So ein bisschen Software kann knallharte Folgen haben in einem modernen LKW: Die allerersten Runden mit einem allerdings etwas seltsam konfigurierten TGL 12.250 (Sechszylinder mit 12-Gang-Tipmatic!) verliefen in Bezug auf Schaltstrategie und Antriebsharmonie noch durchwachsen (s. Heft 5/2013). Doch bei den ersten Touren in den Serienmodellen mit neuester Getriebesoftware stellte sich das gewohnte Gefühl geschmeidiger Fortbewegung ein.
Etwa beim gefahrenen "Klassiker", einem 7,5-Tonner mit Kofferaufbau. Den hält auch MAN weiterhin für ein Volumenmodell nicht nur am deutschen Markt. Der D08-Vierzylinder, als 180-PS-Version weiter von einem einstufigen Lader beatmet, tritt in dem teilbeladenen Fahrzeug spontan an und dreht munter rauf, falls der Fahrer das mit knackigem Widerstand versehene Gaspedal durchtritt. Ansonsten sortiert das prächtig harmonierende Sechsgang-Tipmatic-Getriebe schnell nach oben, sodass man begleitet von sonorem Brummeln entspannt dahinrollt. Das Runterschalten lässt sich, etwa vor Steigungen, prima mit dem Gaspedal stimulieren, ebenso nach dem Gefälle das Hochsortieren.
Erfreulich auch, wie lange die Tipmatic die Gänge hält und so vor kleineren Kuppen keine Zeit für Schaltvorgänge verliert. Nötigenfalls stuft der Schaltroboter rasch und flüssig. In der Senke lernt der Fahrer dann die Brakematic-Funktion schätzen, die sich per Tipp aufs Bremspedal aktivieren lässt. Das Fahrzeug hält dann das aktuelle Tempo mittels recht kräftiger Motorbremse. Apropos halten: Dank Berganfahrhilfe rollt der TGL/TGM keinen Millimeter retour, sollte man in der Steigung starten müssen. Feinfühlig, aber kupplungsquälend, agiert auch der Rangiermodus, vorwärts wie rückwärts.
Der TGL könnte auf kurvigen Passagen zwar generell etwas mehr Gefühl für die Straße vermitteln. Doch dafür steuert sich der Koffer-LKW ungemein leichtfüßig, die Wankneigung wurde nochmals reduziert. Die Lenkung reicht darüberhinausauchbeiAutobahnquerfugen oder Kanaldeckeln kaum Schläge ins Steuer durch, der Fahrkomfort hat fernverkehrstaugliches Niveau. Dass dazu jetzt in Serie ESP wacht und optional Spurassistent sowie Notbremsassistent verfügbar sind, rundet das reife Bild ab. Der Abstandstempomat fehlt in der Liste, weil MAN den Bedarf im Nahund Verteilerverkehr nicht sieht. Eine etwas widersprüchliche Sicht.
Nicht minder harmonisch und locker-flockig fährt sich der TGL 12-Tonner mit dem doppelt geladenen 220-PS-Vierzylinder, der weiter mit spontanem Antritt glänzt. Und auch der TGM mit dem etwas lauter tönenden Sechszylinder-Aggregat und 290 PS fügt sich gut ins Bild, er steuert sich im Rahmen des höheren Gesamtgewichts ebenfalls sehr handlich. Eine Vollbremsung mit dem 18-Tonner aus 60 km/h bewies nebenbei, wie leistungsfähig MAN die Bremsanlage ausgelegt hat.
IN DER STADT FEHLT EIN START-STOPP-SYSTEM
Dass bei allen TGL/TGM zum gediegenen Fahrwerk jetzt auch ein gediegener, dem TGS entliehener Innenraum kommt, ist für den Fahrer am Wichtigsten. In Sachen Wertigkeit und Raumangebot kann da kein Wettbewerber mithalten. Hervorzuheben sind - neben der auch auf schlechten Strecken knisterfreien Verarbeitung - die fernverkehrstauglichen Sitze und das durchaus schlaftaugliche Bett der Langversion.
Außerdem gelangt man so leicht wie bei keinem anderen Verteiler in die Koje: Der Motortunnel macht sich auch mit Euro 6 recht flach. Nur die Konsole für Handbremse und Tipmatic-Drehregler hätte MAN im Zug der Umstellung auflösen und die Funktionen ins Armaturenbrett verbannen können. Klobig ist der linke Lenkstockhebel, dürr der rechte mit dem Knöpfchen für die Motorbremse. Statt der sinnfreien Plastikblende in der Mittelkonsole gibt es optional ein offenes Fach.
Ein Wermutstropfen ist, dass im Zuge von Euro 6 die Nutzlast bei den Vierzylindern um 100 bis 150 und bei den Sechszylindern um 150 bis 190 Kilo schrumpfte. Immerhin sitzt die "Chemiefabrik" mit 25-l-Adblue-Tank (reicht für zwei Dieseltankfüllungen) kompakt verpackt am Rahmen und beeinträchtigt etwaige Anbauten kaum. Sollte sich bei vielen Stadtfahrten der Partikelfilter zusetzen, kann der Fahrer manuell eine länger dauernde Regeneration einleiten. Vorteil des ganzen Reinigungsaufwands soll der niedrigere Dieselverbrauch sein, womit sich bei 2,5 Prozent Adblue-Konsum zu Euro 5 Verbrauchsneutralität ergebe. Ein Start-Stopp-System hätte die Verbrauchsbilanz vielleicht ins Plus gedreht. Doch MAN will in eigenen Tests "keinen relevanten Minderverbrauch" festgestellt haben und verzichtet auf das Feature, das nach TRUCKER-Erkenntnissen im Stadtverkehr durchaus Sprit spart. So bleibt selbst in einem feinen Verteiler noch Potenzial. Wie sagen die Bayern: "A bisserl was geht immer".