Die Ereignisse auf der Raststätte Gräfenhausen erinnern in ihrem martialischen Auftritt an Krieg. Eine Art Söldnertruppe, mobilisiert von einem polnischen Transportunternehmer, will Fahrern die wegen lange nicht bezahlter Löhne streiken, die Lkw abnehmen.
Die Eskalation auf der Raststätte Gräfenhausen am letzten Wochenende hat bundesweites Medienecho hervorgerufen. Dort haben zahlreiche Fahrer einer polnischen Spedition protestiert und ihre Lkw festgesetzt, weil sie vom Chef der Spedition seit Wochen keinen Lohn bekommen haben. Die Fahrer - meist aus ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken - nicht zu entlohnen, ist schon alleine eine Unverschämtheit. Dass der sogenannte Logistiker dann auch noch eine paramilitärische Truppe im Radpanzer losschickt, um die Fahrer einzuschüchtern und die Zugmaschinen zurückzuholen, setzt einem offensichtlichen Missstand die Krone auf.
Dank des schnellen Eingreifens der deutschen Polizei konnte eine weitere Eskalation verhindert werden. Der „Schlägertrupp“ zog nach diversen erkennungsdienstlichen Maßnahmen unverrichteter Dinge ab. Dem Vernehmen nach streiken die Fahrer weiter. Geld gab es bislang trotzdem nicht...
Natürlich liefen die Social Media-Kanäle bereits eine Stunden nach dem „Überfall“ über. Ein herbeigeeilter Verbandschef nutzte die Chance gnadenlos, um im Lokalfernsehen gegen Missstände, Lohndumping und die böse osteuropäische Konkurrenz zu wettern und noch Tage später füllten Bilder des Radpanzers und der uniformierten Schlägertrupps die Newsletter.
Aber mal ehrlich. Was der Unternehmer macht, ist eine Sauerei. Die betroffenen Fahrer sind, mit Verlaub, arme Sch...., auf deren Rücken ein Thema ausgetragen wird, welches im Grunde genommen ein gesamtgesellschaftliches Problem in Europa ist! Unsere Gesellschaft, zumindest Teile davon, finanziert ihren Wohlstand so. Geiz ist offenbar so geil, dass keiner bereit ist, für Retouren zu bezahlen oder für den Kühlschrank oder Fernseher zwei Euro mehr auszugeben. Wenn wir uns also darüber aufregen, dass ein „böser polnischer Logistiker“ seine Fahrer ausbeutet, sollten wir uns auch die Frage stellen: „Warum macht er das?“ Hat er denn von seinen Auftraggebern einen ordentlichen Salär für seine Transportdienstleistung bekommen?
Vielleicht steht ihm selbst das Wasser bis zum Hals. Denn, wer hat per se solche kriminelle Energie, einen paramilitärische Truppe in Marsch zu setzen, um im Nachbarland „Krieg zu führen“. Da muss einem das Wasser schon bis Oberkante Unterlippe stehen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Was der Mann und seine Truppe gemacht haben, ist NICHT tolerierbar. Aber er alleine ist nicht das Problem. Wir alle sind es! Und deshalb können auch nur wir gemeinsam die Lösung sein. Transport MUSS ordentlich bezahlt werden!
Ein Kommentar von Gerhard Grünig.
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