW-Dekompressionsbremse den Atego mit schnellem Sprung zwei Gänge abwärts rigide ein. Dieses Versprechen hält Daimler also ebenfalls, auch wenn die Testtrucks noch unballastiert waren.
Geschmeidiger als früher auch der Antritt: Ansatzlos zieht der Atego los. Auch am Berg, wo in Serie ein Hillholder hilft, keine Spur von Lastschlägen oder Ruckeln.
Klar geht der Sechszylinder-Top-Motor mit jetzt 300 PS im gefahrenen Atego 1230 noch druckvoller zur Sache. Und die acht Gänge der "größeren" Powershift-Box ermöglichen einen sehr langen obersten Gang, der das Drehzahlniveau bei 80 km/h auf 1400/min senkt. Doch wir wagen die Prognose, dass im Solo-Mautkiller der auf 231 PS erstarkte Top-Vierer genügt.
ÜBERRASCHUNG: STARK VERBESSERTES FAHRWERK
Zumal der Sechszylinder mit seiner riesigen Motorkiste den Blick stärker darauf lenkt, dass sich im Inneren des Atego bis auf das neue Instrumentencluster und das Multifunktionslenkrad nicht viel verändert hat. Das Volant ist übrigens weiter per Knöpfchen und nicht allzu weit verstellbar. Wer noch den neuen Kühlschrank installiert, fühlt sich richtig eingemauert, Durchstieg fast unmöglich.
Doch hierauf lag nicht der Fokus. Mehr noch als der neue Motor überrascht das überarbeitete Fahrwerk. Den Atego-Chauffeur erfreut vor allem, dass die harschen Schläge der Vorderachse, die einst bis ins Lenkrad drangen, eliminiert wurden. Selbst der gewichtsoptimierte Basis-816er mit Einblattparabel bügelt die fiesen Fugen einer Plattenautobahn souverän weg.
Im 1230er mit höher sitzender Kabine und Zweiblattparabel findet die Straße gefühlt weit unten statt, der Komfort ist stark verbessert. Zugleich durchfährt der Atego Kurven präzise und verbindlich, besonders der 816er wirkt viel agiler. Auch Spurrillen bringen das Fahrwerk nicht mehr aus der Ruhe. Es entsteht ein sicheres und souveränes Fahrgefühl, verstärkt dadurch, dass man jetzt ESP (den gesetzlichen Auflagen gemäß) im Hintergrund weiß.
Insofern ist der renovierte Atego der schwäbischste der im Daimler-Sprech "Euro-6-All-Stars": Nicht so auffällig neu wie Antos, Arocs und Actros - dafür besitzt er ganz neue innere Werte.