Die Lastzüge der Gegenwart werden immer eintöniger, einstige Markenunterschiede immer glatter gebügelt. Deswegen geht der Blick bei vielen LKW-Freunden zurück in die kunterbunte Vergangenheit. Daraus entstand die "Old School"-Bewegung, deren Idee es ist, einen im guten Sinn altmodischen Stil auf moderne Modelle zu übertragen.
Ein Vorzeigeexemplar dieser Mischgattung stellt der Volvo FH von Mike Förster aus Beckdorf im Alten Land dar. Die Antriebstechnik des Sattelschleppers mit 540 PS, Vollluftfederung und automatisiertem Getriebe ist hochaktuell. Seine Ausstattung mit gediegener Lackierung, Leuchtkasten und Dachgepäckträger zeigt sich im Kontrast dazu sehr traditionell.
Früh um sechs Uhr auf dem schmucken Firmenplatz nicht weit von Buxtehude lässt Fahrer Mathias "Bolle" Bollmann den Motor des Volvo an. Schon am Tag davor hat er im Hamburger Hafen einen Seecontainer aufgenommen, 20 Tonnen Maschinenteile für Hannover. Wegen des Fototermins ist er über den Hof gekommen und hat seinen Laster noch bis spät abends gewaschen und auf Hochglanz gebracht.
Bei den Truckfans im Internet hat der Volvo von Mike Förster seit der Präsentation schon für ordentlich Aufsehen und Anerkennung gesorgt. Bei der ersten Begegnung "in natura" erweist sich die schlichte, stilvolle Schönheit als noch beeindruckender. Schnell ein paar Bilder, dann los, denn der Kunde wartet und der Frachtbehälter auf dem Sattelchassis muss noch dem örtlichen Zollamt des Warenempfängers vorgeführt werden.
Erst ein Stück über Landstraßen, dann über die A7 geht es voran. Der 34-Jährige war früher Zeitsoldat, hat beim Bund eine Kraftfahrerausbildung gemacht und selbst die riesigen Schwerlasttransporter "Büffel" und "Elephant" gefahren. 2005 erwarb er das zivile Berufskraftfahrerdiplom, seitdem verdient er sein Geld hinter dem Lenkrad. Bolle strahlt beim Fahren viel Ruhe und Gelassenheit aus.
"Mir macht der Beruf Freude, und mit so einem Lastwagen dazu erst recht!", sagt er und ergänzt: "Mein Radius reicht vom Ruhrgebiet über Dänemark bis nach Ostdeutschland. Am Anfang hab' ich gestutzt, dass mein neuer Volvo ein Flachdach hat, doch als Alleinfahrer auf solchen Strecken passt das ohne Probleme. Dafür ist die Ausstattung mehr als reichlich."
Entstanden ist das ungewöhnliche Gestaltungskonzept in Zusammenarbeit von Mike Förster und Carsten Uhl, der in Hemmingstedt bei Heide einen Servicebetrieb für Volvo und Renault führt. Während der Entstehungsphase erhielt der zukünftige Besitzer laufend Bilder über das Smartphone, erst als das Prachtstück fertig war, bekam es Mike Förster das erste Mal real zu sehen.
Statt einer zweiten Koje ist ein Schrank verbaut, den es so von Volvo für das Flachdach definitiv nicht gibt. Unter dem Bett stehen Kühlschrank und ausfahrbare Kaffeemaschine bereit. Ein Flachbild-TV und eine gute Anlage sorgen für Unterhaltung. Das Innere des Fahrerhauses ist mit feinen Stoffen und üppig Echtleder ausgekleidet und dezent beleuchtet.
Nordisch inspiriert ist die Rahmenvollverkleidung, unter der sich Tanks, Abgasanlage und Staukisten verbergen. Letztere sind von Vorteil, wenn Bolle mit Plateauaufliegern unterwegs ist, um überbreite Stahlbleche zu verfrachten. Ladungssicherung ist in solchen Fällen nicht ganz unkompliziert, das umfangreiche Material, das dafür nötig ist, kann so bei Nichtbenutzung seitlich am Rahmen sauber verstaut werden.
Die Verzollung des Containers ist glücklicherweise nur eine Formalität ohne größere Warenbeschau, danach geht es zügig zum Kunden. Bei den "Blechbüchsen" ist das Abladen ausschließlich Sache des Empfängers. Bolle bringt derweil die Buchführung auf Vordermann. Seit zwei Jahren fährt er für Mike Förster, er schätzt die Abwechslung und das kollegiale Betriebsklima. "Der Chef legt Wert auf die Gemeinschaft, Eigenbrötler haben bei ihm nicht so gute Chancen", sagt er.
STRETCH-LIMO: TELESKOPIERBARES CHASSIS SORGT IMMER FÜR TRAKTION
Ein weiteres, feines Detail dieses Lastzugs ist das teleskopierbare Containerchassis von Broshuis, das sich in seiner Länge vom 20-Fuß- bis zum 45-Fuß-Container verstellen lässt. Damit stimmen die Achslasten und die Traktion, Bolle hat es schon anders erlebt: "Wer je bei Glätte einen schweren 20-Füßer hinten auf einem langen Chassis gefahren hat, weiß, wovon ich rede. Das ist eigentlich ein Sicherheitsrisiko!" Die Tour endet mit der Abgabe des Containers im Hamburger Hafen, dann ist etwas Zeit für Fotoarbeit.
Warum lässt man sich so ein ungewöhnliches Fahrzeug mit Flachdach bauen?, geht die Frage an den 39-jährigen Transportunternehmer. "Wir zeigen damit, dass wir positiv verrückt sind, dass wir an dem, was wir tun, noch echte Freude haben!", lautet Mike Försters Antwort. 2005 hat der gelernte Speditionskaufmann sich selbstständig gemacht, mittlerweile sind 13 LKW daraus geworden. Und Försters neuer "Flachmann" beweist, dass Transport in dieser Firma mehr als nur ein Job ist.