Ein Filmfahrzeug als mörderische Waffe, im Zweikampf Mann gegen Mann, unerbittlich, ein Duell auf Leben und Tod. „Duell“ (org. Duel), so lautet trocken der Titel des Erstlingswerks von Hollywood-Regisseur Steven Spielberg aus dem Jahre 1971. Es ist die Geschichte vom mitleidlosen Bastard, einem Höllentruck, der den harmlosen Handelsvertreter David Mann, gespielt von Dennis Weaver, in der kalifornischen Wüste scheinbar grundlos ins Jenseits befördern will. Ein Meilenstein des Mystery-Genres, bis heute.
Die Hölle auf Rädern in Gestalt eines rostigen Peterbilt, Baujahr 1960, hat überlebt: in Lincolnton, North Carolina. Besitzer ist Brad Wike. Keiner, der Böses im Schilde führt, im Gegenteil. Ein sympathischer Typ, Marke Trucker, einer mit Leib und Seele, Speditionsunternehmer, Classic-Truck-Sammler.
„Ich war von dem Film schon fasziniert“, erzählt uns Brad, „als ich noch ein Kind war. 2004 habe ich eine Truckshow in Fountain in Kalifornien besucht und zu dem Zeitpunkt absolut keine Ahnung gehabt, dass der Truck überhaupt noch existiert. Wir laufen so rum, gucken uns Lkw an, gehen um die Ecke und da steht der Duell-Truck, im Gras. Ich hab einfach nur gesagt: Wow, den muss ich haben.“
Einige Jahre später erfährt Brad eher durch Zufall, dass ein Lkw-Sammler aus St. Louis, Missouri, den Peterbilt dem damaligen Besitzer aus Kalifornien abgekauft hat und ihn gerade per Online-Auktion anbietet. Die Chance lässt Brad nicht ungenutzt. „Ich kaufte das Fahrzeug am Telefon, er nahm ihn aus der Auktion raus und dann ging’s nur noch darum, wie kommt der Truck jetzt nach North Carolina.“ Er kam auf einem Hänger und der Fahrer wollte ihn erst gar nicht hergeben, erinnert sich Brad. Seitdem steht er in seiner Sammlung, die noch mehr zu bieten hat. Die Liste ist bemerkenswert: ein einzigartiger Scammell „Crusader“ mit Rolls-Royce-Motor aus England ist darunter, Baujahr 1980, wahrscheinlich der einzige, der jemals nach Amerika kam. Verschiedene Mack H61 Cherrypickers von 1961, von denen nur noch zehn Exemplare existieren sollen. Brad hat drei. Auch ein Kenworth W900 „Gold Nugget“ von 1983 ist dabei. Bedeutende US-Klassiker aus einem halben Jahrhundert Nutzfahrzeuggeschichte Amerikas.
Aus einer Kurzgeschichte wird Spielbergs Erstlingswerk
Der Duell-Truck allerdings ist Brads Liebling, vielleicht, weil er so herrlich unberührt, so verbraucht und authentisch wirkt, so, als sei er soeben aus dem Filmset gerollt. In Spielbergs Erstlingswerk mutierte der rostige, dämonisch anmutende 40-Tonner mit dem Tankwagen im Schlepp, der per Aufschrift warnt, „flammable“ zu sein, hochexplosiv, zur tödlichen Bedrohung der kleinbürgerlichen Ordnung, anonym, scheinbar grundlos, erst spöttisch, dann radikal vernichtend.
Ursprünglich ist Duell eine Kurzgeschichte von Richard Matheson. In 60 Jahren lieferte der Star-Autor in mehr als 20 Romanen und knapp 100 Erzählungen zahlreiche Stoffe für Hollywood-Filme. „I am Legend“ (2007) mit Will Smith, „Echoes – Stimmen aus der Zwischenwelt“ (1999) mit Kevin Bacon, „Der Omega-Mann“ (1971) oder „Die unglaubliche Geschichte des Mister C.“ (1957). In den 1960ern schrieb er für die TV-Serien „Twilight Zone“ und „Star Trek“. Seine Kurzgeschichte Duell wird Anfang der Siebziger im amerikanischen Playboy veröffentlicht. Die Lektüre macht Steven Spielberg aufmerksam für den Stoff. Der Regisseur sucht gute Vorlagen für eine Filmstory, das Duell kommt ihm wie gerufen.
Spielberg besteht auf diesen Peterbilt als Filmbösewicht
Die Idee, aus der Erzählung einen TV-Film herzustellen, entpuppt sich als Geniestreich. Spätere Spielberg-Filme sind runder, handwerklich sauberer, aber in Duell dreht Spielberg quasi um sein Leben, zeigt sein Genie bereits in voller Größe. Duell ist ein wildes Meisterwerk, nicht wenige sagen, der beste Spielberg-Film überhaupt. Zu verdanken ist das Duell aber nicht nur den unerhörten Talenten seines Regisseurs, sondern auch dem Umstand, dass Spielbergs Wahl für den „Hauptdarsteller“ auf einen 55er-Peterbilt fiel.
Spielberg will diesen Lkw haben, keine Kompromisse, er soll rostig, rotbraun sein, so als lebe er in der Wüste und warte dort geduldig auf seine Opfer. Der Grill, bedrohlich, mächtig wie der Schlund des weißen Hais. Die Kennzeichen auf dem Frontbumper – alles Trophäen früherer Opfer, die der Killer-Truck auf dem Gewissen hat? Eine beinahe plagende Frage, die ebenso unbeantwortet bleibt wie der Grund für die Attacken, die dem unschuldigen David Mann in seinem Plymouth Valiant fast das Leben kosten. Kunstgriffe des Mystery-Genres.
„Sie hatten für die Dreharbeiten eine Extramannschaft für das Make-up“, erklärt Brad, „und sie schmissen da Dreck und Öl auf die Karosserie. Es sollte aussehen, als wenn er tropft und schwitzt, er sollte scheußlich aussehen, wie ein ekelhaftes Monster.“ Drei Achsen, sechs Zylinder, 350 PS. Mit seinem imposanten Motorvorbau gilt der klassische Peterbilt bis heute als Ikone unter den schweren Ami-Brummern für den Frachttransport.
Einer der berühmtesten US-Stuntmen spielte den Trucker
Spielberg hatte den Tanklaster für die Dreharbeiten angeblich frisieren lassen, um die Verfolgungsjagden auf dem einsamen California-Wüsten-Highway rasanter zu machen, angeblich lief der Truck 150 km/h. Am Steuer saß kein geringerer als Carey Loftin, eine Stunt-Legende in Hollywood, der in der berühmten Verfolgungsjagd in „Bullitt“ (1968) einen Ford Mustang GT Fastback durch die Straßen von San Francisco prügelte. Spielberg hatte den wortkargen und trocken inszenierten Thriller 1971 unter schwierigsten Bedingungen produziert, wenig Zeit, wenig Geld, ein klassisches Low-Budget-Projekt.
Für die Dreharbeiten standen lediglich 14 Tage zur Verfügung. Um den knappen Zeitplan einzuhalten, skizzierte der Regisseur zuvor jede einzelne Szene auf weißen Blättern. „Der Film“, berichtet Brad, „war ursprünglich fürs Fernsehen vorgesehen, für den Samstagabend. Er wurde ein solch enormer Erfolg, dass sie entschieden, Dreharbeiten nachzuschieben und daraus einen Kinofilm zu machen. So konnten sie Duell weltweit aufführen.“ Bei der Fernsehversion wird der Truck am Ende allerdings zerstört, als er über die Klippe geht. Für die ergänzenden Szenen mussten die Fahrzeuge deshalb neu angeschafft werden, nicht nur der Plymouth, auch der Truck, jener, den Brad heute besitzt: ein Peterbilt von 1960, weitgehend baugleich mit dem Typ 281 von 1955, nur die Luftfilter sind etwas anders, aber das stört nicht.
Beklemmung, als der Dämon im Rückspiegel aufkreuzt
Im Blow-up-Verfahren wird die TV-Fassung auf 35-Millimeter-Kinofilm kopiert, die fehlenden 14 Minuten Film nachgedreht, darunter das Telefonat zwischen David Mann und seiner Ehefrau, die heimtückische Szene am Bahnübergang, als der Truck den Plymouth in Tötungsabsicht auf die Gleise drücken will, während ein Zug anrauscht, auch die Begegnung mit dem Schulbus.
Den schmucklosen, auffällig harmlos wirkenden Plymouth des arglosen Kaufmanns in Duell hat Brad übrigens auch, eine Replika. Allerdings: gleiches Baujahr, gleiche Lackierung. Brad bietet uns an, auf den Straßen North Carolinas das Duell noch einmal nachzustellen. Wir sitzen im Plymouth. Es ist schon reichlich beklemmend, wenn der Dämon im Rückspiegel aufkreuzt, erst recht, wenn man berücksichtigt, dass der Truck weder eine Straßenzulassung hat noch annähernd funktionierende Bremsen ... Der Plymouth ist übrigens kaum besser.
Jedes Jahr im Herbst veranstaltet Brad auf seinem Gelände eine gewaltige Truck-Show. Es kommen Besucher aus dem ganzen Land, sogar der Mack aus Kris Kristoffersons „Convoy“ wurde hier schon gesichtet. Man sagt, es sei die beste Truck-Show der Südstaaten. Dem Duell-Truck sei Dank.