Letztes Jahr brauchte die Fuhrmannsfamilie Matthiesen aus einem kleinen Dorf bei Odense einen Nachfolger für einen sechsachsigen Mercedes-Lastzug. Die Marke mit dem Stern war eigentlich traditioneller Hauslieferant neuer Nutzfahrzeuge, doch diesmal probierten die Matthiesens etwas anderes aus deutscher Fertigung: einen Iveco, noch vom Ulmer Band.
Schon öfter hat der TRUCKER die Vorteile von LKW-Konzepten beschrieben, die im nationalen Verkehr ihrer Heimatländer mehr als die in Europa sonst üblichen 40 Tonnen wiegen dürfen - siehe etwa Ausgabe 11 über 50/60-Tonner bei RD-Plastics in Holland. Die Dänen haben deren Vorzüge in Sachen Leistungsfähigkeit und Umweltfreundlichkeit bereits vor Jahrzehnten erkannt, weswegen Sechsachser schon länger mit bis zu 50 Tonnen Gesamtgewicht unterwegs sind. Um die Ökonomie und Ökologie mit geringerem Verbrauch pro Tonne Nutzlast weiter zu verbessern, erhöhten die Verkehrspolitiker das Gewichtslimit vor wenigen Jahren auf 54 Tonnen.
BINSENWEISHEIT: SIEBEN ACHSEN VERTEILEN DIE LAST
Das allerdings setzt bei Lastzügen, gleich ob in Glieder- oder Sattelversion, eine zusätzliche, siebte Achse voraus. Man muss kein Mathegenie sein, um zu errechnen, dass mit dieser technischen Maßnahme die einzelnen Achslasten, die für den Verschleiß von Fahrbahnbelägen und Brückenbauwerken verantwortlich sind, vermindert werden.
Ursprünglich als Dreiachser gefertigt, bekam also Matthiesens Stralis anschließend in Italien noch eine vierte Achse montiert, jetzt lautet die technische Achsformel 8 x 2/6, von den Dänen wird diese Variante als "triplebogie" bezeichnet. Komplettiert wird der Lastzug von einem gewöhnlichen Dreiachsanhänger aus der Produktion der "Skelhöje Vognfabrik".
Das Familienunternehmen betreibt sechs Lastzüge und bewegt damit Schüttgüter aller Art, dazu kommt noch ein Viehtransporter. Niels Matthiesen, der den Iveco lenkt, ist mit seinem Lastzug aber gänzlich auf Viehfutter spezialisiert. Im ländlichen Dänemark gibt es unzählige Großbauernhöfe, die Rinder und Schweine mästen, die sind auf ständigen Nachschub an Nahrung angewiesen.
Frühmorgens kommt der Kraftfahrer auf dem Gelände eines großen Futtermittelhändlers im Hafen von Aabenraa an, nur wenige Kilometer von der Grenze zu Deutschland bei Flensburg entfernt. Am Tag zuvor hat er in der Nähe seines Heimatdorfs Rapsschrot geladen, den er jetzt in den vergitterten Schütttrichter einer Förderanlage abkippt. Das ist eine extrem staubige Angelegenheit.
Anschließend bekommt er eine Halle weiter mit dem Radlader gleich wieder eine Fuhre fertig gemischtes Futter aufgeladen. Das muss er zu einem Bauernhof bringen, der auf Schweinemast spezialisiert ist. Diesmal ist es mit dem schnellen Abkippen nicht getan, denn das Material muss in ein Silo geschafft werden. Dafür ist der Lastzug mit einem ausgeklügelten Saug- und Blassystem des dänischen Herstellers Jilko ausgerüstet.
STREIKT DAS FÖRDERSYSTEM, MUSS MAN SCHNELL HANDELN
Dieses leitet das körnige Material mit einem Wendelförderer und Druckluft zum Auflockern und Beschleunigen in den dicken Schlauch, der direkt zum zylinderförmigen Lagerbehälter führt. Über einen weiteren Schlauch kann dieses System auch direkt mit dem Anhänger verbunden werden. Für den Fahrer ist das recht einfach, allerdings muss er den Vorgang bei jedem Wetter draußen hinter dem Lastwagen ständig überwachen, weil es leicht zu Verstopfungen des Fördersystems kommen kann, dann ist schnelles Reagieren gefragt.
Bald ist das geschafft und es geht zu einem weiteren Futterlager, wo die Ladung aus einem Fallrohr in vier Metern Höhe kommt. Diesmal müssen zwei verschiedene Partien geladen werden. Dazu verfügt der Lastzug über ein System von mehreren Trennwänden auf der Ladefläche, die bei Nichtbenutzung an die seitlichen Bordwände geklappt werden. So lassen sich Produktvermischungen, aber auch unnötige Zweitfahrten vermeiden.
Hier erweist sich ein weiterer Vorteil des großzügigeren Gewichtslimits. Die Fahrzeugbauer können praktische Lösungen wie in diesem Lastzug verwirklichen, ohne dass der Transporteur dabei zu viel Nutzlast verliert. Wiegt der Siebenachser mit all der speziellen Technik fast zwanzig Tonnen, dann bleiben immer noch mehr als 34 Tonnen Frachtkapazität übrig. Das spart im Vergleich zum Euro-40-Tonner eine Menge Fahrten und reichlich Sprit und Emissionen.
Mit vollem Gewicht geht die Tagestour weiter. Niels Matthiesen ist nach Jahren auf Mercedes auch mit dem Iveco zufrieden. Die 500 PS reichen für das dänische Flachland völlig, auch die automatisierte Schaltung hat den Futtermittelfahrer nach anfänglicher Skepsis überzeugt. Sein Bruder Jörgen berichtet, dass sich auch die Verbräuche des Stralis in sehr wirtschaftlichem Rahmen halten.
Beim nächsten Kunden bekommt Niels auch mal die Abnehmer seiner Fracht zu Gesicht: Junge Kuhmädels schauen ihm neugierig zu, wie er in die flache Halle des Bauernhofs rangiert. Hier funktioniert nur seitliches Abkippen des Motorwagens. Anschließend muss sich der Iveco aus dem Schüttgut regelrecht herauswühlen. Niels Matthiesen erledigt auch das mit Routine. Er ist sichtlich glücklich mit seinem neuen Lastwagen, der im dänischen Stil mit feinen Stoffen und Leder sowie einem zusätzlichen Schrank über der Koje ausgestattet ist. Den Staub von Stall und Hof hält er bisher erstaunlich erfolgreich heraus.