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Mercedes-Benz Bergetruck: Im Schlepptau des Big Rock

13.07.2015 08:00 Uhr
Mercedes-Benz Bergetruck: Im Schlepptau des Big Rock
Der "Big Rock" schafft mit seinen 510 PS ein technisches Gesamtzuggewicht von 120 Tonnen
© Foto: Gerlach Fronemann

Die Larag AG in Wil setzt seit einem Jahr den 8x4-Berge-Truck "Big Rock" ein. Der TRUCKER hat Chauffeur "Mäx" auf einem seiner Einsätze mit dem Arocs 4451 begleitet.

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Mario Müller, genannt "Mäx", hat die Ruhe weg. Der ausgebildete Lkw-Mechaniker ist bei den Larag Fahrzeugwerken im schweizerischen Wil der Spezialist für die Richtbank. Das ist ein Job, der viel Erfahrung, Augenmaß und Fingerspitzengefühl voraussetzt - alles das, was Mäx mitbringt. Die Larag ist über die Grenzen der Schweiz für ihre professionellen Unfallinstandsetzungen an Lkw, Bussen, Anhängern und Baumaschinen bekannt.

So manche Freunde des Truck-Race dürften Mäx kennen. Er war einer der Renn-Mechaniker des erfolgreichen Mercedes-Rennstalls. Die Larag hatte die bis zu 1200 PS starken Boliden aus Serienzugmaschinen entwickelt. "Das war eine spannende Zeit", erinnert sich der heute 44-Jährige, "in der wir in ganz Europa, Brasilien und Südafrika herumkamen." Schon damals waren seine Fähigkeiten gefragt. "Nach Rennunfällen mussten wir die Fahrzeuge in Wil in Windeseile wiederaufbauen - oft mit Überstunden und in Nachtarbeit." Nach wie vor sind Mäx' Wissen und Erfahrung bei Notfällen gefragt. Inzwischen fährt er den schweren Arocs 4451 der Larag AG, das derzeit modernste Abschlepp- und Bergefahrzeug in der Schweiz. Sobald ein Notfall gemeldet wird, entert er den Fahrerplatz des "Big Rock" genannten Vierachsers.

Ein Unfall ist es Gott sei Dank nicht. Aber Larag Betriebsleiter Walter Oertli signalisiert dem TRUCKER-Redakteur, dass er einen Bergeund Überführungseinsatz mit dem Flaggschiff begleiten kann. Am Haken hängt ein Actros der Camion Transport AG. Das Fahrzeug hatte einen Getriebeschaden und muss vom Logistiklager in Rümlang bei Zürich nach Wil.

BASIS FÜR DEN SCHWEREN 8X4 IST EIN VIERACHS-KIPPERFAHRGESTELL

Vor dem Start macht Mäx seine Abfahrtskontrolle und prüft alle Funktionen. Der silberne Arocs 4451 basiert auf einem verstärkten Kipperrahmen. Der Bergeaufbau, ein "EH/W 200 Bison", stammt von Empel. Das Gesamtzuggewicht beträgt über die Abschleppbrille 120 Tonnen, die Anhängelast bei einem Gesamtzuggewicht von 65,9 Tonnen 39 Tonnen! Die beiden Seilwinden haben eine Zugkraft von 10 bzw. 20 Tonnen im Direktzug. Die Hublast über den Unterfahrlift beträgt bei vier Metern Auslage eingezogen 16 und die des Bergearms 9,5 Tonnen. Der vorhandene Lichtmast mit zusätzlicher Umfeldbeleuchtung hat sieben Meter Gesamthöhe. Ein Notstromaggregat macht den "Big Rock" unabhängig. Zwei Hubkissen mit 17,7 Tonnen Hubkraft und 27 Zentimetern Hub heben den Havaristen zum Einfädeln der Hebegurte an. Die Kabine hat sechs Sitzplätze für Bergepersonal oder die Insassen des Geschädigten. Mario Müller schwingt sich hinters Volant des 510 PS-Lasters mit seinem maximalen Drehmoment von 2500 Nm. Mäx sortiert die Gänge ganz untypisch für einen Arocs via Doppel-H-Schaltung. Oertli begründet: "Das automatisierte Powershift-Getriebe ist grundsätzlich für viele Situationen geeignet, aber in unserem besonderen Fall wollen wir die Zugbewegungen beim Rangieren direkt über das Kupplungspedal spüren."

Der Vierachser wiegt voll ausgerüstet 26,9 Tonnen. Er beschleunigt gewaltig und gleitet fast wie ein Reisebus über die Fahrbahn. Trotz kurzer Übersetzung - bei 85 km/h liegen 1500 Touren an - ist der Reihensechszylinder kaum zu vernehmen.

Mäx hat das Metier von älteren Kollegen gelernt: "Ich bin seit fünfzehn Jahren dabei und damals von den älteren Kollegen eingearbeitet worden. Deren Erfahrung war äußerst wichtig für mich." Walter Oertli ergänzt: "Die Einsätze sind völlig unplanbar. Bei Schneefall passiert manchmal weniger als bei trockener Straße. Dass Fahrzeuge von der Straße abkommen, hat abgenommen. Auch die Elektronik als Pannenursache ist seltener geworden."

Inzwischen nähert sich Mäx dem Ziel bei Rümlang. Er weiß, was zu tun ist: "Aufnehmen auf die Abschleppbrille, Kardanwelle abhängen, Rückleuchten anbringen, Licht vom "Big Rock" über Funk ansteuern sowie die Luftversorgung anbringen. Dann darf ich auf der Autobahn 80 km/h fahren."

DIE EINZELNEN ARBEITSSCHRITTE SIND MEIST ROUTINE FÜR MÄX

Mäx übernimmt Schlüssel und Papiere des Actros. Dann setzt er routiniert seinen Arocs zurück, geht ans Heck und fährt über Funkfernsteuerung die "Brille" bis an die Vorderräder. Danach schließt er sie mit zwei Stahlwinkeln und hebt sie samt Lkw-Front an. Dann holt er aus dem rechten Werkzeugschrank die Gurte und sichert die Vorderräder.

Das Abhängen der Kardanwelle geht nicht ohne körperlichen Einsatz. Mäx löst sie am Kreuzgelenk und befestigt sie mit einer Kette am Chassis. Im vorletzten Schritt befestigt er die Zusatzrückleuchten am Unterfahrschutz, prüft deren Funktion und legt zwei Luftleitungen, um den geschleppten Lkw sicher zu bremsen. Zum Schluss folgt die Überprüfung der Gesamthöhe mit einem ausschiebbaren Messstab. "Genau vier Meter", stellt er zufrieden fest und verstaut den Stab im Werkzeugschrank.

Inzwischen hat Mäx die Leuchten des Warnbalkens eingeschaltet: "Wir haben zwar Normalmaß, aber ich mache das immer", sagt er. Im Gespräch kommen Walter Oertli und Mario Müller auch auf die Planung bei Notfalleinsätzen zu sprechen: "Ganz schwierig ist es oft, die richtigen Fahrzeuge und Material zu stellen. Bei der Übermittlung der Gegebenheiten vor Ort kommen meist große Ungenauigkeiten oder gar Fehler rüber. Gewissheit über die benötigte Ausrüstungen hat meist erst unser erster Mann vor Ort."

Ruhig zieht Mäx mit 80 km/h auf der Autobahn in Richtung Wil. Der Actros im Schlepp wiegt keine zehn Tonnen. Dennoch ist das Fahrverhalten etwas weicher als ohne Lkw am Haken. "Stimmt", bestätigt Mäx. "Doch auch bei einem schwer beladenen Lkw im Schlepp bringen die Vorderachsen noch ausreichend Druck auf die Fahrbahn."

Nach der Ausfahrt Wil geht's durch Kreisverkehre und eine Baustelle. Ruhig lenkt Mäx das Gespann um alle Hindernisse. Im Spiegel sieht man, dass er keinen Bordstein "mitnimmt" - gekonnt ist eben gekonnt! Sicher bugsiert er den Actros auf den Parkplatz, den "Big Rock" in die Halle und bereitet ihn für den nächsten Einsatz vor. Bis dahin ist sein Arbeitsplatz die Richtbank. Auch da ist Präzision gefragt - wie bei allem, was Mäx Müller macht.

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