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Rundholzfahrer: Gefährliche Arbeiten am Abgrund

22.10.2014 08:00 Uhr
Rundholzfahrer: Gefährliche Arbeiten am Abgrund
Alpines Wendemanöver: Ronald Vötsch hievt mit einem Kran das "Hinterteil" um den LKW herum
© Foto: Michael Simon

Wer patzt, fliegt. Hunderte Meter in die Tiefe. Rundholzfahrer in der Steiermark rangieren tonnenschwere Züge haarscharf am Abgrund. Dort, wo manche mit dem Auto nicht geradeaus fahren würden, wendet Ronald Vötsch seinen Holz-Zug. Ein Drahtseilakt.

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Mit 30 km/h tuckert der unbeladene Holz-Hängerzug zur Mittagszeit durch das verschlafene Städtchen Trofaiach in der Steiermark. Am Lenkrad sitzt Ronald Vötsch. Hellwach und gar nicht verschlafen, obwohl er bereits seit vier Uhr arbeitet. "Ich musste mit meiner ersten Ladung um 7.00 Uhr am Holzsägewerk sein. Da öffnen die", erklärt der Fahrer gut gelaunt. Doch Ronny, wie ihn die Kollegen rufen, ist noch lange nicht auf der Feierabendrunde. Ein 12-Stunden-Tag ist normal, 15 können es in arbeitsreichen Phasen auch mal werden.

Sein Einsatzgebiet sind die steilen Bergstraßen der Steiermark. Nicht selten blicken einsame Wanderer verdutzt drein, wenn sie in luftigen Höhen fernab der Zivilisation das Schnaufen eines LKW hören. Dabei befördern die 30 beigefarben lackierten Fahrzeuge des familiengeführten Transportunternehmens Tscherntschitsch seit Jahren die Bäume von den Berghängen der Obersteiermark ins Tal. Im Sommer, wenn Vötsch die Sonne aufs kahle Haupt brennt. Wie auch im Winter, wenn Schneestürme das Aufladen der Stämme und die Abfahrt ins Tal zu einem Tanz auf glattem Eis machen.

Doch selbst der Geschäftsführer Franz Tscherntschitsch, lässt es sich nicht nehmen, soweit es die Büro-Arbeit zulässt, ebenfalls seine Touren am Berg zu fahren. Weil er weiß, wie hart seine Angestellten schuften, entlohnt er sie angemessen. Und er betraut sie mit der Aufgabe, ihre Einsätze selbstständig und in Absprache mit Kollegen und den Förstern zu disponieren. "Ich verdiene gutes Geld in einem familiären Betrieb, habe am Wochenende immer frei und komme jeden Abend zu meiner Frau und meinen drei Kindern nach Hause. Das ist für mich absolut ein Traumberuf", gluckst Vötsch in seinem breiten Steiermärkisch freudestrahlend.

DIE GEFAHR IST EIN STETER BEGLEITER: EINMAL HATTE VÖTSCH GROSSES GLÜCK

Am Fuße des Bergs biegt er auf den vier Meter breiten Waldweg ein und nach kurzem Anlauf beißt sich der Actros mit seinen 550 PS bereits in die erste Rampe des Berges. Die zehnprozentige Steigung bringt den Fahrer nicht ins Schwitzen. Kilometer um Kilometer schiebt sich der Allrad den Steilhang hoch. Die Steigungen erreichen Werte um die 20 Prozent. Selbst durch Spitzkehren steuert Vötsch scheinbar entspannt.

Doch der Schein trügt, wie der 41-Jährige verrät. Auch wenn er die Bergstraßen genau kennt und weiß, wo Gefahren lauern, geht er niemals übermütig zu Werke. Zu prägend sind die Erinnerungen an damals, als er beinahe abgestürzt wäre: Auf der schneebedeckten Bergstraße glitt sein vollbeladener Anhänger vom Weg ab. Zum Glück im Unglück stoppte ein Baum das weitere Abrutschen des Anhängers. So konnte der geschockte Vötsch in aller Eile mit dem Kran die Baumstämme am Wegrand abladen und den leeren Anhänger wieder auf den Weg hieven. Der Familienvater weiß spätestens seitdem um die Gefahren seines Jobs.

Etliche Kilometer weiter erreicht der Holz-Zug auf 1600 Meter die Waldgrenze. Der Ort Trofaiach liegt im Vergleich dazu auf 650 Meter. Hier oben muss Vötsch seinen 15,50 Meter langen Zug mit Tandemanhänger wenden. Wenn er den Dreiachsanhänger fährt, ist er sogar noch drei Meter länger.

Die Frage ist nur: Wo soll man hier wenden? Die Straße ist schmal, der Abgrund nah. Senkrecht geht es hunderte Meter in die Tiefe. Vorsichtig lässt Vötsch die Maschine den Weg hinab rollen, schlägt dann vorsichtig ein, so dass der Tandemanhänger einen flacheren Vorsprung hinabgleitet. Fünf Meter weiter links oder rechts wäre der Abgrund zu steil. Ein Korrekturzug reicht Vötsch, um sein Gespann für die Abfahrt in die richtige Position zu bringen. An dieser Stelle wendet er oft. Wenn er sich nicht sicher ist, macht er es anders: Dann stellt er den LKW quer zur Fahrbahn, klettert auf den Kran und hebt mit ihm den leeren Anhänger im großen Bogen über den Abgrund auf die andere Seite.

Danach beginnt die eigentliche Arbeit: Wenige Meter den Berg hinab rollen, absitzen, auf den Kran klettern, gefällte Baumstämme aufladen und alles von vorn. Eintönig? "Nein! So bin ich die ganze Zeit in Bewegung. Meine Bandscheibenprobleme, die ich im Fernverkehr hatte, haben stark abgenommen", freut sich Vötsch. Am Sägewerk angekommen, reiht Vötsch seinen Zug hinter die seiner Kollegen ein. Fünf Fahrer warten bei einer Tasse Kaffee darauf, dass ihr Zug entladen wird. Sie haben ihr Tagespensum für heute erreicht. "Bis morgen, Männer", ruft Vötsch zum Abschied. In aller Frühe.

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