Der Kommentar fiel denkbar trocken aus, als ein MAN-Mitarbeiter aus der Zentrale die Fotos von der Service-Niederlassung in Balikpapan zu sehen bekam: "Die verwenden ja nicht gerade unser aktuelles Branding ..." In der Tat - das Erscheinungsbild von Verwaltungsgebäude und Werkstatt der Dependance in der indonesischen Hafenstadt entspricht so gar nicht dem schmucken Design, das die Marketingabteilung für die MAN-Standorte entwickelt hat. Aber, mit Verlaub, wen stört das bei einem Außenposten auf einer indonesischen Insel? Die Kunden am allerwenigsten. Die interessieren sich hier vor allem für die Funktionalität des Servicebetriebs und noch mehr für die finanziellen Aspekte eines Besuches: Wie schnell und wie günstig können mir die Mitarbeiter Original-Ersatzteile besorgen? Wie schaffe ich es, den Preis für Reparatur- und Servicearbeiten, die von den eigenen Mitarbeitern nicht erledigt werden können, möglichst niedrig zu halten? Wie schlage ich möglichst viel "Kohle" für meinen gebrauchten Truck heraus?
Von denen stehen einige auf dem Hof, der fast schon wie ein Biotop wirkt: Ein kleiner Waran verkriecht sich schnell unter die Trucks, als Menschen in seine Nähe kommen. Tropisches Grün wuchert auf, neben oder auch in den Fahrzeugen, die hier abgestellt sind. Zum Teil waren sie nur ein Jahr lang im Einsatz, sehen aber aus wie Veteranen und waren in der kurzen Zeit so übel zugerichtet worden, dass die Besitzer sie gegen Neufahrzeuge eintauschten.
"Die werden nach und nach generalüberholt und dann weiterverkauft," erzählt uns Nyoman Minggu, der Niederlassungsleiter in Balikpapan. Das Ergebnis ist bei einigen Fahrzeugen zu besichtigen, die ganz ordentlich aussehen - solange man nur die Fahrerhäuser für sich betrachtet. Aber eine zerkratzte Kippmulde neu zu lackieren würde hier wohl als Vergeudung von Ressourcen betrachtet. Irgendwie ist das nachzuvollziehen, denn nach einer Woche im nächsten Mineneinsatz wäre die frische Farbschicht ohnehin wieder weggescheuert oder zumindest nicht mehr zu erkennen.
Lkw-Kauf ist Vertrauenssache? Nicht in Indonesien, wo auch die Kunden freimütig zugeben, dass sich bei ihnen alles ums Geld dreht. Seltsamerweise betrachten die meisten Flottenchefs die Sache trotzdem sehr kurzfristig - eine TCO-Rechnung über die gesamte Lebensdauer ist in etwa so exotisch wie ein ausgewachsener Waran in europäischen Wäldern. Dabei wären derartige Überlegungen nicht nur für fortgeschrittene Transportunternehmen in hoch entwickelten Ländern interesssant, sondern auch für manchen Flottenchef auf Borneo. Unterschiedliche Nutzlasten, Ersatzteilpreise oder Nehmerqualitäten sind da nur ein Aspekt neben vielen anderen, die bei langfristiger Betrachtung den Einstandspreis stark relativieren können. Doch die Mentalität im tropischen Klima der indonesischen Insel folgt anderen Gesetzmäßigkeiten als den europäischen. Was technisch möglich ist oder was einer langen Lebensdauer zuträglich sein könnte, das interessiert hier niemanden. Ladungen bemessen sich nicht nach zulässigem Gewicht, sondern ganz einfach nach dem Platz, der dafür zur Verfügung steht.
In einer Kohlemine ungefähr eine Stunde nördlich von Balikpapan ächzen dreiachsige Kipper unter der schweren Last, die ihnen von Radladern mit überdimensionalen Schaufeln aufgebürdet wird. Zwei- oder dreimal stechen die Laderfahrer in der offenen Grube in den Boden, dann sind die Kipper bis zum Bersten entweder mit Kohle oder mit Abraum voll.
UNTER DER GÜRTELLINIE SIND DIE MEISTEN TRUCKS TOTAL VERKRUSTET
Die Ladungen werden je nachdem zu einem Bunker oder einer Abraumhalde befördert, alles im Nahverkehr auf dem Minengelände. 280 PS müssen für eine Zuladung von 20 bis 25 Tonnen und damit ein Gesamtgewicht von deutlich mehr als den 26 Tonnen, die auf dem Typenschild am Fahrerhaus genannt werden, reichen. Die Flotte gehört Abdul Rasyid, einem der Besitzer von SBM Mining. Die private Gesellschaft hat vom Staat die Lizenz für die Ausbeutung der Kohleminen in einem mehrere tausend Hektar großen Areal zwischen Balikpapan und Samarinda erhalten. 22 Kipper setzt Rasyid auf dem Gelände ein. Die Hälfte davon aus indischer Produktion, der Rest sind Trucks made in Japan. Die ersten CLA beschaffte er vor zwei Jahren, demnächst sollen fünf weitere dazukommen. Selbstverständlich nur, wenn der Preis stimmt ...
Die Trucks des asiatischen MAN-Ablegers haben nach Ansicht des Chefs und seiner Fahrer gegenüber den Hino- und Nissan-Diesel-Kippern, die außerdem in der Flotte laufen, einen großen Vorteil: Sie verfügen über AP-Achsen, die vor allem bei Regenwetter, wenn sich die Kohlemine in eine Schlammgrube verwandelt, deutliche Traktionsvorteile aufweisen. Auch der After Sales Service gefalle ihm, sagt Rasyid. Was übersetzt wohl bedeutet, dass sich Nyoman Minggu gut um ihn und seine Flotte kümmert und bei der Preisgestaltung die ortsüblichen Empfindlichkeiten und Prioritäten berücksichtigt.
Wobei man beim Anblick der CLA kaum glauben mag, dass die Fahrzeuge erst seit zwei Jahren im Einsatz sind. Wenn bei manchen der MAN-Schriftzug auf dem Kühlergrill ganz oder teilweise fehlt, geht das noch als Schönheitsfehler durch. Bei anderen ist die Scheibe gesprungen, fingerdicke Stahlseile, die zu heftige Ausschläge der Hinterachsen verhindern sollen, sind gerissen. Begrenzungsleuchten verbringen ihre letzten Tage an zähen Kabelresten baumelnd, Stoßstangen sind verbeult, Kunststoffteile zer- oder abgerissen. Dass sich irgendwer an dem Schlamm zu schaffen macht, mit dem die Trucks vor allem unter der Gürtellinie total verkrustet sind, kommt wohl nur dann vor, wenn etwas zu reparieren ist. Häufigste Schäden sind kaputte Reifen und Federn, die durch die Schinderei den Geist aufgeben. Die Fahrer haben die Fenster ihrer schmalen Kabinen meist auf Durchzug gestellt, es bleibt ihnen ja nicht viel übrig angesichts der tropischen Klimabedingungen. Temperaturen um die 35 Grad und extrem hohe Luftfeuchtigkeit sind in dieser Region üblich. Weil der Staub beim Fahren durch die offenen Fenster zieht, schützen sich viele der Trucker während ihrer Schicht mit Staubmasken. Insgesamt hat SBM in der Mine 25 Fahrer im Einsatz, die alle zu einem Fahrertraining geschickt wurden, "ehe sie auch nur einen Meter gefahren sind", berichtet Abdul Rasyid. Bei einigen könnte man allerdings vermuten, das Fahrertraining habe unter der Leitung eines Dakar-Racers stattgefunden. Aber am Monatsende gehen die Trucker allesamt als Millionäre nach Hause: Weil die indonesische Rupiah über die Jahre viel an Wert eingebüßt hat, bemisst sich das monatliche Salär in Millionen. Rund vier Millionen Rupiahs sind das übliche Gehalt, umgerechnet rund 270 Euro.
Ein Unternehmer wie Abdul Rasyid, der sein Geld mit einer Kohlemine (und einigen anderen geschäftlichen Aktivitäten) macht, gehört sicher nicht zu den Kunden von Jamari. Ihn treffen wir am Ende des Kohleminen-Arbeitstages an der Straße. Jamari ist Airbrush-Künstler und besprüht häufig Lastwagen. Ausgerechnet an dem Samstag, an dem wir bei ihm vorbeikommen, hat Jamari keinen Truck-Kunden. Die Arbeit des indonesischen Künstlers ähnelt kaum der seiner europäischen Kollegen: Das Atelier ist der Straßenrand und die Kunden haben es immer eilig. "Ich muss in einer oder maximal in zwei Stunden fertig sein," erzählt Jamari, dessen Auftraggeber vorzugsweise Menschen, Tiere oder religiöse Bildmotive und Zitate auf ihre Trucks gesprüht haben wollen. Und der viele Staub am Straßenrand? Der irritiert den Airbrusher nicht: "Die Trucks sind doch ohnehin immer staubig, da ist das egal," meint er lapidar zu einem Problem, das einen Berufskollegen in Europa vermutlich in den Wahnsinn treiben würde.
Inzwischen hat der Meister der gesprühten Farbenpracht Konkurrenz bekommen, auch in Indonesien verbreitet sich die Variante Folienbeklebung immer weiter. "Einige wollen die Folien, andere stehen auf Airbrush. Aber glücklicherweise habe ich viele loyale Kunden, die immer wieder zu mir kommen", sagt der Mann, der aus Zentral-Java stammt und seinen Beruf mit der Souveränität von 25 Jahren Erfahrung ausübt. Einer davon arbeite auf der Touristeninsel Bali und sei verrückt nach den Motiven, wie er sie im Schnelldurchgang auf die Bordwände pinselt.
Dann schaufeln Helfer Sand von der Ladefläche eines Isuzu, der angeblich mit knapp fünf Tonnen beladen werden darf - die nasse Ladung wiegt mit Sicherheit mehr. Sein Besitzer hat offenbar Freude an kräftigen Farben: Auf einem seiner Isuzus jagt ein fröhlicher Tom dem ebenso fröhlichen Jerry hinterher. Auf dem zweiten Truck prangt ein Motiv, das eigentlich auch ganz gut zur allgemeinen Fahrweise in Indonesien passen würde, die man über weite Strecken durchaus als Straßenkampf bezeichnen könnte. Aber Rambo nahm damals ja die bösen Kommunisten aufs Korn, nicht den Nebenmann an der Verkehrsampel.