Wer den Neuen auf sich wirken lässt, erkennt den legendären Vorgänger wieder. Die Scheinwerferpartie, der hohe Einstieg, die vom Fahrgestell getrennte Kabine, alles ein wenig Magnum - und doch neu. Zum ersten Date hat Renault das Flaggschiff "T High Sleeper Cab" als 460er und 520er aufgefahren. Ihm zur Seite steht der "T Sleeper Cab", der künftig den Premium Route ersetzt. Wieviel Magnum es sein darf, darüber wird entscheiden, ob die Kabine mit Motortunnel oder die ohne gewählt wird.
DER AUFSTIEG IST HOCH, ABER JETZT VOR DER ACHSE
Bei der Variante mit flachem Boden führen künftig vier recht steile Stufen in luftige Höhe, jetzt ganz konventionell vor der Achse. Der von den Designern zwischen dritter und vierter Stufe zusätzlich angebrachte Handgriff ist kaum mehr als ein Gag für kleinwüchsige Chauffeure. Primär geben aber zwei herkömmliche Handläufe Halt beim Einstieg. Hat man auf dem bequemen und logisch verstellbaren Recaro-Sitz Platz genommen, beschleicht einen das Gefühl, diese Sitzposition schon zu kennen. Klar, aus dem Magnum! Zwar erlaubt der weite Verstellbereich des Gestühls auch großen Fahrern, ordentlich Platz zu finden. Der Lenkradverstellbereich fällt jedoch klein aus - trotz der schon aus dem Volvo FH bekannten Doppelgelenk-Kinematik. Die Entriegelung via Knopf neben der Lenksäule hätte man pfiffiger lösen können.
Beim Bedienkonzept geht der T neue Wege. Retarder- und Motorbremshebel sitzen jetzt rechts, die Mehrzahl der direkten Bedienfunktionen findet sich im neu gestalteten Multifunktionslenkrad. Das wirkt auf den ersten Blick verwirrend wegen der vielen Knöpfe und Taster. Ist der logische Aufbau aber einmal durchblickt, klickt man sich recht einfach durchs Menü. Zentrales Steuerelement ist der Dreh-Drück- Taster à la Audi an der Rückseite der rechten Lenkradspeiche.
Damit lassen sich zahlreiche Menüs auswählen, etwa das zur Einstellung der Sensibilität des Abstandstempomaten oder der Konfiguration des Tempomaten mit den entsprechenden Über- und Unterschwingern für eine möglichst sparsame oder auch "sportliche" Fahrweise. Nicht neu, aber gut: Die Idee, dass der Fahrer die Schalter der so genannten Bedieninseln für Lichtfunktionen und Fahrerassistenzsysteme individuell positionieren kann. Auch bedarf es zum Starten keines gesonderten Lösens der Handbremse. Das erledigt die jetzt elektrisch gesteuerte Feststellbremse beim Anfahren ganz von alleine.
Beim Fahren fällt das hohe Geräuschniveau auf. Zudem machen sich vor allem beim tiefer sitzenden Sleeper Cab deutliche Windgeräusche aus dem Bereich Spiegelhalter sowie Sonnenblende bemerkbar. Kaum verwunderlich, die Spiegel sind ziemlich groß. Zwar eröffnen sie ein gutes Blickfeld, behindern aber doch ein wenig die Sicht.
Wegen der flachen Topographie und nur rund 36 Tonnen Gesamtgewicht ist man mit 460 und 520 PS fast schon übermotorisiert. Zumindest haben die 12,8 Liter großen Triebwerke bei der Umstellung auf Euro 6 nichts von ihrer guten Performance eingebüßt. Ganz im Gegenteil, präsentieren sie sich aus niedrigen Drehzahlen mit fülligerem Drehmoment und im Hauptfahrbereich mit üppigen und relativ flachen Leistungskurven. Wie es um die Ökonomie des mit Pumpe-Düse-Einspritzung bestückten DTI13 bestellt ist, wird sich im Test zeigen. Der 10,8-Liter verspricht mit Common-Rail-Technik jedenfalls bessere Verbräuche. Vor allem aber ist der T damit 240 Kilo leichter als mit DTI13!
Wie erwartet harmoniert das automatisierte Optidriver-Getriebe sehr gut mit den starken Antrieben. Wobei die Auslegung der Schaltpunkte trotz der vielen Power auf Sparen ausgelegt ist. Nur in der kleinen Gruppe überspringt das Getriebe Schaltstufen. In den oberen Gängen erfolgt bei knapp unter 1500 Touren die Hochschaltung. Damit werden nicht alle Fahrer glücklich sein. Etwaige manuelle Eingriffe könnten dann wiederum den Verbrauch hochtreiben ...
ZWEI BODENHÖHEN, NUR EIN STAURAUM-KONZEPT
Von der Auslegung sind "High-Sleeper" und "Sleeper" im oberen Bereich identisch. Das bedeutet in beiden Fällen ausreichend Stauraum für die große Fahrt. Die "High"-Version offeriert zusätzliches Stauvolumen in den üppigeren Außenstaufächern.
Auch wenn Renault auf die Einzelradaufhängung an der Vorderachse verzichtet, glänzen die neuen Modelle mit komfortabler Federung. Die Lenkung zeigt sich - wohl Reifenabhängig - ein wenig ungenau um die Mittellage. Generell ist sie aber direkt und auf niedrige Bedienkräfte ausgelegt. Die Großraumkabine mit ebenem Boden neigt in Kurven zu leichtem Schaukeln. Immerhin nickt sie nicht beim Bremsen. Die Version mit Motortunnel sitzt - wie vom Premium bekannt - straff auf dem Rahmen, bietet aber auch durchaus akzeptablen Langstreckenkomfort.
Die Interieurdesigner durften sich, ganz unabhängig von Volvo, frei entfalten und haben viele gute Ideen verwirklicht. Dazu gehören unter anderem ein oberes Bett, dessen Vorderteil sich anklappen lässt. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Stauraum, der dort Gelagertes sicher vor dem Absturz hindert. An den optionalen Staufächern der Rückwand finden sich statt platzraubender Deckel praktische Jalousien wie bei Volvo. Die Verarbeitung ist gut, auch wenn die verwendeten Kunststoffe eher hart sind.
Renault hat die gesetzlich möglichen Kabinenmaße nicht voll ausgeschöpft. Eine "Pfeilung" nach vorne für eine bessere Aerodynamik sowie der um zwölf Grad angestellte Scheibenwinkel kosten Platz. Dennoch wurde durch Verzicht auf Schaltkonsolen, Handbremshebel sowie durch die hoch bauenden Betten mit voluminöser Schublade darunter ein großzügiger Innenraum verwirklicht. Dass die in einer elektrisch verriegelten Schublade untergebrachten Kühlschränke bei allen Testfahrzeugen ein wenig in den Schienen knarrten, schreiben wir der Vorserienqualität zu. Das soll laut Renault auf jeden Fall noch besser werden.
So hinterlassen die neuen Renaults bei den ersten, kurzen Fahrtests einen durchweg guten Eindruck. Der Verzicht auf technische Gimmicks wurde durch ein tolles Bedienkonzept und eine praktische Innenraumgestaltung mehr als kompensiert. Da kann sich Volvo schon mal warm anziehen.
GG
KABINENFERTIGUNG IN BLAINVILLE | Dächer rauf, Dächer runter
Alle Kabinen, auch die der T-Reihe, fertigt Renault im Werk Blainville-sur-Orne in der Normandie. Der Rohbau der großen Fahrerhäuser besteht aus 230 Blechteilen, die mit 3000 Schweißpunkten und rund einem Meter Lichtbogen-Schweißnaht zusammengefügt werden. Im fast menschenleeren Kabinenrohbau fertigen 74 Roboter, 48 Greifvorrichtungen und neun so genannte Manipulatoren (erleichtern das Teilehandling) bis zu 255 Karosserien pro Tag. Nach dem Rohbau und der Lackierung werden die Dächer wieder entfernt, um den Innenausbau leichter vornehmen zu können. Die Dächer werden anschließend verklebt und mit sechs Schrauben zusätzlich gesichert. Noch vor der Montage auf dem Chassis erfolgt eine Kontrolle aller elektrischen und elektronischen sowie der pneumatischen Funktionen.