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In 100 Jahren vom Diesel- zum E-Lkw: MAN liefert ersten eTGX an Kunden aus

15.10.2024 07:00 Uhr | Lesezeit: 6 min
MAN-CEO Alexander Vlaskam vor dem ersten eTGX-Kundenfahrzeug
MAN-CEO Alexander Vlaskam vor dem ersten eTGX-Kundenfahrzeug
© Foto: MAN Trucks

MAN liefert ziemlich genau 100 Jahre nach der Auslieferung des ersten Diesel-Lkw aktuell den ersten eTGX an einen Kunden aus. Der kommt bezeichnenderweise bei Porsche zum Einsatz und befördert beim Transportdienstleister Dräxlmaier Akkus für den Macan.

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100 Jahre ist es her, dass MAN den ersten Diesel-Lkw an einen Kunden ausgeliefert hat. Jetzt geht der erste eTGX als BEV an einen Kunden. Der Beginn einer neuer Ära?

Alexander Vlaskamp: Ja. Aus meiner Sicht ist das ein historischer  Meilenstein. Das ist der erste von drei e-Trucks, die wir an unseren Kunden Dräxlmaier ausliefern und der erste eTGX, der jetzt in den Praxiseinsatz geht. Damit geht es jetzt nach Van und Bus endlich auch beim Lkw so richtig los mit dem Kapitel E-Mobilität – wir haben da ja seit 2019 bislang lediglich mit einer Kleinserie erste Erfahrungen gesammelt. Jetzt gehen wir richtig in die Breite - zur IAA in Hannover haben wir ja bereits ein sehr umfangreiches Produktportfolio unserer elektrifizierten Baureihen vorgestellt.

Gibt es denn große Unterschiede zwischen den e-Trucks und den dieselgetriebenen Pendants?

Vlaskamp: Technisch natürlich schon, in der Anwendungsvielfalt nicht! Wir haben extra eTrucks konzipiert, die in der Praxis direkt vergleichbar sind mit unseren Diesel-Lkw. Das betrifft die Gesamtlänge, die Nutzlast aber auch Anwendungsfälle wie Lowliner-Zugmaschinen für den Automotive-Bereich, von denen wir bei Dräxlmaier konkret sprechen. Auch was die Reichweiten betrifft, können wir dank der  variabel konfigurierbaren Anzahl an Batteriepacks genau den Einsatz ermöglichen, den der Kunde von seinem Lkw erwartet. Dazu haben wir in Hannover weitere Lösungen gezeigt –  zum Beispiel unseren eTGL mit zwei oder ein BDF-Fahrzeug mit sieben Batterie-Paketen.  Diese Version bietet 623 Kilowattstunden Kapazität und bis zu 650 Kilometer Reichweite ohne Nachladen. Das reicht für die meisten Anwendungen.

Wo kommt der erste eTGX zum Einsatz?

Felix Klimas: Dazu muss ich vielleicht kurz erklären, dass Dräxlmaier in Leipzig die Batterien für den vollelektrischen Porsche Macan baut. Mit den neuen Zugmaschinen bringen wir die dann Just-in-Time ans Band. Dazu nutzen wir ein automatisches Be- und Entladesystem, um die Batterien auf und vom Trailer zu bekommen. Zudem haben wir uns an unserer Verladerampe Ladeinfrastruktur aufgebaut und können so während des Umladens des Trailer die Fahrzeugbatterien aufladen.

Und warum der Umstieg auf einen eTruck?

Klimas: Uns als Dräxlmaier ist das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig – nicht anders ist es bei Porsche. Und im konkreten Fall haben wir einen perfekten Anwendungsfall. Zumal auch die Stadt Leipzig bemüht ist, lokal Emissionen zu reduzieren.

Was gab den Ausschlag für den eTGX?

F. Klimas: Zum Zeitpunkt der Ausschreibung – und soweit ich weiß ist das immer noch so, war MAN der einzige Anbieter der einen batterieelektrisch angetriebenen Lowliner im Programm hat, mit dem wir drei Meter Innenhöhe realisieren können. Drei Fahrzeuge haben wir geordert, weil wir damit nach unseren Berechnungen die komplette Versorgung sicherstellen können.

Sind weitere Anschaffungen von eTrucks geplant?

Klimas: Die Dräxlmaier Group untersucht weitere Anwendungsfälle, wo der Einsatz eines BEV-Lkw sinnvoll sein kann. Der Fokus liegt immer auf der Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Im konkreten Fall liegen wir bei 95 Prozent. Wir benötigen natürlich auch Kunden, die diesen Weg mit uns gehen.

Ist Porsche denn bereit für den nahezu CO2-freien Transport mehr zu bezahlen?

Klimas: Diese Frage stellen sie am besten Porsche.

Herr Vlaskamp, Porsche ist ja quasi Konzernschwester. Wird dort für die Dekarbonisierung Geld ausgegeben?

Vlaskamp: Alle Marken des VW-Konzerns sind dem Thema Nachhaltigkeit verpflichtet und haben klare Ziel. Das gilt für Porsche und natürlich auch für die MAN. Wir haben zum Beispiel mit Loadfox ein Tochterunternehmen gegründet, um auch selbst Erfahrungen bei der Dekarbonisierung unseres eigenen Werksverkehrs zu sammeln. Natürlich sind wir alle im Konzern miteinander im Austausch, haben entsprechende Projektteams und arbeiten daran, wie wir unsere Produktion und Lieferketten weiter dekarbonisieren können. Und natürlich ist eine der Strategien, die Zulieferlogistik Schritt für Schritt zu elektrifizieren.

Wir wissen aber, dass der Schritt zur E-Mobilität zumindest im Moment noch teuer ist. Wie geht man da am besten vor?

Vlaskamp: Wir müssen den Transportunternehmen Investitionssicherheit bieten. Für uns ist ein wichtiger Hebel, längerfristige Verträge anzubieten, um den Kunden Investitionssicherheit zu geben und damit die Bereitschaft zu steigern, in nachhaltige Transportlösungen zu investieren. Wir sehen uns auch in Projekten die gesamten Transportketten unserer Kunden an - so wie wir eine solche Betrachtung auch bei uns selbst vornehmen. Nur so können wir den Einsatz von Elektrofahrzeugen maximieren. Bei Anschaffungspreisen die aktuell noch etwa zweieinhalb Mal so hoch sind wie beim Diesel-Lkw, muss man sich in jedem Fall auch die Kraftstoffkosten ansehen. Nach unseren bisherigen Erfahrungen liegen eTrucks bei den Stromkosten deutlich unter den Treibstoffkosten von Diesel-Lkw. Ihr Einsatz rechnet sich – trotz der deutlich höheren Anschaffungspreise – je nach Anwendungsfall oft schon nach drei Jahren. Bei diesen Berechnungen beraten wir unsere Kunden ganz individuell - ebenso wie über die Möglichkeiten der Ladeinfrastruktur. Außerdem geben wir unseren Kunden einen Überblick zu weiteren Kostenfaktoren. So profitieren Kunden von E-Trucks einerseits oft von Mautvergünstigungen,  andererseits kommt 2027 das Emissionshandelsgesetz auch für den Verkehrssektor. Das wird dafür sorgen, dass CO2-Belastungen beim Transport deutlich teurer werden. Diese und weitere Faktoren werden dafür sorgen, dass der eLkw nicht nur nachhaltiger, sondern vor allem auch wirtschaftlicher sein wird als der Diesel.

Herr Klimas, waren das auch Überlegungen bei Dräxlmaier und wie genau setzt ihr die Autos künftig ein?

Klimas: Natürlich spielen all diese Überlegungen eine Rolle für uns. Und wir sehen uns genau an, wo wir eTrucks sinnvoll einsetzen können. Im konkreten Fall laufen die drei eTGX in einem Rundlauf mit rund neun Kilometer Streckenlänge zwischen unserem Standort und dem Porsche Werk in Leipzig. Wir haben auch passende Ladezyklen hinterlegt, denn bei im Verhältnis kurzen Strecken muss man natürlich nicht nach jedem Rundlauf nachladen.

Wie sieht es mit der Nutzlast des eTGX aus?

Vlaskamp: Ausgehend von einer Sattelzugmaschine mit fünf Batteriepacks sind wir ziemlich pari mit einem Diesel-Truck – davon ausgehend, dass der eTruck bis zu zwei Tonnen mehr Gesamtgewicht transportieren darf.

Nutzt Dräxlmaier eigentlich Eigenstrom beim Laden?

Klimas: Tatsächlich haben wir bereits PV-Anlagen auf unseren Hallendächern und verwenden als Gesamtkonzern Grünstrom. Das heißt auch, dass wir unsere Solaranlagen auf unseren eigenen Gebäuden kontinuierlich ausbauen. Leipzig ist da schon gut ausgestattet. Wir bereiten uns aber auch darauf vor, in unseren anderen Standorten die Infrastruktur auszubauen und auch Ladesäulen für eTrucks zu bauen.

Hersteller wie MAN können also jetzt liefern. Aber wie sieht es von Seiten der Kunden aus – wie ist die Resonanz?

Vlaskamp: Pauschal ist das nicht zu beantworten. Bei manchen herrscht noch Skepsis, andere zeigen großes Interesse. Es kommt natürlich immer auf den Anwendungsfall an – aber mehr als 2.500 Bestellungen und Bestellanfragen stimmen uns optimistisch. Es gibt nur wenige Fälle, wo Elektromobilität aktuell noch wenig sinnvoll erscheint - beispielsweise wenn man mit dem eTruck über Ländergrenzen, etwa nach Osteuropa fährt. Aber auch hier hätten wir für unsere Kunden, die dekarbonisieren möchten, mit unserem Wasserstoff-Verbrenner oder dem Einsatz von HVO100 gute Alternativen. Letztlich brauchen wir jetzt vor allem große Fortschritte beim Ausbau der Ladestruktur in Deutschland wie auch europaweit. Ich hatte auf der IAA Gelegenheit mit Wirtschaftsminister Robert Habeck zu sprechen, der unseren Stand besucht hat. Dabei habe ich drei klare Botschaften bei ihm platziert: 1. Es ist ein Unding, dass die Mautbefreiung für CO2-freie Lkw ab 2026 wieder abgeschmolzen werden soll und es unklar ist, wie lange die Regelung gelten soll. Die Unternehmer, die jetzt in neue Antriebsformen investieren, brauchen Planungs- und Investitionssicherheit. Mindestens für fünf Jahre. 2. Die Bundesregierung sollte sich zudem dringend überlegen, jetzt im Hochlauf wieder Förderungen für die Anschaffung von eTrucks aufzulegen. Was mit dem KsNI-Programm zum absolut falschen Zeitpunkt passiert ist, kann man nur als Trauerspiel bezeichnen. Auch eine verbilligte Finanzierung zum Beispiel über die KfW würde helfen. Es gibt viele kleine Hebel in diesem Bereich. 3. Ebenso beim Infrastrukturausbau. Der Start der Ausschreibung für den Netzausbau in Deutschland durch das Ministerium von Volker Wissing ist grundsätzlich das richtige Zeichen. Aber wir brauchen da eine viel höhere Geschwindigkeit. Auch das Ministerium von Robert Habeck ist da nun in der Pflicht zu liefern. Denn das Wirtschaftsministerium ist zuständig für unser Stromnetz. Strom gibt es genug, wir müssen jetzt nur dafür sorgen, dass der richtig verteilt wird! Und dass die Depots und öffentlichen Ladestationen beim Netzanschluss priorisiert werden.

Was würden Sie denn der Politik raten?

Vlaskamp:  Es geht um langfristige Investitionen und den Aufbau einer passenden Infrastruktur. Als Bundesregierung würde ich die Schuldenbremse aussetzen, denn die Investitionen sind langfristig angelegt und werden sich am Ende des Tages für die Wirtschaft und damit für Deutschland rentieren. Kaum etwas ist schlechter für die Wirtschaft, als eine mangelhafte Infrastruktur bei gleichzeitig hohen Stromkosten.

Herr Klimas, wie stehen Sie zu dieser These?

Klimas: Das ist für mich schwierig einzuschätzen. Wichtig ist auf jeden Fall, dass wir Unternehmen Planungssicherheit bekommen. Im Hinblick auf die e-Mobilität kann ich nur sagen, dass man sich den Anwendungsfall ansehen muss. Wie ich vorher schon gesagt habe, funktioniert das mit Porsche sehr gut. Wir haben ein bestimmtes Transportvolumen mit dem Kunden vereinbart und wir haben eine sichere Ladeinfrastruktur aufgebaut. Auf Routen quer durch Deutschland sehen wir das Thema aktuell eher noch kritisch – sind aber ehrlicherweise in unseren Analysen noch nicht so weit, um konkrete Aussagen treffen zu können. Trotzdem stellen wir wo immer möglich um auf E-Mobilität und gehen damit die ersten Schritte.

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