-- Anzeige --

Neuvorstellung: Mercedes-Benz Atego

02.05.2013 08:00 Uhr
Neuvorstellung: Mercedes-Benz Atego
Mercedes Benz Atego: Der lässt sich gut an
© Foto: Daimler

Der Atego hat ausgeknattert: Außer dem Antrieb hat Daimler das Fahrwerk renoviert, das Rad aber sonst nicht neu erfunden.

-- Anzeige --

Klappern gehörte zu seinem Handwerk: Der Atego war als Warenverteiler immer deutlich vernehmbar und damit eher rauer Handwerker als smarter Bote. Soviel lässt sich nach unserem ersten Dreh am Zündschlüssel schon sagen: Damit ist jetzt Schluss. Die neuen Euro-6-Common-Railer der Baureihen OM 934 und OM 936 nehmen mit gesundem mechanischen Klang, ohne das ungute Klackern ihre Arbeit auf und bringen zudem mehr Laufruhe unter die bekannte Kabine. Anwohner werden die jetzt niedrigere Leerlaufdrehzahl danken. Die Motoren stellen die größte Veränderung bei der Überarbeitung des Leichtlasters aus Wörth dar - übrigens eine Koproduktion deutscher und brasilianischer Daimler-Ingenieure. Die Aggregate punkten mit zwei obenliegenden Nockenwellen und verstellbaren Auslasssteuerzeiten. Dabei feiert die verstellbare Auslassnockenwelle Premiere in einem Serien-Dieselmotor. So kann man die Auslassventile bei Bedarf früher öffnen, wodurch heißes Abgas in den Abgastrakt entweicht und so die selbsttätige Regeneration des Dieselpartikelfilters unterstützt. Das funktioniert laut Daimler auch bei Fahrten bei bis zu minus 30 Grad Celsius.

VIERZYLINDER: KRAFT WIE FRÜHER EIN SECHSER

Vier- und Sechszylinder wurden mit vielen Gleichteilen konzipiert, was Daimler Teilenummern und den Kunden Werkstattkosten spart. Die hohen Zünddrücke mit mehr als 200 Bar und 2400 Bar Arbeitsdruck sollen dafür sorgen, dass die neuen Motoren trotz Euro 6 sparsamer sind als die Vorgänger - bis zu fünf Prozent reklamiert Daimler-Trucks-Entwicklungschef Georg Weiberg. Den Adblue-Verbrauch will man halbiert haben. Gut so, da muss der Fahrer seltener nachfüllen. Dazu kommen längere Serviceintervalle von bis zu 120.000 Kilometern, wobei in der Praxis der "flexible" Rechner die Autos gern mal früher in die Werkstatt ruft. Die Schmiermittelmenge wurde ebenfalls halbiert.P Die Leistungscharakteristik dürfte den größeren Motoren folgen: heißt, viel Drehmoment schon bei niedrigen Drehzahlen und über einen breiten Bereich. Da Daimler die Wasserpumpe seitlich des Motors verlegt hat und das Räderwerk für den Ventiltrieb samt Ölpumpe nach hinten, konnten die Motorabmessungen trotz erhöhtem Hubraum und Kühlkreislauf beibehalten werden - gut so, denn die Motorkiste war wuchtig genug. So viel Bewegungsfreiheit wie ein MAN TGL bietet der Atego weiter nicht, der Durchstieg zur Beifahrerseite oder gar auf die Liege in der Langversion gerät ob mit oder ohne Schaltknauf stets zur Kraxelei und ist nur laut Mercedes-Pressemitteilung "hindernisfrei". Wer im Atego mit L-Haus (und hoffentlich Hochdach) auf mehrtägige Touren gehen muss - womit Daimler durchaus rechnet - bekommt in Form einer einteiligen Sieben-Zonen-Kaltschaummatratze immerhin mehr Schlafkomfort, wenngleich weiter im Schmalspurformat. Wahlweise gibt's sogar ein zweites Bett ... Eine stärkere Isolierung soll generell den Geräuschkomfort verbessern, wie neue Sitze den Komfort bei der Arbeit erhöhen.

Das Rad neu erfunden haben die Gestalter aber nicht. Deutlichster Fortschritt ist das edel hinterleuchtete Actros-Zentraldisplay, das neben der Abfahrtskontrolle auch Bordcomputer, Anbindung an Fleetboard samt "Eco Support"-Instantratgeber (wohl ähnlich wie bei Scania) sowie Lenk- und Ruhezeiten bereithält. Neu ist auch das leider immer noch "Überkopf"-platzierte Radio, wahlweise samt Bluetooth und USB. Das Multifunktionslenkrad gehört zur Serie, die neue Zentralelektronik ermöglicht Features wie Tipp-Blinken, Follow-Me-Home-Beleuchtung sowie adaptives Bremslicht.

ESP WIRD SERIE, WEITERE ASSISTENTEN ERST SPÄTER

Die Powershift-3-Offensive setzt Daimler auch beim Atego fort mit automatisierten Sechs- und Achtgangschaltungen, die Sechs- und Neungang-Handschalter (seilzugbetätigt) werden damit zur Sonderausstattung. Wer sie ordert, bekommt den Schalthebel jetzt wie beim Iveco Eurocargo ans Armaturenbrett verlegt. Alle Getriebe weisen vier Fahrprogramme und drei Fahrmodi auf. Standard ist dabei immer der Fahrmodus "Economy", der auch die von den schweren Geschwistern bekannte "Eco-Roll"-Funktion beinhaltet. Bedient werden die neuen automatisierten Schaltungen wie bei Actros, Arocs und Antos über den ebenso wertigen, weniger klobigen Lenkstockhebel. Die Hinterachsübersetzung ergänzt eine 3,417er-Auslegung.

Für Sondereinsätze gibt es jetzt auch Sonderabstufungen: Die Bauversionen können auch mit einem Offroad-Modus geordert werden. Und speziell für die Feuerwehr bietet Daimler ein extra schnell schaltendes Fire-Service-Fahrprogramm. Weiter steht natürlich die bekannte Allison-Fünfgang-Wandlerautomatik zur Verfügung oder die ZF 9 S 1115 Handschaltung mit extrem kurzen Crawler für schweres Gelände und extreme Langsamfahrt.

Serie ist jetzt konsequenterweise ESP, auf weitere Fahrassistenzsysteme, wie sie etwa dem Antos per Gentransfer aus dem Actros zuteil wurden, muss der Atego aber bis zum gesetzlichen Termin 2015/16 verzichten. Dafür sorgt die zweistufige Hochleistungs-Dekompressionsmotorbremse, die beim Vierzylinder 145 kW (Optional: 170 kW) Sechszylinder 235 kW (Optional: 300 kW) leistet, für mehr aktive Fahrsicherheit. Nach ersten Erfahrungen in Actros und Antos dürfte auch die im Atego verbaute Version das Auto ordentlich verzögern. Dazu packt Daimler erstmals im LKW optional einen Permanent-Magnet-Retarder von Voith, der 650 Nm Bremsleistung bietet. Damit sollten sich auch schwere Hängerzüge gut im Zaum halten lassen. Außerdem eröffneten sich durch die Reduzierung der Schaltvorgänge sowie der um 60 Prozent geringere Einsatz der Betriebsbremse weitere Spar- und Komfortpotenziale, preist Daimler die innovative, 39 Kilo schwere Dauerbremse, die Voith zur IAA 2008 erstmals zeigte.

Auch fahrwerksseitig will Daimler stark nachgelegt haben: Die ehemals trampelige, austeilfreudige Vorderachse wurde komplett neu abgestimmt und die bisher eher stoßempfindliche Steuerung durch eine neue Kugelumlauflenkung ersetzt. In Sachen Komfort und Präzision dürften die Chauffeure des neuen Atego also einen großen Entwicklungssprung "erfahren" können.

ZIEL BEIM FAHRWERK: "STRAFFE DIREKTHEIT"

Dazu trägt auch die straffer ausgelegte, neue Vierpunkt-Fahrerhauslagerung bei, die weniger Nick- und Wankbewegungen zulassen soll. An der Hinterachse änderten die Ingenieure die Anlenkung, was vor allem das Eigenlenkverhalten bei schnellen Spurwechseln fühlbar verbessern soll.

Leider weniger üppig fielen die Fortschritte beim Gewicht aus, bisher sozusagen die Achilles-Verse des Atego: Der Schwabenverteiler gehörte vielleicht abgesehen vom gewichtsoptimierten 1222 mit Niederrahmenfahrgestell (n.R.) immer zu den schwereren Vertretern seiner Klasse. Das Mehrgewicht des Euro-6-Pakets versuchten die Konstrukteure durch Änderungen am Rahmen zu kompensieren. Was nicht ganz gelang: 53 Kilo mehr wiegt das 8-Tonnen-Fahrgestell, immerhin 90 Kilo plus schlagen beim 12-Tonner n.R. ins Kontor. Wer mit jedem Kilo rechnen muss, kann statt des 120-Liter-Stahltanks ein 80-Liter-Kunststoffreservoir ordern. Dazu kommen je nach Version optional Einblattparabelfedern an der Hinterachse, ein gewichtsoptimierter Seitenanfahrschutz (bis 10,5 Tonnen) oder Alu-Felgen.

Nicht geändert wurde (aus Kosten- und Konstruktionsgründen) der Rohbau, über den man noch weitere Pfunde hätte abspecken können. Und auch den MAN- oder Scania-Weg - eine Grundkabine für alle - geht Mercedes nicht mit.

Wie bei Antos und Arocs weitete Mercedes-Benz das Aufbauangebot nach Branchen aus: Neben der sechssitzigen Doka kann man ihn jetzt als vorgerüsteten "Straßenkehrer" oder als "Feuerwehrmann" mit 9,8 Tonnen Gesamtgewicht ordern. 15 Radstände zwischen 3020 und 6260 Millimeter samt Sattelzugmaschine stehen zur Wahl.

So neu wie seine Kollegen Actros, Antos und Arocs ist der Atego zwar nicht und der Löwenanteil der Atego-Entwicklungskosten von 800 Millionen steckt mit 500 Millionen Euro in der Motorenentwicklung. Aber seine schwäbischen Väter wissen durchaus, dass Klappern zum Handwerk gehört - und so wird der Leichtlaster mit dem selbstbewussten 280-mm-Stern im aufgehübschten, "schwimmenden" Grill jetzt auch als "völlig neues Fahrzeug" vermarktet. Nicht ganz zu unrecht: Der Atego weiß, was er (besser) kann - und Klappern im Wortsinne gehört nun nicht mehr zu seinem Handwerk. So viel ist schon nach dem ersten Anlassen klar!

-- Anzeige --
-- Anzeige --

HASHTAG


#Atego

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


TRUCKER – Das Magazin für Lkw-Fahrer im Nah- und Fernverkehr: Der TRUCKER ist eine der führenden Zeitschriften für Lkw-Fahrer und Truck-Fans im deutschsprachigen Raum. Die umfangreichen TRUCKER Testberichte zu LKWs und Nutzfahrzeugen gehören zu den Schwerpunkten der Zeitschrift und gelten als Referenz in der Branche. Der TRUCKER berichtet monatlich über die Themen Test und Technik, Show-Truck, Arbeitsrecht, Service, Unterhaltung.