Seit drei Wochen streiken mehr als 60 Fahrer vor allem aus Georgien und Usbekistan, die von dem polnischen Unternehmen ausstehenden Lohn fordern an der A5. Nach Angaben der Fahrer sind sie seit Wochen, teilweise seit Monaten, nicht bezahlt worden. Berufskraftfahrer Salvatore Filippone war in Gräfenhausen und weiß, worum sich der Streik drehte. Die VerkehrsRundschau hat ihn zu einem exklusiven Interview getroffen und ihm ein paar Hintergrund-Fragen zum Streik gestellt.
Dass ausländische Fahrer hier in Deutschland streiken, ist ungewöhnlich. Können Sie beschreiben, wie es am letzten Märzwochenende am Rasthof in Gräfenhausen losging und warum?
Zunächst war das mehr eine Kundgebung der aktuellen prekären Situation im Logistikgewerbe europaweit, Deutschland eingeschlossen. Die Kolleginnen und Kollegen, meist aus Georgien und Usbekistan, haben sich in Gräfenhausen getroffen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Es stehen seitens der Unternehmen Lukmaz, Imperia und Agmaz seit zwei Monaten Zahlungen aus. Die Fahrer wurden immer wieder vertröstet.
Verständnis und Hilfsbereitschaft insgesamt waren groß. Sie selbst haben einiges mitorganisiert. Wie lief das?
Da die Kolleginnen und Kollegen über kein Geld verfügten, wurde ihnen der Zutritt zu den Sanitärräumen verweigert. Ich selbst kenne das noch aus Corona-Zeiten. Glauben Sie mir, es ist erniedrigend, ohne Toilette auszukommen und kaum ansatzweise Körperpflege betreiben zu können. Anna Weirich von der Fairen Mobilität, die Fahrer arbeitsrechtlich berät, rief mich an und bat mich um Hilfe zwecks der prekären sanitären Situation. Ich telefonierte dann mit Christina von Haugwitz, Projektmanagerin bei Pro Fahrer Image e.V. Am nächsten Tag wurden seitens des Vereins 1000 Euro zur Verfügung gestellt, damit die Kolleginnen und Kollegen die sanitären Anlagen nutzen konnten.
Gräfenhausen war ja nicht der einzige Streikort, aber wohl der zentralste.
Ja, auch in Sterzing an der Grenze Italien /Österreich war ein Streikposten. Dort schaffte es der polnische Arbeitgeber, die Fahrer unter falschen Versprechungen zum Standort nach Polen zu holen. Dort angekommen, wurden Einzelne verprügelt und entlassen. Natürlich ohne ihnen den ausstehenden Lohn zu zahlen.
Lukasz Mazur, der Spediteur, soll aufgetaucht sein und neue Fahrer mitgenommen haben. Wussten die, dass sie nur die Frachten „retten“ sollten?
Als sie erfuhren, um was es tatsächlich ging, sind sie unverrichteter Dinge weitergefahren, auch dank der Polizeipräsenz. Der Polizei kann ich meinen höchsten Respekt aussprechen für die professionelle und besonnene Art der Vorgehensweise.
Wurden die Fahrer bewusst getäuscht?
Ihnen wurden keine Standard-Arbeitsverträge, sondern Dienstleistungsverträge vorgelegt, mit denen sie hier vermutlich als scheinselbstständig eingestuft werden.
Als Mediator wurde der niederländische Gewerkschaftler Edwin Atema gewählt.
Mit ihm gab es Vorgespräche, jedoch keine seriösen Verhandlungen. Lukasz Mazur und sein Anwalt wollten keine Unterlagen zur Verfügung stellen, die belegen, was den Fahrern bezahlt wurde und auf welcher Grundlage. Dann kam die Eskalation am Karfreitag, als ein Schlägertrupp versucht hat, die Herausgabe der Lkw zu erzwingen, was dank Polizeieinsatz misslungen ist. Es wurden darauf alle Auftraggeber mit der Bitte um Stellungnahme informiert. Darunter sind Unternehmen, die die UN Global Compact Richtlinien unterzeichnet haben und damit Veränderungsprozesse anstoßen wollen.
Dieses Interview führte Gerfried Vogt-Möbs.