Manchmal verliert man, manchmal gewinnen die anderen ... So oder so ähnlich erging es den Veranstaltern der 45. Mid-America Trucking Show Ende März/ Anfang April in Louisville, Kentucky. Der Veranstalter hatte zu seinem Event, nach eigenem Bekunden die größte Truck-Show der Vereinigten Staaten, offenbar (finanzielle) Vorstellungen, mit denen sich die Mehrzahl der Hersteller nicht einverstanden erklären wollte. Selbstbewusst, wie Paccar, Daimler, Volvo und Co. sind, statuierte man ein Exempel - und blieb der Show fern.
Insider sprechen in Zusammenhang mit der 45. "MATS" sogar von einem Event, das als gescheiterte Messe in Erinnerung bleiben wird. Ungeachtet der knapp zehntausend Besucher weniger als zuletzt, bot die MATS den Fans der Hauben-Saurier dennoch zahlreiche optische und auch akustische Highlights. Und so wirklich fehlten die großen Hersteller am Ende nicht. Denn echte Novitäten haben sie aktuell sowieso nicht zu bieten.
Trotz relativer Neuheiten-Dürre erfreut sich der amerikanische Markt sehr guter Zahlen: Die namhaften Lkw-Produzenten konnten insgesamt fast 25.000 Einheiten mehr als im Vorjahr verkaufen. Der Umsatz in der schweren Klasse "8" - Fahrzeuge über 15 Tonnen - stieg um über elf Prozent auf 245.000 Einheiten. Von solchen Zahlen kann man in Deutschland und Europa nur träumen.
Trotz der positiven Marktentwicklung gab es einen gro-ßen Verlierer: International. Die Amis ha-ben bei der Abgastechnik der von MAN übernommenen Motoren rein auf Ab-gasrückführung gesetzt und sich gehörig verzockt. Um überhaupt noch Fahrzeuge verkaufen zu können, waren für jeden Truck Strafzahlungen fällig. Das betraf die Kunden nicht direkt, die aber mussten die Zeche in Form von höheren Spritkosten zahlen ... Zwar liegt der Vorfall schon vier Jahre zurück, dennoch büßte die Firma im Jahr 2015 7,4 Prozent ein und liegt aktuell beim Marktanteil auf einem Allzeittief von 11,8 Prozent. War man früher die Nummer drei auf dem Treppchen der besten Lkw-Verkäufe, ist man in den Verkaufscharts inzwischen auf Platz fünf abgerutscht.
International gehört aktuell zur Navistar-Gruppe und bildete 2010 noch ein Viertel des Gesamtmarktes ab. Als großer Gewinner agiert aktuell die Daimler-Tochter Freightliner, deren Zahlen für sich sprechen: 2015 steigerte die Marke ihre Verkäufe um 17.000 auf insgesamt 95.360 Fahrzeuge und zeigt sich als Nummer eins mit 38,9 % Marktanteil (+ 2,0 % von der kleinen Tochter Western Star, die, für sich betrachtet, die Verkäufe um sagenhafte 33,2 % steigern konnte). Dahinter folgen Paccar (26,6 %; Kenworth 14,8 % + Peterbilt 11,8 %) sowie Volvo mit einem Anteil von 20,7 Prozent (Volvo Trucks 12,6 % + Mack 8,1 %). Wobei die Kernmarke 2,7 Prozent verlor, während die Tochter mit der typischen Bulldogge im Kühlergrill um 0,9 Prozent zulegte.
TROTZ GUTER VERKAUFSZAHLEN FINDET TECHNISCH NICHTS NEUES STATT
Insider des amerikanischen Truck-Marktes wähnen die US-Hersteller aktuell in einer Sackgasse, wobei die Probleme ähnlich sind wie in Europa. Während die Volvo Truck Group hierzulande um eine vernünftige Integration und Positionierung von Renault ringt, ist es in den Staaten Mack, die sich dem Vernehmen nach nicht so leicht integrieren lassen ...
Trotz diverser Schwierigkeiten und Querelen scheinen Messeveranstalter und Hersteller einen Konsens gefunden zu haben: In Zukunft soll die MATS alle zwei Jahre eine Show der Lkw-Produzenten werden.
Übrigens kämpft auch der amerikanische Transportmarkt mit Neuerungen, deren Sinn sich längst nicht allen Beteiligten erschließt: Ein brandheißes Thema sind die von den US-Behörden angedachten Vorschriften zu künftigen Lenkzeiten. Die Debatte schwelt seit Monaten und die Protagonisten lehnen ein an europäische Vorschriften angelehntes Modell rundheraus ab: Ab Dezember 2016 soll jedes Fahrzeug, ungeachtet ob in Amerika, Kanada oder Mexiko registriert, in 51 Staaten der USA mit einer sogenannten ELD (Electronic Logging Device) ausgestattet sein. Dieses Gerät soll alle Arbeiten und Zeiten aufzeichnen. Allerdings ist diese Lösung längst nicht so komplex wie der bei uns bekannte Digitacho im DIN-Schacht-Format, sondern hat nur eine einzige Anzeige, die dem Fahrer Auskunft gibt.
DIE AMERIKANISCHEN FAHRER LIEBEN IHR KLASSISCHES "LOGBUCH"
Im Gegensatz zur Euro-Lösung sendet das US-System alle relevanten Daten an Kommunikationssysteme im Unternehmen - alternativ gibt es eine, scherzhaft "Fahrscheindrucker" genannte, Printversion. Und noch drei Änderungen gegenüber dem Digitacho: Über die Diagnosebuchse lässt sich das neue Gerät viel einfacher verdrahten als unser elektronischer Tacho, kostet mit rund 500 US $ (ca. 450 Euro) viel weniger und zeichnet auch nicht die Geschwindigkeit auf, sondern nur alle 60 Minuten die GPS-Position.
Die Skepsis der Fahrer ist dennoch riesig. Die lieben ihr klassisches, handschriftliches "Logbuch" - vor allem, weil man damit besser "tricksen" kann. Wie oft zu hören ist, haben US-Trucker in der Regel drei Bücher: eines für den Chef zum Abrechnen, eines für die Polizeikontrolle und ein "echtes". Fabien Calvet