Eigentlich ist es erstaunlich, dass es die Motorsportart Truck Racing immer noch gibt. Denn die Rennserie überstand in ihrer vergleichsweise kurzen Geschichte schon etliche Zäsuren, die bei weniger robusten Naturen durchaus zum Exitus hätten führen können. Das Erstaunliche dabei ist das krasse Missverhältnis zwischen dem Zuschauerinteresse sowie internationaler Medienresonanz auf der einen und dem ausbleibenden direkten Engagement vor allem der Hersteller auf der anderen Seite. Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr wollte es der Zufall, dass der Truck Grand Prix auf dem Nürburgring und das "deutsche" Formel 1-Rennen auf dem Hockenheimring am gleichen Wochenende stattfanden. Was mit einem klaren Punkt-, sprich Zuschauersieg der Truckracer endete! Auf dem Nürburgring wollten rund ein Drittel mehr Zuschauer die Rennen der Schwergewichte sehen als die zeitgleich ausgetragene Show der angeblichen Königsklasse. Im Lager der Truckracer ist man deswegen nicht abgehoben und weiß um die realen Kräfteverhältnisse.
MAN VERABSCHIEDETE SICH MIT ENDE DER SAISON 2014 VOM TRUCK RACE
Doch die Momentaufnahme ist ein klares Indiz dafür, dass sich die Lastwagenrennen über die Jahre eine feste Fangemeinde geschaffen haben, die zu den zehn Rennen der EM-Serie kommt. Allerdings hat sich an einem zentralen Manko der European Truck Racing Championship auch in dieser Winterpause nichts geändert: Die Truckracer haben es immer noch nicht geschafft, mit einer Stimme zu sprechen und sich zentral zu vermarkten.
Weil sich kein anderer Hersteller nachhaltig engagieren wollte und Renault nach ein paar mäßig erfolgreichen Jahren wieder ausstieg, verlor bekanntlich auch MAN die Lust und verabschiedete sich offiziell zum Ende der vergangenen Saison. Inoffiziell waren die Münchener schon zum Saisonbeginn ausgestiegen. Denn die Unterstützung beschränkte sich auf das Erfüllen von Verträgen als Motorenlieferant, alles andere wie beispielsweise Marketing-Aktivitäten gab es de facto 2014 nicht mehr. Folglich sahen einige Protagonisten für 2015 buchstäblich schwarz - wie kann die Serie ohne Herstellerunterstützung überleben? Es dürfte funktionieren, wenngleich mehrere Gründe - beispielsweise die angespannte wirtschaftliche Situation in zahlreichen europäischen Ländern - dazu geführt haben, dass sich einige Akteure umsortieren müssen. So hat der mehrfache Europameister Antonio Albacete die langjährige Zusammenarbeit mit Lutz Bernau beendet.
Früher beauftragte Albacetes Hauptsponsor Cepsa das deutsche Team direkt, im vergangenen Jahr war der Spanier schon selbst für den Einsatz des MAN-Renntrucks verantwortlich. Um Kosten zu sparen, hat der Madrilene sein Arbeitsgerät im Winter gekauft und wird es künftig komplett in eigener Regie einsetzen. Ob er angesichts der schmalen wirtschaftlichen Basis ein ernsthafter Gegner für Jochen Hahn & Co. sein wird, wird sich herausstellen. Allerdings fahren auch seine härtesten Konkurrenten mit B-Motoren, die künftig von der spanischen Firma Piedrafita bereitgestellt werden. Ansonsten wird das Starterfeld nicht wirklich dünner. Gerd Körber und Markus Altenstrasser treten wie gehabt bei ausgewählten Rennen für das Schwabentruck-Team von Georg Glöckler an, der seine beiden Iveco Racetrucks wieder top vorbereitet hat. Markus Bauer schickt als Exoten zwei Mercedes-Renntrucks auf die Piste, mit André Kursim und Roland Rehfeld am Steuer.
BÖSIGER MAG NICHT MEHR, DIESES JAHR STARTET ELLEN LOHR FÜR BERNAU
Das tschechische Buggyra-Team verhandelte offenbar mit einem dritten Piloten, doch daraus wurde wohl nichts. Denn Teamchef Jan Kalivoda bat auf die Frage, wie die Konstellation 2015 aussehen wird, immer wieder um Geduld. Am Ende lautete die Antwort: "Es ändert sich nichts, David und Adam werden unsere Trucks fahren." Der amtierende Europameister Norbert Kiss wird nach Lage der Dinge in diesem Jahr als "Einzelkämpfer" antreten müssen. Sein bisheriger Teamkollege, der talentierte Youngster Benedek Major, zieht sich aus persönlichen Gründen zurück, der zweite Truck des Oxxo-Teams wird bei der amerikanischen Truck-Race-Serie eingesetzt.
Weil der Schweizer Markus Bösiger momentan keine Lust mehr auf Truck Racing hat - Bösiger war vor allem durch zahlreiche Entscheide der FIA-Offiziellen "angepisst" - kam es zu einem spektakulären Wechsel: Ellen Lohr wird künftig den MAN von Trucksport Bernau pilotieren. Lohr ist sicherlich nicht die schnellste Fahrerin im Starterfeld, doch die Motorsportlerin ist unglaublich zäh und vor allem ein PR-Profi. Es könnte also ein guter Deal zum beiderseitigen Nutzen sein.
Lohr hofft natürlich, sich mit dem Bernau-Truck im Vergleich zum Vorjahr deutlich verbessern zu können. Außerdem fährt sie gemeinsam mit Antonio Albacete in der Teamwertung - ein interessantes Gespann, das sich durchaus einen Achtungserfolg erkämpfen könnte. Zu den härtesten Konkurrenten in der Teamwertung dürften die Paarungen Lacko/Vrsecky (Buggyra) sowie Jochen Hahn und René Reinert zählen.