Das Label findet man auf allen Kontinenten: Paulaner-Bier ist weltbekannt. Der gewaltige Ausstoß der Brauerei wurde bislang in der Münchener City produziert. Inzwischen stößt sie dort an ihre Grenzen - kein Platz für Betriebserweiterungen, Schwierigkeiten mit der Logistik, fehlende Lagerkapazitäten. Daher wird die Produktion in einen Neubau an der Peripherie Münchens verlegt.
Zurzeit werden die Gärtanks, in denen das Bier zwischen Sud und Abfüllung reift und lagert, angeliefert. 87 dieser gigantischen Behälter, die zusammen einige Millionen Liter Bier fassen, hat die Brauerei beim Tank-Spezialisten Ziemann geordert. Die Edelstahlbehälter werden von der Firma, deren Produktionsanlagen im nordbayerischen Miltenberg direkt am Main liegen, per Binnenschiff nach Kehlheim gefahren. Im dortigen Hafen übernimmt die Schwerlastspedition Paule die Tanks. Paule, eines der ältesten Stuttgarter Transportunternehmen, arbeitet seit 1932 für Ziemann, der Tankhersteller hat mit der Brauerei "Lieferung an die Baustelle" vereinbart und ist der direkte Auftraggeber.
DIE FAHRT GEHT KREUZ UND QUER DURCH DAS BAYERISCHE HINTERLAND
Die Edelstahlbehälter für Paulaner sind nicht besonders schwer, aber groß. Ein Behälter wiegt knapp 25 Tonnen, daher sind es vor allem Länge und Höhe, die eine vertrackte "brückenfreie" Fahrtroute kreuz und quer durch das bayerische Hinterland erforderlich machen. Die Tanks haben einen Durchmesser zwischen rund fünf und knapp sieben Metern, die maximale Fahrzeuglänge beträgt über 36 Meter. Ein Job, der eine immense Vorarbeit bedeutete. Knapp eineinhalb Jahre lang beschäftigten sich die Mitarbeiter der Schwerlastspedition aus Stuttgart-Obertürkheim bereits mit dem Auftrag, überlegten sich mögliche Fahrtrouten, rechneten Kurvenradien nach und versuchten, so wenig wie möglich dem Zufall zu überlassen. Nachdem viele Varianten durchgespielt worden waren stand fest, dass ein maximaler Durchmesser von knapp sieben Metern das Maximum war, was die schließlich gewählte Streckenführung hergeben würde. Zudem mussten die größeren Tanks vom Hersteller teilweise modifiziert werden, um ohne Stromabschaltungen unter allen Starkstromleitungen durchzukommen.
Das Projektteam von Paule sprach darüber hinaus mit Anrainern, betroffenen Kommunen und Behörden, ehe klar war: Wir können das stemmen. Damit war erst der kleinere Teil des Mammutjobs erledigt. Denn als die Genehmigungen vorbereitet waren, musste die Strecke für die rund 30 bis 35 Konvois präpariert werden. Gartenzäune wurden abgebaut, Strom- und Telefonleitungen provisorisch und zum Teil dauerhaft verlegt, Bäume zugeschnitten, gefällt oder verpflanzt und zahlreiche Verkehrszeichen, die salopp gesagt "einbetoniert" waren, umgerüstet. Die Schilder stecken jetzt in Hülsen und können vom Voraustrupp aus dem Weg geräumt und nach dem Passieren der Trucks fix wieder an Ort und Stelle positioniert werden. Hunderte eigens aufgestellter Halteverbotsschilder sollen dafür sorgen, dass die Schwertransporter ungehindert passieren können. Schließlich wurden auf dem letzten, besonders kniffligen Streckenabschnitt noch einige Äcker gepachtet und aufgeschottert, um den überdimensionalen Sattelzügen das Durchkommen zu ermöglichen.
Im Spätsommer 2014 wurden die ersten Tanks in Kehlheim auf die speziellen Kesselbrücken geladen, die von den vierachsigen Schwerlastzugmaschinen des Transportunternehmens gezogen werden. Danach machte sich eine gut eingespielte Truppe zweimal wöchentlich auf den Weg, Jeder Konvoi bestand aus zwei oder drei Trucks, mehreren Begleitfahrzeugen und mindestens vier Streifenwagen der Polizei, die in je zwei Etappen von Kehlheim nach München fuhren.
VIER MONATE LANG ROLLTEN IMMER WIEDER KONVOIS DURCH DIE DÖRFER
Die Zick-Zack-Route der Schwertransporter ist mit 177 Kilometern Fahrtstrecke gut um die Hälfte länger als die schnellste Route über die Autobahn. Abfahrt war üblicherweise um Punkt 19 Uhr in Kelheim. Die ganze Aktion dauerte rund vier Monate - in denen die Anwohner entlang der Fahrtstrecke ihre Autos nachts nicht am Straßenrand parken durften und andere Verkehrsteilnehmer viel Geduld benötigten.
"Wir sind die Kukident-Truppe von Paule," erzählen Hermann Futterknecht, Peter Ernst und Willi Gay lachend. In Anspielung auf das Alter der drei Trucker hat sie ein "Jungspund" aus dem Begleittross einmal so genannt. Den drei Fahrern gefiel der Spruch, sie kokettieren mit ihrem Alter - und können sich das leisten. Denn Futterknecht, Ernst und Gay sind eingespielte Routiniers, die ihren Job souverän erledigen. Es ist faszinierend zu beobachten, wie sie ihre überlangen undbreiten Züge, von denen der Fotograf in einer stürmischen Nacht nur die Konturen erahnt, fast millimetergenau um jedes Hindernis rangieren. Wenn sie dann nach sieben, acht oder neun Stunden Fahrtzeit die Motoren ihrer Trucks abstellen, haben sie sich das Feierabendbier redlich verdient. Übrigens: Das kommt in der Regel nicht aus München!
Richard Kienberger