Der 44-jährige ergraute Riese lehnt sich in seinen Raststättenstuhl zurück. Er schweigt. Abwartend linst der 1,91 Meter große Hüne durch seine Brille. Kann das tatsächlich Maik Erdmann sein? Ist der zurückhaltende Schweigsame derselbe Mann, der im Internet mutig seine Meinung kundtut?
Er ist es, versichert der Thüringer. Seit 2008 stellt er sein Trucker-Leben in das Schaufenster Internet. Auf www.truckonline.de führt er den Schaulustigen nicht nur die schönen Seiten des Berufs vor, sondern auch die vielen Ärgernisse und Widrigkeiten, die er mit sich bringt. "Ich möchte Menschen den Blick auf die Straße aus dem Fahrerhaus zeigen", erklärt Erdmann.
Neben nützlichen Tipps für die Kollegen (z.B. sei Backpulver das ultimative Fliegen-Kadaver-Beseitigungsmittel) und klaren Statements zur Verkehrspolitik erzählt er auch kurzweilig Anekdoten. Wie die über die serbischen Kollegen, die ihm bei strömendem Regen halfen, die zugefallene Fahrertür seines LKW aufzuhebeln.
NICHT NUR TRUCKER LESEN ERDMANNS BLOG GERNE
Sein unprätentiöser Schreibstil beschert Erdmann viele Leser. An die 1000 User machen auf ihrem Spaziergang durch die virtuelle Welt an seinem Blog Halt, Tag für Tag. Den Autor überrascht es, dass unter seinen Lesern nicht ausschließlich Kollegen sind. Beispielhaft nennt er einen Leser, der als kleiner Junge ebenfalls Fernfahrer werden wollte, schlussendlich aber eine andere Laufbahn einschlug. Das Blog liest der Mann, wie er Erdmann verriet, um sich auszumalen, wie es ihm als Trucker ergangen wäre.
Der Leserandrang blieb den Medien nicht verborgen. Zuerst entdeckten regionale Tagesblätter den bloggenden Trucker, ehe ein Radiosender und ein öffentlichrechtlicher Fernsehsender in Reportagen auf sein außergewöhnliches Hobby aufmerksam machten. Mittlerweile, erzählt Erdmann mit kaum wahrnehmbaren Stolz, habe er zwei konkrete Angebote bekommen, ein Buch zu schreiben. Aber ihm fehle einfach die Zeit. Auch eine Sammlung seiner schönsten Kurzgeschichten komme nicht infrage: "Wieso sollte das jemand kaufen, wenn all meine Geschichten gratis im Internet stehen?"
Nach all den Jahren ist ihm das Schreiben eine liebe Gewohnheit geworden. Das Publizieren begreift er als Therapie, als Mittel gegen das Alleinsein. Die Einsamkeit mache ihn so ruhig, sagt er und zuckt mit den Schultern. Viele, die ihn nicht kennen, würden ihm Arroganz unterstellen, befürchtet er.
Die Frage, ob die jobbedingte soziale Isolation nicht ein zu hoher Preis sei, macht ihn nachdenklich. Na ja, man sei halt kaum zu Hause und dadurch wär's fast unmöglich, eine funktionierende Partnerschaft zu pflegen. Die Lust am Fahren nehme im Alter auch nicht zu. Ein paar Zeigerumdrehungen später erzählt er, dass er in Kürze einen neuen V8 bekomme. "Dann will ich erst einmal eine ganze Weile keinen Urlaub haben", kündigt er freudestrahlend an.
Dann schweigt der Hüne wieder. Er hat alles gesagt. Vorerst. Wie hoch der Puls schnellt, wenn der Chef die Schlüssel überreicht, und wie ob der Sound des V8 unter die Haut geht - das werden seine Leser demnächst erfahren.