Der russischen Seele sagt man einen guten Schuss Melancholie nach. Die liegt auch über dem Fahrerlager, wenn sich ein bescheidener Teil der Teams auf den langen Weg nach Osten macht, um auf dem verwinkelten Smolensk Ring den letzten Termin vor der Sommerpause zu absolvieren. Der Termin 6 im aktuellen Kalender wirkt, als würde man den Auftrieb auf dem Nürburgring durch ein umgedrehtes Fernglas beobachten: Gegenüber dem Megaevent in der Eifel erscheint das russische Intermezzo geradezu rührend klein und bescheiden, auch wenn die Motorsportfans aus Putins Reich für eine ansprechende und begeisterte Kulisse sorgen. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Menschen in diesem Landstrich noch weniger „satt“ und daher dankbar für Brot und Spiele sind.
Auf der Piste herrscht allerdings Demokratie, und das heißt in diesem Fall: Jedes Wochenende ist gleich viel wert. Vor allem für die heißesten Titelaspiranten, die sich schon seit Jahren um die besten Podiumsplätze balgen. Fazit nach dem Auftritt in Smolensk: Leichter Vorteil Albacete, aber nichts, was den deutschen Hahn aus der Ruhe bringen müsste. 17 Punkte sind zwar ein Vorsprung – aber kein Abstand, der sich nicht an einem guten Wochenende aufholen ließe. Wobei der Madrilene im ersten Championshiprace fünf Zähler verschenkte, als er sich eine kleine Unaufmerksamkeit leistete, die der ungarische „Stürmer“ Norbert Kiss dankend annahm. Kiss gewann so sein erstes 20-Punkte-Rennen – und wurde tags darauf zu tragischen Held, als Adam Lacko in den Oxxo-MAN des Ungarn krachte. Der verhütete damit nolens volens Schlimmeres: Dem Tschechen in Diensten des MKR-Renault-Teams war am Ende der Start- und Zielgeraden beim Anbremsen der 180-Grad-Kurve eine Feder gebrochen, ohne den Airbag Kiss wäre er mit geschätzt Tempo 140 in die Begrenzungsmauer geknallt.