In der Regel müssen Lkw-Fahrer um Lëtzebuerg einen großen Bogen machen. Dabei ist die Hauptstadt Luxemburgs durchaus einen Blick wert. Die Kathedrale Notre Dame oder der Paradeplatz machen auch im Vorbeifahren Eindruck. Wer von Norden in die Stadt fährt, kommt über die Großherzogin-Charlotte-Brücke (Pont Grand-Duchesse Charlotte), im Volksmund "Rote Brücke" genannt. Die 355 lange Stahlbrücke überspannt das Tal der Alzette und verbindet das Zentrum mit dem Kirchberg-Plateau. Hier haben Institutionen wie der Europäische Gerichtshof oder der Europarat ihren Sitz.
Luxemburg hat also seinen Reiz. Vor allem für Berufskraftfahrer. Nach Angaben von Alain Petry vom Luxemburger Transportverband CLC sind derzeit rund 8500 Fahrer in der luxemburgischen Sozialversicherung gemeldet. Doch rund 90 Prozent der in Luxemburg beschäftigten Lkw-Fahrer stammen nicht aus dem Land, das mit 550.000 Einwohnern gerade einmal so groß ist wie Leipzig, sondern hauptsächlich aus Belgien, Frankreich und Deutschland. Vor allem im Süden greifen die Speditionen gerne auf französisch sprechende Fahrer zurück, wie Hans Josef Bayer von der Spedition Bayer u. Sohn in Trier erzählt. Das erleichtert die Kommunikation mit den oftmals französisch sprechenden Verladern.
Die wenigen Fahrer mit Luxemburger Pass werden zudem gerne von staatlichen Institutionen und Eigenbetrieben eingestellt, da sie in der Regel mehrsprachig aufwachsen und die Landessprache beherrschen. Das Luxemburgische ist trotz vieler Worte aus dem Deutschen und Französischen nicht leicht zu verstehen. Ihre Sprache ist den Luxemburgern aber heilig, weil sie als Teil der Eigenständigkeit gesehen wird. Zusätzlich sprechen die meisten mindestens zwei, drei Fremdsprachen: Französisch, Deutsch und Englisch sind ab der Grundschule Pflicht.
DIE ARBEITSBEDINGUNGEN SIND BESSER ALS IN DEUTSCHLAND
In Luxemburg zu arbeiten ist durchaus paradiesisch. Wegen der günstigeren Besteuerung bleibt am Monatsende etwas mehr netto vom Gehalt übrig als in Deutschland. Das Gleiche gilt bei der Rente. Und auch die Zahl der Urlaubstage ist etwas höher. In Sachen Mindestlohn (Deutschland: 8,50 Euro/Stunde) ist Luxemburg ebenfalls führend. Schon ungelernte Kräfte bekommen im Nachbarland über elf Euro die Stunde. Der Tarifvertrag für die Transportwirtschaft sieht sogar mindestens 12 Euro vor - je nach Alter und Erfahrung sogar noch deutlich mehr.
Obwohl die Fahrer wegen ihrer unterschiedlichen Herkunft nur wenig gewerkschaftlich organisiert sind, gibt es zwei recht starke Gewerkschaftsverbände, die sich dem Transportgewerbe annehmen. Dabei sind Lohnauseinandersetzungen oder gar Streiks selten. Die Löhne sind an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten gekoppelt und werden regelmäßig angepasst. Das sorgt für eine hohe Zufriedenheit. Das europäische Statistikamt hat dies kürzlich sogar gemessen: Die Einwohner Luxemburgs liegen mit 7,5 auf der Zufriedenheitsskala höher als die Deutschen (7,3) und über dem EU-Schnitt von 7,1.
DAS REICHSTE LAND EUROPAS WURDE DURCH SEIN FINANZWESEN GROSS
Nicht nur die Menschen, auch das internationale Geld hat sich lange Zeit sehr wohl gefühlt im kleinen Luxemburg. Dieser Umstand brachte dem Nachbarland Deutschlands oft negative Schlagzeilen ein. Wenn der Name des Herzogtums in den Nachrichten erscheint, geht es fast immer um Steuertricksereien von Großkonzernen, gierige Hedgefonds, Durchsuchungen bei Banken und Briefkastenfirmen. Luxemburg wurde durch sein Finanzwesen groß. Rund 5100 Euro hat jeder Haushalt rechnerisch im Monat zur Verfügung - netto! Das ist mit weitem Abstand europäische Spitze und mehr als doppelt so viel wie in Deutschland. Die Zahlen werden jedoch verfälscht durch die überragende Bedeutung der Finanzindustrie, die rund ein Viertel der jährlichen Wirtschaftleistung ausmacht.
Neben Banken und Versicherungen gibt es eine breit aufgestellte mittelständische Wirtschaft. Im Süden, in der Region Esch, haben vor allem der traditionelle Erzbergbau und die Stahlindustrie ihr Zentrum. Hier hat der weltgrößte Stahlhersteller ArcelorMittal seinen Sitz. Auch Unternehmen aus den Branchen Chemie, Kunststoff oder Maschinen- und Fahrzeugbau wie der Reifenhersteller Goodyear sind dort angesiedelt. Die Firmen sorgen dafür, dass die Luxemburger Wirtschaft boomt. Für 2015 rechnet die EU-Kommission mit einem starken Wachstum von 2,6 Prozent, für 2016 sogar mit 2,9 Prozent (Deutschland: 1,3 bzw. 1,9 Prozent). Auch der Arbeitsmarkt gibt mit einer Arbeitslosigkeit von rund sechs Prozent kaum Anlass zur Sorge (Deutschland: 5,0 Prozent).
Dennoch wird Luxemburg Industrien abseits der Finanzbranche ausbauen müssen. Als Steueroase oder Sitz für Briefkastenfirmen hat das Land auf Druck der EU ausgedient. Darum fördert die Regierung verstärkt alternative Branchen wie Bio- und Umwelttechnologien oder die Gesundheitswirtschaft. Auch in die Logistik wird verstärkt investiert. Vom Logistikhub in Bettembourg aus gehen seit Kurzem zahlreiche neue Verbindungen des Kombinierten Verkehrs aus - unter anderem nach Duisburg.
IM HERBST WERDEN NEUE AUTOBAHNABSCHNITTE ERÖFFNET
Rund um Bettembourg und der Hauptstadt Lëtzebuerg verlaufen auch die wenigen Hauptverkehrsstraßen des Landes. Neben der viel befahrenen A13, die vom Saarland aus am Logistikhub und den Stahlzentren vorbeiführt, treffen sich die Autobahnen im Süden der Hauptstadt und gehen von dort aus sternförmig in Richtung Brüssel, Metz, ins Saarland und nach Trier mit der Anbindung an die deutsche A1. Insgesamt macht das Autobahnnetz nur 152 Kilometer aus.
Ein paar weitere werden noch hinzukommen. So wird die 1,4 Kilometer lange Lücke in der Saarautobahn bei Hellingen endlich geschlossen. Rund 16 Jahre lang zog sich ein Streit zwischen dem Land und einem Grundstücksbesitzer, der nicht verkaufen wollte. Spätestens 2016 sollen Staus am Kreisel des so genannten Bypass Hellingen Geschichte sein und der Verkehr schneller rollen. Schon im September soll das letzte Teilstück der "Nordstross" im Alzettetal zwischen Waldhof und Lorentzweiler fertig werden. Dann geht die Autobahn vom Luxemburger Flughafen bis Ettelbreck durch.
Klar, dass auch in Luxemburg der Verkehr eines der Hauptprobleme ist. Morgens sind die Straßen rund um die Hauptstadt voll. Gleiches gilt für die Raststationen. Auch wenn die Rastplätze und Tankstellen recht großzügig ausgebaut sind, sind sie vor allem am Abend immer schnell belegt, weiß Bayer aus Erfahrung. Zumal es direkt an den Autobahnen nur wenige gibt. Neben Pontpierre an der A4 und Capellen an der A6, kurz vor der belgischen Grenze ist die Auswahl nicht groß. So wundert es nicht, dass etwa die Raststätte Berchem an der A3 südlich von Lëtzebuerg die größte im Konzern des Tankstellenbetreiber Aral ist, mit einem durchschnittlichen Absatz von über neun Millionen Litern Kraftstoff pro Monat. Auch der Esso-Konzern bezeichnet die autohofähnliche Tankstelle in Wasserbillig als weltweit größte des Konzerns mit 30.000 Quadratmetern.
KONTROLLEN SIND SEHR GENAU. DIE ORDNUNGSHÜTER GELTEN ALS PENIBEL
Die meisten Straßen sind in gutem Zustand und für den Transitverkehr ausgelegt. Dabei müssen sich Fahrer an einige Regeln halten. Transitverkehre sind für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht nur auf eigens dafür ausgeschilderten Straßen erlaubt. Wer die Autobahn verlässt, etwa um abseits deutlich billiger zu tanken, riskiert empfindliche Strafen. Hart kontrolliert werden auch die Fahrverbote. Zwar kennt Luxemburg keine eigenen Sonn- oder Feiertagsfahrverbote. Vielmehr orientieren sich die Regelungen an den Nachbarländern. Gilt etwa in Frankreich ein Fahrverbot wegen eines Feiertags, dürfen Lkw aus Deutschland nicht einreisen, wenn sie weiter nach Frankreich wollen. Damit soll verhindert werden, dass die ohnehin knappen Parkplätze noch stärker belastet werden. Verstöße dagegen können teuer werden.
Auch sonst gelten die Luxemburger Ordnungshüter als penibel. André Wienke, der bei der Luxemburger Spedition Arthur Welter Transports in Leideleng für die Fahrer zuständig ist, stellt zwar fest, dass nicht übermäßig oft kontrolliert wird. "Wenn doch, dann aber sehr konsequent", sagt Wienke. Die Polizei verfügt über zwei "Blue Monster" genannte mobile Stationen. Mit diesen kann eine komplette technische Kontrolle durchgeführt werden, auf der laut Petry besonderes Augenmerk liegt. Jeder Lkw kann auf der Straße angehoben werden, um die Unterseite genau inspizieren zu können. Hier endet dann auch die Gastfreundlichkeit der Luxemburger. Die Polizei darf bei Verstößen die Fahrer sogar in ihr Herkunftsland oder in die Luxemburger Niederlassung zurückschicken. Alexander Heintze